Beim Frühstück auf der Terrasse seines heimischen Gartens erzählt Michael Klinger, wie er in den kommenden acht Jahren die Gemeinde ...
Beim Frühstück auf der Terrasse seines heimischen Gartens erzählt Michael Klinger, wie er in den kommenden acht Jahren die Gemeinde Gottmadingen voranbringen will. | Bild: Tesche, Sabine

Diese Geschichte soll keine Homestory werden. Darauf legt Michael Klinger gleich zu Beginn des SÜDKURIER-Gespräches Wert. Er hat zum Frühstück zu sich nach Hause geladen. Es soll um seinen Wahlkampf gehen, um den Versuch einer Bilanz der 16 Amtsjahre und um die Ziele für weitere acht Jahre. Denn eines ist sicher: Michael Klinger will nochmal ran. Und zwar mit vollem Elan. Wer also zum Frühstück beim amtierenden und kandidierenden Bürgermeister eingeladen ist, wird seine Augen beim Betreten des Hauses nicht verschließen. Die Wahl am 11. Oktober 2020 ist eine Persönlichkeitswahl. Was erzählt uns also das Haus über die Person? Dieser Mann hat Durchhaltevermögen. Eine Charaktereigenschaft, die sich im privaten wie im beruflichen Leben ausgezahlt hat. Denn Michael Klinger hat in fünf Jahren zusammen mit seiner Partnerin und seinem Vater einen Altbau aus den1930er Jahren mit sehr viel Eigenleistung und handwerklichem Geschick in ein Schmuckstück verwandelt. Mehr soll dazu nicht gesagt werden.

Auf die Menschen hören

Dicke Bretter bohren, durchhalten, das will Klinger auch in den kommenden acht Jahren. Und zwar zusammen mit den Gottmadingern. Im Dialog habe es das Dorf weit gebracht. Deshalb stehe Bürgerbeteiligung bei allen wichtigen Projekten an erster Stelle. Im Wahlkampf sucht er vor allem das Gespräch mit den Menschen, will zuhören und von den verschiedenen Gruppen hören, was ihnen wichtig ist. Michael Klinger will sich neu verorten, will sein Bild von Gottmadingen von den Bürgern spiegeln lassen und dabei erfahren, ob er nach 16 Jahren noch richtig liegt. „Wahlkampf ist eine gute Gelegenheit, aus dem Alltag herauszutreten und sich neu zu orientieren“, sagt er. Wahlkampf heißt aber auch, Bilanz zu ziehen. Und da muss der Amtierende sich nicht verstecken.

Jede Menge auf der Haben-Seite

„Als ich 2004 angetreten bin, durchlebte Gottmadingen mit dem Rückzug von Kverneland gerade eine schwere Wirtschaftskrise“, erzählt er. Die einst prägende Landmaschinenfabrik Fahr und ihre Nachfolger hatten das Dorf über Jahrzehnte geprägt und ihm einen industriellen Anstrich gegeben. Es drohte der Niedergang. Doch eine geschickte Ansiedlungspolitik im Industriepark Gottmadingen hat dafür gesorgt, dass keine Brache entstanden ist. „Wir haben heute 3300 sozialversicherungspflichtige Arbeitsplätze“, erzählt Michael Klinger. „900 davon sind in den vergangenen acht Jahren entstanden.“ Offenbar sind die Gewerbeflächen in der grenznahen Gemeinde gefragt. Jedenfalls sind die begehrten Erweiterungsflächen rar. „Mir geht es darum, die Flächen optimal auszunutzen und nachhaltig zu verdichten“, sagt Klinger mit Blick in die Zukunft. „Meine Aufgabe sehe ich darin, die Betriebe zu begleiten. In Bietingen werden wir das erste Gewerbereihenhaus bauen.“ 15 neue Firmen sind in den ehemaligen Fahr-Hallen entstanden. Gottmadingen sei ein gut aufgestellter Wirtschaftsstandort. „Die Corona-Pandemie führt uns vor Augen, wie sehr wir von einer florierenden Wirtschaft abhängen“, sagt Klinger und liefert damit das Stichwort, das viele Fragen aufwirft.

