Die Auseinandersetzung um den von den Stadtwerken geplanten Solarpark bei den Bertholdshöfen zwischen Villinen und Schwenningen treibt auch die Bürger um.

Zuletzt hatte die SPD-Gemeinderatsfraktion die Solarpark-Gegner von der Bürgerinitiative Bertholdshöhe scharf gerügt, nach dem diese auf ihren Social-Media-Kanälen Darstellungen von Blutflecken auf Kleidungsstücken und Grabsteine mit der Aufschrift ‚SVS‚ (Stadtwerke Villingen-Schwenningen) veröffentlicht hat.

CDU-Stadtrat Dietmar Wildi, Mitglieder Bürgerinitiative Bertholdshöfe, erklärte wiederum, dass es sich nicht um Grabsteine handle, sondern um einen Meilenstein: „Wir wollten Bezug nehmen auf die Aussage der Stadtwerke, dass es sich bei dem Solarpark um einen Meilenstein hin zur Klimaneutralität handelt“, erklärte er auf SÜDKURIER-Nachfrage. In der jüngsten Gemeinderatssitzung sprach Dirk Gläschig spricht Klartext: Keine Toleranz für grenzwertige Bildsprache

Dietmar Wildi, Stadtrat der CDU, ist einer der Wortführer der Interessengemeinschaft Bertholdshöfe, die gegen den geplanten Solarpark ...
Dietmar Wildi, Stadtrat der CDU, ist einer der Wortführer der Interessengemeinschaft Bertholdshöfe, die gegen den geplanten Solarpark kämpft. | Bild: Hans-Jürgen Götz

Die Art der politischen Auseinandersetzung sorgt für ein lebhaftes Meinungsecho bei den SÜDKURIER-Lesern. Zu dem Thema gibt es mehrere Leserbriefe. Die Redaktion hat die Leser-Beiträge im Folgenden zusammengetragen.

„Bitte mit Anstand und Respekt“

„Die Bürgerinitiative ist meiner Meinung nach mit ihrer Bilderaktion deutlich über das Ziel und die Grenzen des guten Geschmacks hinausgeschossen. Ein Grabstein, der eigentlich ein Meilenstein sein soll. Ok, der Bruder war‘s, wenn‘s in der bayrischen Politik so funktioniert, warum nicht auch bei Steinen.

Aber Scherz beiseite. Ein weißes Hemd mit rotem Fleck auf Höhe des Herzens, das lässt sich schwer anders interpretieren, als dass hier Blut geflossen ist. Das ist unterste Schublade. Es suggeriert Gewalt. Wenn sich Meinungen auf solchem Niveau ausbilden ist der Weg zu tatsächlichen Angriffen deutlich verkürzt. Immer häufiger kommt es in Deutschland zu Angriffen auf kommunale Politiker, sich ehrenamtlich engagierende Rettungshelfer usw. Das hier in VS Mitarbeiter der SVS als „Übel“ hingestellt werden, geht einfach nicht. Man kann unterschiedliche Meinungen haben, aber bitte alles mit Anstand und Respekt.

Die Zeiten, in denen jemand PV ablehnen kann mit der Begründung, „will ich nicht in meiner Umgebung“, sind vorbei! Herrn Wildi unterstelle ich zudem ganz eigene Interessen im Bereich „seiner“ Bertholdshöfe.

Zum Abschied möchte ich mir noch erlauben, etwas zu polarisieren. Darstellungen dieser Art fördern meiner Meinung nach Gewalt wie die in Dresden auf Matthias Ecke im Wahlkampf. Oder auch das Attentat auf Walter Lübcke. Ich persönlich befürworte die PV-Anlage, allerdings wäre ich für eine doppelte Nutzung mit Landwirtschaft in Kombination.“

Lilly Debus, 78052 VS-Villingen

Grabstein oder Meilenstein? An dieser Form der politischen Agitation scheiden sich die Geister.
Grabstein oder Meilenstein? An dieser Form der politischen Agitation scheiden sich die Geister. | Bild: Dominik Zahorka

„Neue Anlagen sind unersättlich“

„Ich möchte gar nicht auf die Streitigkeiten bezüglich der Gegner und Befürworter der Solaranlage eingehen, sondern bei den Fakten bleiben, die ich aus der Zeitung entnommen habe. Ich habe alle Puzzlesteine zu diesem Thema aus der Zeitung für mich zusammengesetzt und bin zu dem Schluss gekommen, dass hier noch Vieles gar nicht an die Öffentlichkeit gelangt ist, und mehr dahinter steckt.

Vor kurzem war in dieser Zeitung bekannt geworden, dass ein Hub für Wasserstoff gebaut werden soll. Dieser macht aber nur dann Sinn, wenn Wasserstoff auch hier bei uns vor Ort produziert wird. Dessen Produktion benötigt dann aber gewaltige Strommengen, wenn das Ganze betriebswirtschaftlich funktionieren soll. Daher sind die besagten 30 Hektar sicher hier nur der Anfang, Flächen sind später leicht zu erweitern.

