Echte Gottmadinger Narren hatten sich den möglichen Termin mit einem Fragezeichen im Kalender vermerkt. Sie wollten die leise Hoffnung nicht so schnell aufgeben, dass vielleicht doch noch die eine oder andere Veranstaltung möglich würde, auch wenn die Fasnacht frühzeitig abgesagt wurde. Jetzt, in diesen Wochen müsste der berühmte Bieranstich in der Fahrkantine stattfinden, selbstverständlich mit viel Prominenz aus der Nachbarschaft. Auf einen genauen Termin hatte man sich vorsichtshalber nicht festgelegt. Aber Corona hat auch diesem Anlass einen Strich durch die Rechnung gemacht. Und zwar so gründlich, dass das Gerstensack-Bier erst gar nicht gebraut wurde. Wo normalerweise im Januar die Fahrkantine brodelt, herrscht jetzt Stille.

Nichts zu machen. Da ist wirklich kein Tropfen Bier im Glas, da kann Zunftmeister John Weber noch so traurig schauen. Aber Sicherheit ...
Nichts zu machen. Da ist wirklich kein Tropfen Bier im Glas, da kann Zunftmeister John Weber noch so traurig schauen. Aber Sicherheit geht in der Corona-Pandemie vor. Die Narren haben Verständnis dafür, dass in dieser Zeit keine Fasnacht stattfinden kann. | Bild: Tesche, Sabine

Eine der letzten Narrenzünfte Deutschlands mit eigenem Bier

„Normalerweise beginnen wir Anfang November damit, unser Bier zu brauen“, sagt der Gerstensack-Zunftmeister John Weber. „Es braucht mindestens sechs bis acht Wochen Ruhe, um zu reifen.“ Sechs oder sieben Sudpfannen werden angesetzt, aus denen sich jeweils 100 bis 120 Liter Bier ergeben. Den Hopfen und die Gerste kaufen die Braumeister und mischen beides nach eigenen Rezepturen. „Wir brauen komplett nach dem deutschen Reinheitsgebot“, versichert John Weber. Das ganze Verfahren werde vom Zoll überwacht. Die Zunft zahlt Biersteuer. „Wir sind eine der letzten Narrenzünfte Deutschlands, die noch ein eigenes Braurecht hat“, sagt der Zunftmeister stolz. „Das haben wir von Bilger abgekauft.“

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Der Terminpuffer fürs Brauen hat nichts genützt

Schon den Novembertermin haben die Braumeister sausen lassen und auf Dezember verschoben. Drei Braumeister aus drei Haushalten, das hätte nicht gepasst. Außerdem hatten die Narren die Hoffnung, dass sie bei einer möglichen Corona-Lockerung ihr Bier noch einen Monat später trinken könnten. „Unser Bier schmeckt am besten frisch. Es ist maximal bis Ostern haltbar“, weiß John Weber. 650 bis 700 Liter werden jedes Jahr gebraut und auch über die Fasnacht verzehrt. „Wir haben noch nie was weggeschmissen.“

Das Fassbier kann nur in Gemeinschaft getrunken werden

Da drängt sich die Frage auf, warum die Narren ihr Bier nicht einfach an Gottmadinger Haushalte verkaufen, wenn sie es schon nicht gemeinsam trinken dürfen. Die Begründung ist einfach: Das Bier wird nicht in Flaschen abgefüllt, sondern nur in Fässer. Solche Mengen kann man nur in Gemeinschaft trinken. Wegen des Kontaktverbotes gibt es aber keine Feste, bei denen ein Fass Bier geleert werden könnte.

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Die Narren sind traurig aber vernünftig

Normalerweise findet der Bieranstich vor großem närrischen Publikum zwei bis drei Wochen vor der eigentlichen Fasnacht statt. Dass er in diesem Jahr ausfällt, verstehen die Narren und trösten sich mit der Vorfreude auf das nächste Jahr, wenn die Corona-Pandemie hoffentlich überwunden ist. Es herrscht in der Zunft Einigkeit, dass die Sicherheit aller vorgeht.

Da kann man nichts machen: Um das Corona-Virus zu bekämpfen, müssen die Narren in diesem Jahr auf die Fasnacht verzichten. Und damit ...
Da kann man nichts machen: Um das Corona-Virus zu bekämpfen, müssen die Narren in diesem Jahr auf die Fasnacht verzichten. Und damit fällt auch der berühmte Bieranstich in der Fahrkantine ins Wasser. | Bild: Tesche, Sabine

Bierduft steigert normalerweise die Vorfreude auf die Fasnacht

Ein bisschen wehmütig klingt John Weber trotzdem, wenn er erzählt, wie die Vorfreude auf die Fasnacht wächst, wenn ab November der Brauduft aus dem Braustüble in die Fahrkantine dringt, wo der Vorstand die fünfte Jahreszeit vorbereitet.

Zunft denkt über kleine Ersatzprogramme nach

Unter Pandemie-Bedingungen finden Besprechungen nur noch virtuell als Zoom-Meeting statt. Jetzt loten die Narren aus, was überhaupt noch möglich ist. So soll im Narrenblatt „De Gerstensack verzellt“ ein Malwettbewerb für Kinder mit Prämierung stattfinden. Den Fasnet-Mäntig-Umzug wollen sie digital zeigen. „Ein bescheidener Ersatz“, meint Weber und ergänzt: „Der Narr gehört auf die Straße. Fasnacht muss zum Anfassen sein.“ Aber die Narrenzunft habe Vorbildfunktion und müsse Menschenansammlungen vermeiden. Im Pflegeheim St. Hildegard, wo John Weber arbeitet, will er aber an der Fasnacht zusammen mit vier oder fünf Kollegen im Narrenhäs arbeiten. Und es werden überall Narrenbändel aufgehängt. Das Haus ist für Besucher geschlossen. Die Mitarbeiter beherrschten die Hygieneregeln. Viele der Bewohner seien früher selber in der Fasnacht aktiv gewesen. Ihnen will die Zunft auf diese Weise eine Freude machen.

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