Anja Greiner

Wenn Ingolf Kieper, 67 Jahre alt, joggen geht, hat er, seit einiger Zeit, immer ein Pfefferspray dabei. Seit 30 Jahren geht er dreimal die Woche im Germanswald laufen – acht Hundeattacken hat er in der Zeit erlebt. Die Jüngste, am vergangenen Montag, hat dann das Fass zum Überlaufen gebracht. Kieper schildert es wie folgt: Er läuft um kurz nach neun an dem Mann mit dem Hund vorbei, da merkt er, wie der Hund losrennt und auf ihn zuspringt. Er wehrt den Hund ab, etwa eineinhalb Meter vor seinem Körper. Der Hund dreht ab um gleich darauf die nächste Attacke zu starten. Kieper setzt sein Spray ein. Der Hund lässt von ihm ab. Während all der Zeit, so Kieper, habe der Halter nur "dagestanden und gegrinst". "Ich habe ihn angebrüllt: 'Warum ist der Hund nicht angeleint?'", sagt Kieper. Der Halter habe nicht reagiert.

Kieper läuft Halbmarathon. Nach 18 Kilometern, sagt er, hat man keine Lust mehr, sich mit einem Hundebesitzer zu streiten. Er habe schon seine Laufzeiten angepasst – zum Teil geht er morgens um sechs los – er habe auch nichts gegen den Hund, er wolle ihm nicht schaden und mit den meisten Hundebesitzern habe er gut Erfahrungen gemacht, aber irgendwann habe es ihm eben gereicht. Es war die dritte Begegnung mit dem Hund – ein Appenzeller Sennenhund schätzt Kieper, rund 25 Kilogramm schwer.

Nach der Attacke vom Montag geht er zur Polizei. Da sagt man ihm, der Hund habe ihn nicht gebissen, also könne man nichts tun. Er wird ans Ordnungsamt verwiesen. Am Freitag hat er dort einen Termin. Man will, das hat man ihm dort zugesichert, noch den Besitzer recherchieren. Liegt bereits Beschwerde gegen ihn vor, wird er wohl eine Verwarnung bekommen.

  • Das sagt die Polizei: "So komisch es sich anhören mag", sagt Thomas Barth, Leiter des Polizeireviers Villingen, "wenn die Person nicht gebissen wurde, fehlt es am sogenannten strafrechtlichen Erfolg". Und: "Für den Spaziergänger ist das sicher wenig befriedigend." Wird tatsächlich ein Mensch gebissen, leitet die Polizei das immer auch an das Ordnungsamt weiter. Dort wird eine sogenannte Wesensprüfung bei der Hundestaffel in Zimmern ob Rottweil veranlasst. Wirklich häufig seien die Attacken nicht. "Es wird mehr gestohlen", sagt Barth. Dennoch findet er für dieses Jahr immerhin zwölf angezeigte Beißattacken für Villingen in der Datenbank. "In neun der zwölf Fälle haben wir den Täter gefunden", sagt er. Ob die Staatsanwaltschaft tatsächlich ein Ermittlungsverfahren wegen fahrlässiger Körperverletzung gegen den Halter einleitet, hängt, wie bei allen Strafverfahren, von den Umständen ab; also war es der erste Vorfall dieser Art oder gibt es andere Vorstrafen. Am Ende eines Verfahrens kann dann eine Geldstrafe stehen, die, je nach Einkommen, auch mehrere Tausend Euro betragen kann.
  • Das ist die Rechtslage: In Paragraf 14 der städtischen Polizeiordnung ist die sogenannte Leinenpflicht geregelt. Demnach sind Hunde im Innenbereich der Stadt sowie in öffentlichen Grün- und Erholungsanlagen nur angeleint zu führen. Außerhalb dieser Gebiete dürfen Hunde ohne eine Person, die durch Zuruf auf das Tier einwirken kann, nicht frei umherlaufen. In Waldgebieten gilt das Landeswaldgesetz, dieses schreibt eine Leinenpflicht bei Spielplätzen, Liegewiesen und Wassertretanlagen vor. Hält sich ein Hundebesitzer nicht an die Leinenpflicht, wird ein Bußgeldverfahren eingeleitet. Das Bußgeld beträgt 60 Euro zuzüglich einer Bearbeitungsgebühr von 28,50 Euro. Kontrolliert wird der Leinenzwang von der Stadt, genauer vom Ordnungsamt. "Kontrollen gibt es immer wieder, auch in den Außenbereichen", sagt Susanne Kammerer, Pressesprecherin der Stadt.
  • Das richtige Verhalten? Wie reagiert man richtig, wenn sich einem plötzlich ein aggressiver Hund in den Weg stellt? Peter Buchmann, Vorsitzender des Sportvereins der Hundefreunde im kleinen Öschle in Schwenningen, hatte dazu in einem ähnlichen Fall bereits einmal einen Tipp gegeben, der, wie er zugibt, nicht ganz leicht umzusetzen ist. Nicht weglaufen, im Gegenteil: "Sich groß machen, Radau machen, die Hände in die Luft, laut gegen den Hund anrufen und ein paar Schritte auf ihn zugehen." "Der Hund muss merken, ich bin keine Beute", sagt Buchmann.

Leichte Beute, das will auch Kieper nicht sein. "Ich werde wieder joggen gehen", sagt er. Das Pfefferspray griffbereit.