Rechnet man nun den Strom dazu, den ein Windpark in Pfaffenweiler liefern soll, ist die Basis für eine Wassersstoff-Fabrik gelegt, natürlich dann gesegnet mit Fördergeldern. Natürlich wird auch ein riesiger, zusätzlicher Stromspeicher benötigt, der mit alten KFZ-Akkus betrieben wird, denn diese können im Moment noch nicht in großer Zahl und zufriedenstellend recycelt werden und wären sonst teuer Sondermüll für die PKW-Hersteller mit Ihrer Rücknahmepflicht (Bitte hier mal selbst im Netz nachlesen).

Mit dem Wasserstoff könnten die Stadtwerke dann ihr Fernwärmeprojekt „grün“versorgen, was für Herrn Gülpen eine gute Geschäftgrundlage darstellt. Auch die umliegenden Fabriken mit Wasserstoffanschluss wären aus dem Schneider, umweltfreundlich zu produzieren. Wie das aber mit teurem Wasserstoff betriebswirtschaftlich funktionieren soll, hat mir noch niemand erklären können. Die Stadt VS hätte einen grünen Mantel für solche Projekte und kann damit die Bürgern und Unternehmer hier vor Ort mit gutem Gewissen abzocken.

Die Bürger und Unternehmer ohne Fernwärme- oder Wasserstoffanschluss müssen dann eben schauen, wie sie „grün“ werden wollen. Doch auch bei Wärmepumpen, sprich Strom, ist Herr Gülpen mit unserem OB sicher im Boot und verdienen sich mit dem grünen Label eine goldene Nase. Das Ganze hat also nichts mit Umwelt zu tun, sondern es geht hier um ein Geschäftsmodell für die Zukunft.

Die Bürger aber verlieren immerfort weitere Naherholungsgebiete, die Bauern wichtiges Ackerland. Diese neuen Industrieanlagen sind unersättlich und werden selbst ein Problem für unsere Umwelt werden. Wie immer werden sich der OB und die Stadtwerke für diese Umsetzung dieser „ Grünen Pionierprojekte“ loben lassen.

Ob 9000 Bürger davon profitieren werden, wie Herr Gülpen behauptet? Ich kann für meine Person hier leider keinen Vorteil als Bürger dieser Stadt erkennen. Eine Klimaneutralität, die unsere Stadt anstebt, wird aus meiner Sicht sowieso ein frommer Wunsch ohne reale Grundlagen bleiben. Ich frage mich, ob diese „grünen Planungen“ nicht das kaputt machen werden, was wir eigentlich alle erhalten wollen, nämlich unsere aktuelle Umwelt für uns und unsere Kinder zu erhalten.“

Gerhard Holz, 78052 VS-Villingen

Mit solchen Schriften kämpfen die Anlieger gegen die „PV-Industrieanlage“.
Mit solchen Schriften kämpfen die Anlieger gegen die „PV-Industrieanlage“. | Bild: Dominik Zahorka

„Aussagen der SVS irreführend“

Stellungnahme zu den Äußerungen von SPD-Stadtrat Nicola Schnurr

„Die SPD kritisiert die Veröffentlichungen der Bürgerinitiative, aber stellt sich vor Herrn Gülpen (SVS). Ja, Herr Schnur, Kritik ist immer willkommen. Warum unsere Kritik nicht mit demokratischen Werten in Einklang zu bringen sein soll, ist mir aber unklar. Der „Meilenstein“ ist zerrüttet, da die Aussagen der SVS mindestens irreführend, nach meiner Überzeugung aber sogar völlig falsch sind. Freiflächen-PV-Anlagen sind nicht klimaneutral, schon gar nicht für das lokale Klima, das diese Anlagen nachweislich erwärmen. Darauf weisen wir hin. Das Hemd mit dem roten Fleck ist unsere Antwort auf die Verharmlosung des Projektes durch Herrn Gülpen bzw. die SVS. Herr Gülpen spricht von „nur 30 Hektar“, macht aber Werbung mit einem Bild, das gerade einmal eine Anlage von zwei Hektar zeigt. Warum dieses Täuschungsmanöver? Sind das „demokratische Werte“? Nein, auch dieses Bild ist irreführend.

Und dass einigen Bürgern und Anwohnern das Herz blutet, wenn sie an die geplante Natur- und Landschaftszerstörung denken, können Sie diesen Bürgern doch nicht vorwerfen. Oder? Warum sind Sie, Herr Schnurr, nicht unserer Einladung gefolgt, als wir sachlich und auf Fakten basierend, über das geplante Projekt gesprochen haben. Warum war niemand der SPD-Fraktion anwesend? Haben Sie die Bürger, Ihre Wähler gefragt, ob diese die Bertholdhöfe mit einer PV-Anlage belasten wollen? Sie sind doch Vertreter der Bürger und nicht von Herr Gülpen oder der Verwaltung. Wir empfinden es als sehr demokratisch, unsere Meinung zu sagen und auch deutlich auf die irreführenden Informationen, die von anderer Seite verbreitet werden, hinzuweisen. Demokratisch zu sein, heißt nicht Ja zu sagen, sondern mitzusprechen. Sie haben mit uns nicht gesprochen.“

Jürgen Hensler, VS-Villingen

„Doppeldeutige Aussagen“

„Die Aussage von Herrn Wildi, das sei kein Grabstein, „sondern ein Meilenstein“, brachte mich erstmal zum Schmunzeln. Selbst die Begründung: weil ja schließlich die SVS (Stadtwerke Villingen-Schwenningen) von einem Meilenstein zur Klimaneutralität sprechen; ist im Nachhinein nicht von der Hand zu weisen.

