„Evang.“ Dieser Schriftzug prangt an der evangelischen Lukasgemeinde in Villingen. Die Abkürzung wirkt wie ein erstes Zeichen der Auflösung, wie ein Blick in die Zukunft, wenn der Standort der Pfarrgemeinde abgebaut wird. Es ist das Sinnbild einer evangelischen Kirche, die sich wegen Mitgliederschwund und sinkenden Einnahmen verkleinert.

„Wir passen die Gebäude dem Bedarf an. Wir haben zu viele Gebäude“, erklärt Udo Stober. Er ist Pfarrer und Vorsitzender der evangelischen Kirchengemeinde in Villingen. Neue Räumlichkeiten für die Lukasgemeinde könnten ausgerechnet in der nahegelegenen katholischen Pfarrei Heilig Kreuz gefunden werden.
Weniger Taufen als Beerdigungen
Dass es dazu kam, geht auf eine Entscheidung der evangelischen Landeskirche zurück: Stellenabbau, Immobilienverkäufe und Umnutzung. Dahinter stand ein einfacher Grund, erklärt Stober: „Es gab weniger Taufen als Beerdigungen.“

Die Lukasgemeinde im Steppach mit Pfarrerin Dorothea von Kalckstein ist davon unmittelbar betroffen. Derzeit steht man in Verhandlungen mit der Caritas, die das Areal erwerben will. Die Bauten darauf sollen abgerissen und stattdessen der Neubau des Seniorenheims St. Lioba entstehen.
Pfarrstelle bleibt
Udo Stober betont: „Wir geben Lukas als Gebäude auf, aber nicht als Gemeinde“. Das Pfarramt ist bereits umgezogen. Von der Sperberstraße in die Waldhauser Straße, wo auch die Paulus-Gemeinde residiert. Dort hat auch Dorothea von Kalckstein ihren Sitz.

„Es geht ein Stück Identität verloren“, sagt Dorothea von Kalckstein über den Verlust der Lukasgemeinde als Ort der Zusammenkunft. Ergänzend dazu erzählt Udo Stober von einem Konfirmanden, der sagt, er sei in der Kirche im Steppach groß geworden. Er ließ sich nach seinem Umzug umgemeinden, um Lukas verbunden zu bleiben. Wieder andere hätten sich gewünscht, „dass ein anderes Gebäude dran glauben muss“, erinnert sich der Pfarrer und lacht.

Neue Gebäude gesucht
Mit seinen vielen Gruppenräumen sei gerade das Lukasgebäude ein gemeindefreundliches Gebäude, schildert Dorothea von Kalckstein. Nun sollen neue Räumlichkeiten im Steppach gefunden werden, um der Gemeinde wieder Orte der Begegnung zur Verfügung zu stellen.
Mit dem katholischen Pfarrbezirk Heilig Kreuz habe ein erstes Gespräch zur Mitnutzung stattgefunden, sagt von Kalckstein. „Einen nahgelegenen Ort zu haben, ist insbesondere für die wichtig, die nicht mehr so gut zu Fuß sind“, so die Gemeindepfarrerin.
Zu viele Gebäude
Dennoch heißt es auch aus den eigenen Reihen, dass es notwendig war, sich von Gebäuden zu trennen. „Man spürt an allen Ecken und Enden, dass die Stadtgemeinde zu viele Gebäude hat“, sagt Annemarie Henkes. Sie ist stellvertretende Vorsitzende des Ältestenkreises. Ihre Kinder wurden in Lukas getauft, erzählt sie. Doch trotz der persönlichen Bindung beschreibt sie ein eher pragmatisches Verhältnis zu den Umstellungen und wird die Gottesdienste und Feste in anderen Gemeinden besuchen.

„Wenn Lukas wegfällt, verteilt es sich auf die verbleibenden Häuser. Es wird nicht weniger Programm geben“, erklärt Henkes.
Gebäude und Biografien verwachsen
Dass die Gebäude nun aufgegeben werden, sei für die Menschen etwas Trauriges, schildert Pfarrer Stober. „Jedes Wort, jedes Weinen, jedes Seufzen legt sich im Raum nieder wie eine Patina.“ Die Lukaskirche aufzugeben, habe vor allem der Respekt vor den Menschen erschwert, die seit 40 Jahren dorthin kommen.
Die Umgebung und die Rituale seien mit den Biografien der ehrenamtlichen Mitarbeiter und Gläubigen verwachsen. Verwachsen, oder wenn man so will, verstrickt mit der Gemeinde ist Sonja König. Sie leitet den Häkel- und Strickkreis in der Lukasgemeinde.

Ihre Kinder wurden dort konfirmiert, waren in der Jungschar und erlebten dort generell viel, erzählt König von ihrer Verbindung zur Gemeinde. Mit ihrer Familie wird sie Gottesdienste in anderen Gemeinden besuchen. Derzeit kann der Strick- und Häkelkreis noch in Lukas stattfinden. Wenn die Mitglieder ausquartiert werden, wird die Heilig Kreuz Gemeinde sie beherbergen, erzählt König.
Gestärkte Ökumene
So könne auch die Ökumene, der konfessionsübergreifende Glaube, gestärkt werden. Die Kooperation der Kirchen sei nun gefragt, so König. Die katholische Kirche werde früher oder später vor denselben Problemen stehen, prognostiziert die Kursleiterin.
Der Pressesprecher der Erzdiözese Freiburg, Michael Hertl, betont dabei, man dürfe die Verbindung der Konfessionen „nicht nur unter dem Gesichtspunkt von Sparmaßnahmen sehen“. Es könne auch eine Zusammenarbeit sein, die aus dem ökumenischen Miteinander erwachse. Zudem seien Mehrfachnutzungen auch aus ökologischen Gründen, eine zukunftsweisende Lösung.