Egal, wie die Entscheidung ausfällt: Die Stadträte dürften von einer Seite immer Prügel beziehen, wenn sie sich nun am Mittwoch, 25. Januar, erstmals mit der Frage beschäftigen, ob die Sperrzeit in der Villinger Färberstraße verlängert wird, das heißt, ob die Kneipen früher schließen müssen. Entweder die Anwohner murren auf, wenn es zu keinen Einschränkungen kommt, oder eben die Gastronomen, wenn sie früher zu machen müssen. Ist das ein Kompromiss in Sicht und wie ist die rechtliche Lage?
Auf einen Mittelweg setzt SPD-Fraktionssprecher Edgar Schurr bei der Lösung des Problems, wie die Nachtruhe der Anwohner und der Kneipenbetrieb zumindest halbwegs zu vereinbaren sein könnten. Er kann sich vorstellen, dass es unter der Woche bei einer Sperrzeit von drei Uhr bleibt, am Wochenende früher, um zwei oder drei Uhr zugemacht werden muss (bisher fünf Uhr).
Besonderes Wohngebiet
Bei der Färberstraße handele sich um ein besonderes Wohngebiet, betont Schurr auf Anfrage. Daher hätten die Anwohner auch ein Recht darauf, dass nachts die Lautstärke von 44 Dezibel nicht überschritten werde. Das entspricht etwa einem normalen Gespräch.
„Wir werden also sicherlich für das Wochenende Maßnahmen ergreifen müssen.“Edgar Schurr, SPD-Fraktionssprecher
Falls dies die Stadt nicht erreiche, sei seines Wissens eine Klage von Anwohnern nicht auszuschließen. Er glaube auch, dass unter der Woche „die Probleme nicht so groß sind“, der Ärger beginne eben meist in der Nacht auf Samstag. „Wir werden also sicherlich für das Wochenende Maßnahmen ergreifen müssen“, sagt er. Irgendeiner wird aber immer unzufrieden sein, „wir haben da die A-Karte“.

Der Vorschlag der Verwaltung sei „der richtige Ansatz“, findet einer der Grünen-Fraktionssprecher, Oskar Hahn. Wie ein guter Kompromiss zwischen Anwohnern und Gastronomen austariert werde, müsse sich noch zeigen.
Nicht festlegen will sich der Jurist darauf, ob eine Klage der Anwohner erfolgversprechend sei. Es sei nicht sein Fachgebiet. Da sei alles möglich, beispielsweise auch eine Gerichtsentscheidung, dass die Gastronomiebetriebe bereits um 22 Uhr schließen müssen, oder dass die Anwohner nicht durchkommen.
Auf Klage ankommen lassen?
„Ein Dauerbrenner“ sei das Thema, meint FDP-Fraktionssprecher Frank Bonath. Die Liberalen seien bisher der Ansicht gewesen, möglichst wenig zu reglementieren. Auf eine Klage würde er es persönlich schon einmal ankommen lassen, dann „sehen wir, wie das Gericht entscheidet“.
Das Recht der Gastronomen auf Berufsausübung und das der Anwohner auf Nachtruhe „müssen wir zusammenbringen“, sagt AfD-Stadtrat Martin Rothweiler. Wie das genau aussehen soll? Noch offen.
Was können die Anwohner tun?
Was haben eigentlich die Anwohner für Optionen? Wir haben mit dem Schwenninger Fachanwalt Stefan Bartholme gesprochen. Vergleichsweise gut wären die Möglichkeiten gewesen, wenn sich die Anwohner gleich bei der Aufstellung des Bebauungsplans der Färberstraße als besonderes Wohngebiet geregt hätten.
Sie hätten dann einwenden können, dass dies mit der Vielzahl von Kneipen gar nicht funktioniere. Doch da der Bebauungsplan in den späten 1990er Jahren erstellt wurde, sieht der promovierte Jurist hier keine Chancen mehr.
Auch bei einer gaststättenrechtlichen Erlaubnis für eine neue Gastronomie hätten die Bürger Einwendungsmöglichkeiten.
„Ein oftmals eher steiniger Weg.“Stefan Bartholme, Rechtsanwalt zur Zivilklage
Doch wie sieht das jetzt im Fall der Färberstraße aus, wenn Bürger sich dort in der Nachtruhe beeinträchtigt fühlen, was ihrer Ansicht nach von bestehenden Betrieben ausgehe?
Sie können nur Zivilklage einreichen, sagt Bartholme. Dann müssten sie aber den Beweis führen, dass sie in „einem Recht verletzt werden“, ein „oftmals eher steiniger Weg“.
Teure Lärmgutachen?
Es reiche nicht zu argumentieren, dass es zu laut sei. Der Kläger müsse einen Lärmgutachter beauftragen, was „einige Tausend Euro kosten“ könne. Dann sei es auch notwendig, dass der „der Störer“ klar identifiziert werde.
Wenn so nachgewiesen werden könne, dass die ortsüblichen Lärmrichtwerte überschritten werden, sei die Chance auf eine erfolgreiche Klage gut.
Andererseits macht Bartholme darauf aufmerksam, dass bei einem besonderen Wohngebiet „vorwiegend das Wohnen“ ermöglicht werden müsse. Hier hat die Stadtverwaltung die Möglichkeit, nachträgliche Auflagen auszusprechen, um dies überhaupt zu ermöglichen.