Der geplante Straßenbau für die nördliche Ortsumgehung von Villingen-Schwenningen, der so genannte Lückenschluss an der Bundesstraße 523, bewegt die Gemüter mehr denn je.
Denn die Planung des Straßenverlaufs nördlich von Villingen ist angelaufen. Derzeit laufen Dialogveranstaltungen der Straßenplaner mit Bürgervertretern. Und auch der Oberbürgermeister wird demnächst in mehreren Veranstaltungen in den betroffenen Stadtgebieten Bürgergespräche führen.

Über den Stand der Planung der B523 informierte die Stadtverwaltung jetzt die Mitglieder des Gemeinderates in der zurückliegenden Sitzung.
Aktuell befinde sich das Projekt, so erläuterte Patrick Wacker, der Projektsteuerer für den Städtebau im Referat des Oberbürgermeisters, „noch in der Vorplanung“. Dabei wird von den Straßenplanern des Regierungspräsidiums Freiburg auf Basis umfangreiche Umwelt-, Verkehrs- und Variantenuntersuchungen eine Vorzugsvariante entwickelt.
Die Vorplanung legt als erster großer Meilenstein im Projekt fest, wie die künftige Straßen- und Verkehrsführung gestaltet werden soll.
Der Dialog mit Bürgern läuft bereit
Die Information der Bürger hat schon vor geraumer Zeit begonnen. Im Dezember haben die Straßenplaner ihre Überlegungen in der Neuen Tonhalle in Villingen den Bürgern präsentiert. Seither konnten Bürger ihre Meinungen und Bedenken auch in einem Online-Verfahren äußern.
Außerdem fanden bereits drei Runde Tische statt, zu denen Interessengruppen und Verbände eingeladen wurden, um mit den Straßenplanern zu diskutieren. Mit dabei waren beispielsweise Vertreter der Bürgerinitiativen, der Land- und Forstwirtschaft oder der heimischen Unternehmen.
Der OB diskutiert im Mai in den Stadtbezirken
Nach Abschluss der Runden Tische sollen nun auch die Anwohner die Möglichkeit haben, ihre Anregungen, Ideen oder Befürchtungen und Widerstände zu formulieren. Dort gibt es, je nach Lage, Widerstände und Änderungswünsche.
Hierzu wird Oberbürgermeister Jürgen Roth im Mai mehrere Bürgergespräche führen: Am 8. Mai im Wohngebiet Haslach-Wöschhalde (19 Uhr), am 15. Mai in Obereschach (18 Uhr), am 25. Mai in Nordstetten (15 Uhr) und am 26. Mai in Weilersbach (17 Uhr). Die Ergebnisse wird die Stadt an die Straßenplaner weiterleiten.
Das weitere planerische Vorgehen
Nach den Voruntersuchungen werden verschiedene Gutachten, etwa zur Umweltverträglichkeit oder zur Lärmbelastung erstellt, die Voruntersuchungen abgeschlossen und eine Vorentwurfsplanung erstellt. Anhand dieser wird das Bundesverkehrsministerium entscheiden, ob das Projekt aus wirtschaftlichen Gründen sinnvoll und vertretbar ist.

Bis das Projekt final geplant, finanziert und von der Bundesregierung in Berlin beschlossen wird, dürften noch einige Jahre ins Land gehen.
Patrick Wacker aus dem Referat des Oberbürgermeisters verdeutlichte den Gemeinderäten, dass die Stadt VS nur bedingt am Planungsprozess beteiligt sei und keine Entscheidungsbefugnisse habe. Die Stadt werde in einer Stellungnahme ihre Position im Rahmen des Beteiligungsverfahrens darlegen. Die Entscheidung aber, ob die Bundesstraße gebaut werde, liege in der Kompetenz des Bundes und des Regierungspräsidiums.
Grüne sagen Nein zum Lückenschluss
Die Fraktion der Grünen nahm die Gelegenheit wahr, in der Frage des Straßenbaus schon jetzt politisch Farbe zu bekennen. Fraktionssprecherin Ulrike Salat stellte für die Grünen die Vorzüge und Nachteile gegenüber.

