Eberhard Stadler und Claudia Hoffmann
Es war ein Unwetterereignis, das alle, die es erlebt haben, zeitlebens nicht vergessen werden. Vor genau zehn Jahren, am 28. Juni 2006, brach über Villingen-Schwenningen und Trossingen ein Hagelunwetter herein, das in dieser Region beispiellos war. Ein 20-minütiges Wüten der Natur, das sich in der Doppelstadt ins kollektive Gedächtnis eingebrannt hat.

Es ist Mittwoch, der 28. Juni 2006, um 19.31 Uhr, als sich der bedrohlich schwarze Himmel öffnet. Menschen in den Straßen flüchten panikartig vor den tischtennisballgroßen Hagelkörnern unters nächste Dach. Die Eisbrocken krachen so heftig auf Dächer, Scheiben und Straßen, dass die verängstigten Bürger in den Wohnungen ihr eigenes Wort nicht mehr verstehen. Die Hagelgeschosse durchschlagen die Dächer, zerdellen Autobleche, verletzen über hundert Menschen. In einigen Straßen Villingens liegen Hagelkörner in einer Schicht von zehn Zentimetern, in Schwenningen, das noch viel stärker betroffen wird, zum Teil bis 20 Zentimeter Höhe.

Die Bilanz des Infernos ist verheerend: 18 000 Dächer werden schwer beschädigt, zehntausende Fahrzeuge sind zerbeult, zahlreiche Keller stehen unter Wasser. Auf 180 Millionen Euro schätzen die Versicherungen den Gesamtschaden, das Hagelunwetter war damit sechstteuerste der Geschichte.

Völlig zerschossen von Hagelkörnern: Die Stühle beim Eiscafé Zampoli.
Völlig zerschossen von Hagelkörnern: Die Stühle beim Eiscafé Zampoli. | Bild: Jochen Hahne (villingen)

Doch auf die Rettungskräfte ist Verlass. Vor allem die Männer und Frauen der Freiwilligen Feuerwehr werden zu rettenden Engel für zahlreiche Hausbesitzer. Sie dichten zehn Tage lang pausenlos tausende Hausdächer provisorisch mit Planen ab. Die heimische Feuerwehr bekommt große Unterstützung von auswärtigen Feuerwehrabteilungen. Für die Zimmermänner und Dachdecker folgt eine Hochkonjunktur. Bis alle Dächer professionell repariert sind, dauert es ein, zwei Jahre.

Blick auf Schwenningen. Fast alle Dächer sind notdürftig mit Planen geflickt.
Blick auf Schwenningen. Fast alle Dächer sind notdürftig mit Planen geflickt. | Bild: Privat

Der Hagelschlag hat in VS auch ein politisches Echo. Der damalige Bürgermeister Rolf Fußhoeller war nach dem Unwetter in Urlaub gefahren, was ihm heftige Kritik, sogar in der Bild-Zeitung, eintrug. Fußhoeller entschuldigte sich zwei Wochen später öffentlich. Der Gemeinderat wählte ihn bald darauf für eine zweite Amtszeit, doch sein Ruf ("Hagel-Rolf") war angeknackst. Ärger verursachte auch der Umstand, dass 23 Mitarbeiter des Bauhofs am Tag nach dem Hagel, statt aufzuräumen, ungerührt zu ihrem Jahresausflug mit "Rittermahl" aufbrachen.

Die Region hat aus dem großen Schaden die Lehren gezogen. Nachdem die öffentliche Hand nichts tat, wurde auf private Initiative der Verein zur Hagelabwehr Südwest gegründet. Er finanziert seither einen Hagelflieger, der bei entsprechender Wetterlage aufsteigt, um die Unwetter mit Chemikalien zu bekämpfen. Einen schlüssigen wissenschaftlichen Nachweis für den Erfolg der Maßnahmen der Hagelabwehr gibt es nicht, doch die Verantwortlichen des Vereins, zu dem inzwischen auch viele Gemeinden gehören, sind davon überzeugt. Zumindest gab es in den vergangenen zehn Jahren keinen größeren Hagelschlag mehr in der Region.