Bis im Jahr 2040, also in 17 Jahren, sollen die Haushalte und Betriebe in Villingen-Schwenningen keine fossilen Brennstoffe wie Erdöl und Erdgas mehr verfeuern, die Heizungen also CO2-neutral sein.
Doch wie kann das gelingen? Die Stadt hat jetzt von einem Fachbüro eine „Kommunale Wärmplanung“ ausarbeiten lassen. Es handelt sich um ein Strategiepapier, das der Kommune den Weg weisen soll, wie der Wandel von fossilen Brennstoffen auf klimaneutrale Gebäudewärme gelingen soll.
Die Stadtwerke sind gefordert
Ein zentraler Akteur der künftigen Wärmeversorgung für die 40.000 Haushalte und viele Betriebe soll der örtlicher Energieversorger, die Stadtwerke Villingen-Schwenningen, werden. Die Stadtwerke sollen ein umfassendes Fernwärmenetz aufbauen, um all jene Gebäude und Betriebe anschließen, die nicht selbst eine klimaneutrale Heizung wie beispielsweise eine Wärmepumpe installieren wollen oder können.

So funktioniert die Fernwärme
Die Wärme, mit denen die Gebäude künftig beheizt werden, soll aus unterschiedlichen Wärmequellen entnommen werden. Beispielsweise aus dem Abwasser der Kläranlagen, aus Abwasserkanälen, aus Blockheizkraftwerken, aus geothermischen Anlagen, aus der Abwärme großer Kühlanlagen wie etwa Schwenninger Helios-Arena oder der Abwärme großer technischer Anlagen. Die Wärme wird denn über Fernwärmeleitungen, die in den Straßen verlegt werden, zu den Häusern und Betrieben geführt.
Im Auftrag der Stadt das Fachbüro Energielenker Projects aus Fellbach ein Strategiepapier ausgearbeitet. Die Autorin Anika Scherenberg stellte das Papier im Technischen Ausschuss vor.
In diesen sechs Gebieten wird angefangen
Neben einer Bestandsaufnahme geht es in dieser Wärmplanung darum, erste Gebiete zu identifizieren, in denen ein Einstieg mit Fernwärme sinnvoll ist. Seitens der Planer wurden sechs Stadtbereiche ermittelt, in denen gestartet werden soll: in der Weststadt von Villingen, im Bereich Beethoven Süd (südlich des Beethovenhauses) in Schwenningen, in der Villinger Südstadt, im Bereich Beethoven Nord, im Wohngebiet Goldenbühl sowie am Kopsbühl in Villingen.
Diese Wohnquartiere sind zum einen deshalb geeignet, weil der Anteil von Erdgas- und Ölheizungen noch extrem hoch sind. Die fossilen und klimaschädlichen Energieträger machen zumeist einen Anteil von 85 bis 95 Prozent aus. Die Gebäude am Kopsbühl werden beispielsweise zu 95 Prozent mit Erdgas beheizt.

Hier sollen erste Wärmenetze aufgebaut und im Laufe der Jahre erweitert werden. Alle sieben Jahre, so die Wärmeplanerin Anika Scherenberg, muss die kommunale Planung erneuert werden. Ziel sei es, bis 2040 eine möglichst klimaneutrale Wärmeversorgung in Villingen-Schwenningen herzustellen.
Weitere Information der Bevölkerung
Die Wärmeplanung soll bis Ende des Jahres abschlossen werden. Weitere Maßnahmen zur Information der Bevölkerung sind noch vorgesehen. Wie der Geschäftsführer der Stadtwerke, Gregor Gülpen, den Stadträten erläuterte, hat die kommunale Wärmeplanung einen großen Vorteil: Jene Städte, die bis zum Jahresende in Baden-Württemberg eine solche Planung vorlegen können, werden von vielen Bestimmungen des Gebäudeenergiegesetzes, befreit, das die Bundesregierung vor Kurzem unter großen Geburtswehen verabschiedet hat.

Es gibt keine Anschlusspflicht
Die Stadtwerke wollen nun den Markt sondieren und feststellen, welche Haushalte sich in den nächsten Jahren an das Wärmenetz anschließen lassen wollen. Gülpen stellte klar, das es für Eigentümer und Betriebe keine Pflicht gibt, sich ans Wärmenetz der Stadtwerke anzuschließen. Sie können sich gemäß dem Gebäudeenergiegesetz eigene Lösungen suchen.
Allerdings hat das Wärmenetz den Vorteil, dass in Einzel- und Mehrfamilienblocks keine eigene Heizungsanlage mehr benötigt wird und keine Installationen nötig werden. Wärme kann bestellt werden wie Strom. Die Abnehmer können die Gebäudebeheizung dem Energieversorger überlassen. Und mehr Eigentümer mitmachen, um so kostengünstiger wird die Fernwärme.
Stadtwerke ermitteln die Nachfrage
Schon jetzt, so berichtet Gülpen, informieren die Stadtwerke die großen Hausverwaltungen, die Unternehmen und die Stadt als großer Besitzer von Liegenschaften über die Möglichkeiten eines Fernwärmeanschlusses, um feststellen, wie groß die Nachfrage ist und in welchen Bereichen sich der Leitungsbau wirtschaftlich lohnen würde.
Oberbürgermeister Jürgen Roth widersprach der Kritik von Stadträtin Cornelia Kunkis (Grüne), die sich von diesem Papier „mehr Fortschritt und Substanz“ erhofft hatte. Roth betonte, dass die Stadt mit der Wärmeplanung ein Instrument generiert habe, um die Wärmewende mit praktischem Leben zu füllen. Die Stadt und das Land seien damit allen anderen in Deutschland voraus.
Mahnung an die Stadtwerke
Stadtrat Dirk Gläschig (Freie Wähler) mahnte, dass die Stadtwerke bei der Werbung um Anschlussnehmer nicht nur auf ihr Geschäft achten, sondern einen „vertrauensvollen Job“ machen sollten. Die sorgsame Kommunikation mit den Bürgern bei der Wärmeberatung sei ganz wichtig.
Werden die Kunden ausgepresst?
Olaf Barth (AfD) warnte vor einer marktbeherrschenden Stellung der Stadtwerke. „Dann hängen alle am Netz von Herrn Gülpen, der die Kunden dann auspressen kann.“ Bürgermeister Bührer wies dieses Szenario zurück. Die Stadtwerke würden niemand auspressen, es gehe nur um marktübliche Preise.
Die breite Mehrheit im Ausschuss würdigte die Strategie als wichtig und schlüssig. Am Ende stimmten zwölf Ausschussmitglieder für die Umsetzung der Wärmeplanung, es gab lediglich eine Enthaltung von Barth. Die formelle Verabschiedung der Wärmeplanung erfolgt am nächsten Mittwoch durch den Gemeinderat.