Schulneubau fordert die ganze Kraft

Wie hoch sind die Ausfälle bei der Gewerbesteuer durch die Corona-Krise? Was wird sich die Gemeinde überhaupt noch leisten können? Wird der 30 Millionen teure Schulneubau das Dorf in den Ruin treiben? – Klinger will nicht spekulieren über fehlende Gewerbesteuer. „Da gibt es jeden Tag neue Hochrechnungen“, sagt er. „Mit der Schule gehen wir tatsächlich an die Grenze dessen, was Gottmadingen leisten kann. Aber ich spüre, dass es richtig ist, in die Bildung zu investieren.“ Über eine halbe Million Euro werde alleine für die Digitaltechnik in der Schule ausgegeben. Die Zeit der Flickenteppiche mit Computern der verschiedenen Generationen ist dann vorbei. „Wir sind dann als Schulträger auf der Höhe der Zeit“, sagt Klinger. „Ich will nicht verschweigen, dass die Handlungsspielräume in Gottmadingen eingeschränkt werden.“

Haushalten kann er

Seine Wiederkandidsatur nutzt der Gottmadinger Bürgermeister Michael Klinger, um Bilanz zu ziehen und sich noch einmal neu in der ...
Seine Wiederkandidsatur nutzt der Gottmadinger Bürgermeister Michael Klinger, um Bilanz zu ziehen und sich noch einmal neu in der Gemeinde zu positionieren. In seiner 16-jährigen Amtszeit hat er schon einige Krisen gemeistert. Die jüngste Herausforderung ist der Umgang mit der Corona-Pandemie. | Bild: Trautmann, Gudrun

Dass er mit Geld umzugehen verstehe, habe er in den vergangenen Jahren bewiesen, zeigt er sich selbstbewusst. Für künftige Investitionen, zum Beispiel in den letzten Bauabschnitt der Randegger Halle oder einen barrierefreien Busbahnhof auf dem Bahnhofsvorplatz, in die Verkehrsinfrastruktur oder bezahlbaren Wohnraum werde es eine Prioritätenliste geben. Dass man in Gottmadingen große Aufgaben anpacken und mit Geduld zu Ende bringen kann, habe die Sanierung des Höhenfreibades gezeigt. Acht Millionen Euro hat sich die Gemeinde das kosten lassen. Zahllose Diskussionen haben zu dem jetzigen Ergebnis geführt. „Das Ringen um die beste Lösung hat immer etwas mit Kompromiss zu tun“, lautet noch so ein Leitsatz des Bürgermeisters.

Neuer Wohnraum muss her

Ein Thema, das ihm besonders unter den Nägeln brennt, ist bezahlbarer Wohnraum. „Die Krankenschwester, der Industriearbeiter oder die Altenpflegerin müssen von ihrem Einkommen eine Miete bezahlen können“, sagt er. Mit Hilfe der Anneliese-Bilger-Stiftung konnten neun Mietparteien in diesem Jahr ein neu errichtetes Gemeindehaus beziehen. Als Aufsichtsratsvorsitzender der Gottmadinger Wohnbaugenossenschaft habe er auch hier den Bau von 40 neuen Wohnungen angestoßen. „Und wenn die Schule 2021 umgezogen ist, könnten auf dem Areal der alten Schule altengerechte Wohnungen entstehen“, hofft Klinger. Er setzt außerdem entschieden auf innerörtliche Nachverdichtung, um Flächen zu sparen und den Dorfkern lebendig zu halten.

Viel anzupacken

Es gibt viele Themen, die Klinger in den kommenden acht Jahren auf den Prüfstand stellen will: der Klimaschutz, die zum größten Teil selbst verursachte Verkehrsbelastung auf der B34, die Digitalisierung in den Ortsteilen, die weitere Ansiedlung von Gewerbe bei möglichst geringem Flächenverbrauch, die Sozialpolitik. Der 47-Jährige sprüht nur so vor Energie. Was begeistert ihn eigentlich so sehr an Gottmadingen, dass er hier unbedingt weitermachen will?

Idealer Lebensraum

„Mit 10.700 Einwohnern hat die Gemeinde eine ideale Größe“, hat Michael Klinger festgestellt. „Wir haben den Dorfcharakter und trotzdem eine sehr gute Versorgungslage. Wir sind ein starker Wirtschaftsstandort und haben mit Bahn und Autobahn eine sehr gute Infrastruktur. Hier kann man gut leben und arbeiten. Deshalb bleibe ich gerne hier.“

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