Aber trotzdem haben wir es hier mit einer Doppeldeutigkeit (genauer einer doppeldeutigen Aussage) zu tun. Zeigt man das Bild 100 Menschen, die nichts mit Villingen-Schwenningen zu tun haben, werden alle 100 Menschen sagen, sie sehen auf dem Bild einen Grabstein. Mit der Inschrift SVS können sie nichts anfangen, weil sie ja nicht von hier sind.

Genau so sieht es mit dem Wort Meilenstein aus. Fragt man 100 Menschen nach der Bedeutung des Wortes „Meilenstein“, wird eine große Mehrheit antworten: „Ein Meilenstein ist ein Ereignis mit großer Bedeutung innerhalb eines Projekts“ und nichts hiervon berichten: „Ein Meilenstein, auch Postmeilensäule, ist ein in regelmäßigen Abständen an Straßen errichteter Entfernungsanzeiger. Meilensteine gehören wie Wegkreuze oder Bildstöcke zu den Kleindenkmälern und unter diesen zu den Distanzsteinen.“

Ich gehe auch stark davon aus, das die SVS bei Ihrer Meilensteinaussage von einem großen Ereignis und nicht von einer Postmeilensäule ausgegangen ist. Und dass Wildi von dem blutbefleckten weißen Hemd nichts weiß, macht es auch nicht besser. Wenn ich davon nichts wüsste, würde ich in meiner Bügerinitiative nachfragen, bevor ich so eine Aussage der Zeitung gebe. Aber vermutlich ist hier halt keine geeignete Doppeldeutigkeit eingefallen.

Das ganze erinnert mich vom Ablauf her an bestimmte Aussagen anderer Politiker: die Sachen raushauen, ihre Klientel damit zufrieden stellen, und dann hinterher nichts mehr von der Aussage wissen.

Und das, was ich hier geschrieben habe, hat nichts damit zu tun, dass ich Mitglied der SPD bin, das hätte ich auch geschrieben, wenn ich in der CDU wäre, oder Herr Wildi in der SPD.

Abschließend noch kurz generell zum Thema: wenn die Zahlen stimmen, dass es sich um 12 Prozent der Gesamtfläche Bertholdshöfe handelt, verstehe ich die ganze Aufregung eigentlich nicht. Es sei denn, genau auf dieser Fläche, um die es geht, sind Tonnen von Goldbarren vergraben.“

Christian Münch, Villingen-Schwenningen

Mit Informationsschriften wehrt sich die IG Bertholdshöfe gegen die Freiflächen-Photovoltaikanlage.
Mit Informationsschriften wehrt sich die IG Bertholdshöfe gegen die Freiflächen-Photovoltaikanlage. | Bild: Hans-Jürgen Götz

„Bleibt sachlich und fair“

„Auch mir sind in den Sozialen Netzwerken das blutbefleckte Hemd und der Grabstein mit „SVS“ Aufschrift der Bürgerinitative „Rettet die Bertholdshöfe“ sehr negativ aufgefallen.

De facto ist das Thema Energiegewinnung in einem Land wie Deutschland sehr wichtig, andererseits ist das fast nie ohne Eingriffe in die Landschaft möglich. Das gilt für PV-Anlagen, genau so wie für Windräder oder Kraftwerke. Das bei einem solchen Thema nicht nur Fakten eine Rolle spielen, sondern auch emotional argumentiert wird ist nachvollziehbar. Es ist auch das gute Recht von Bürgern in einer Demokratie, hier aktiv zu werden, in eine Diskussion mit der Stadt einzusteigen und Alternativen einzufordern.

Blutbefleckte Hemden und Grabsteine aber, stehen für Gewalt gegen Menschen und das ist nicht akzeptabel. Ich gehe allerdings davon aus, dass dies nicht das Ziel war. Leider werden in unserer Zeit jedoch solche Themen nur zu oft von Extremisten aufgegriffen, um unsere Gesellschaft noch mehr zu spalten. Deshalb, liebe Bürgerinitative, bleibt sachlich und fair, steht für euer Anliegen mit Argumenten und den demokratischen Mitteln ein, die dafür zur Verfügung stehen.

Denn es wird zu einer Entscheidung kommen und wir werden auch danach gemeinsam als Bürger in einer Stadt leben.“

Axel Killmann, Villingen-Schwenningen

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