Sie kam zu dem Ergebnis: Der Lückenschluss sei bezüglich des Kosten-Nutzen-Verhältnisses bis zur seiner Fertigstellung voraussichtlich nicht mehr wirtschaftlich. Außerdem sei die Straßen „nicht ökologisch und klimaschädlich“.
Nach jetzigen Kenntnisstand, so die Fraktionssprecherin, „sagen wir Nein zum Lückenschluss“. Ziel der Klimapolitik müsse es sein, den Individualverkehr stark zu reduzieren. Am Lückenschluss zeichne sich eine Verkehrszunahme ab und viele Bürger würden durch die Straße zusätzlich belastet. Vernünftiger sei es, das Geld in den öffentlichen Nahverkehr zu stecken.
SPD signalisiert ergebnisoffene Skepsis
Unterschiedliche Signale kamen von der SPD-Fraktion. Fraktionschef Nicola Schurr erklärte, die Fraktion gehe ergebnisoffen in den weiteren Planungsprozess. Er äußerte aber seine persönliche Skepsis. Unter Klimaschutzaspekten sehe er derzeit keine Möglichkeit, die Straße zu bauen.
Sein Fraktionskollege und Vater Edgar Schurr warnte indes vor „vorweggenommenen Positionierungen“. Aus Klimaschutzgründen bringe der Verzicht auf die Straße nichts, weil das Geld dann für ein anderes Straßenbauprojekt verwendet werde. Es sei ein Fehler, zu Beginn des Planungsverfahrens eine Verhinderung der Straße zu betreiben. Klüger sei es, den Planungsprozess konstruktiv zu begleiten und für die Bevölkerung das Beste hausholen.
Klar sei aber auch: „Es wird Gewinner und Verlierer geben.“ Einige Stadtbezirke würden entlastet, andere belastet. Eine Umschichtung der Finanzmittel von der Straße auf die Gäubahn sei leider Wunschdenken. Das könne die Stadt nicht entscheiden.
Liberale sprechen von Überlebensfrage
Die FDP-Fraktion steht weiterhin hinter dem Straßenbau, verdeutlichte Fraktionssprecher Frank Bonath. Dies sei seit vielen Jahren der Wunsch der heimischen Wirtschaft und Industrie. Es wäre wichtig, so Bonath, würden die Bürger der Region dieses Anliegen der Wirtschaft unterstützen.
Eine Stärkung der heimischen Betriebe durch die Verbesserung der Verkehrsinfrastruktur „ist für uns eine Überlebensfrage“, mahnte Bonath. Der örtliche Wirtschaftsstandort sehe sich mit der Tatsache konfrontiert, dass die Industrieproduktion überall wachse, „nur nicht bei uns“.
Offen in der Meinungsfindung ist auch noch die AfD-Fraktion. Die Christdemokraten als größte Fraktion bezogen ebenfalls noch keine Stellung.
Oberbürgermeister setzt auf das Auto
Jürgen Roth warnte die Grünen vor Illusionen. „Wir sind im ländlichen Raum. Lösen Sie sich von der Fantasie, dass das Auto hier einfach verschwindet“, sagte der Oberbürgermeister. Der Ausbau des öffentlichen Nahverkehrs sei nicht die Lösung für den ländlichen Raum.

Um den Wirtschaftsstandort für die heimischen Industriebetriebe attraktiv zu halten, wäre der Ausbau der Verkehrsinfrastruktur wichtig. Inzwischen gehe die Innovationskraft der heimischen Betriebe, einst ein Plus unserer Region, gegen Null, warnte Roth.
Allerdings sieht auch der OB, dass auf einige Stadtbereiche neue Verkehrsbelastungen zurollen. Seine Handlungsempfehlung an den Gemeinderat: „Wir müssen darum kämpfen, um bei der Straßenplanung das Beste für die Bevölkerung herauszuholen.“