Tan Caglar ist wirklich gut, witzig und pointiert. Er ist zwar nicht Bülent Ceylan, dafür fehlen ihm die Haare. Und Bülent kann laufen, Caglar nicht. Dafür rollt es bei ihm, im wahrsten Sinne des Wortes. Er ist auf den Rollstuhl angewiesen. Und den verlässt er, einmal auf die Bühne geschoben, nicht mehr.
Inklusion ist durchaus ein Thema bei Caglar. Allerdings gut verpackt, häufig selbstironisch, immer mit Wortwitz, auch spontan. Als Caglar einen Mann aus dem Publikum auf die Bühne bittet und ihm beim Hinaufsteigen die Hand reicht, kommentiert er das trocken mit einem: „Das ist Inklusion.“
Sein Leben mit dem Rollstuhl ist natürlich ein fortlaufendes, besser gesagt, fortrollendes Thema bei Tan Caglar. Das Schicksal hat es nicht gut gemeint mit ihm, erzählt er freimütig: Von Geburt an ist er Türke. Und das in Hildesheim, das halb so groß wie der Villinger Friedhof aber doppelt so tot ist.
Türke, Rollstuhlfahrer und Hildesheimer, was kann schon noch schlimmes passieren, das war die Ausgangslage, das hat ihn, den Tan, stark gemacht. Und jetzt tritt er bei Festivals und auf Kleinkunstbühnen auf, wobei das Auftreten bei ihm ein Aufrollen ist. Die deutsche Sprache ist nicht eben inklusionsfreudig. Und warum wird er zu solchen Festivals eingeladen? Caglar gibt die böse Antwort auf diese rhetorische Frage: Man schlägt mit ihm zwei Fliegen mit einer Klappe, den Quotenkanaken und Quotenbehinderten ins Programm zu heben.
Wahrlich bitterböse kann Caglar sein, das aber mit einer Leichtigkeit, die man ihm nicht übel nimmt. Man spürt, dass er viel erfahren hat in seinem Leben als Rollstuhlfahrer, als türkischer dazu. Es gibt, so erzählt er, äußerst dämliche Fragen an Behinderte. Wie kommst du über die Straße? Was soll man darauf antworten? Bei Grün, kurz und bündig. Und warum soll er denn einen anderen Rollstuhlfahrer kennen, der zufällig auf der anderen Straßenseite steht? Nur weil jemand Räder unter den Beinen hat, macht ihn das nicht automatisch sympathisch. Darf ein Rollstuhlfahrer betrunken weiterfahren? Natürlich nicht! Die Polizei kommt, nimmt den Rollstuhl ab und lässt ihn zu Fuß weitergehen.
Caglar ist gnadenlos, bohrt tiefer. Geht Sex mit dem Rollstuhl? Caglar weiß es nicht, er hatte noch keinen Geschlechtsverkehr mit diesem. Und wie meldet er sich bei Tinder an, mit oder ohne ihn? Caglars Lösung, ein Bild vom Oberkörper und dann den Satz: „Ich bin nicht der Typ, der Frauen hinterherläuft.“ Parken auf dem Behindertenparkplatz mit dem 3er-BMW, als türkischer Rollstuhlfahrer ist das immer ein Spießrutenlaufen. Besser gesagt, Spießrutenfahren. Weil die Leute ja nicht sehen, dass er einen Rollstuhl mit dabei hat, ihn nur als Türken im BMW erkennen, der auf einem Behindertenparkplatz parkt. Und wenn dann mal zwei Rollstuhlfahrer im Supermarkt sind, ist das für viele Leute ähnlich nervend wie ein Zwillingskinderwagen.
Sport für Behinderte ist auch ein Thema. Eine Anmeldung beim Fitnessstudio lässt tief in die Welt des Nicht-Miteinanders von Behinderten und Nichtbehinderten blicken. Allein die Werbung „Fitness ist wichtig, besonders wenn man viel sitzt“, sei für einen Rollstuhlfahrer inspirierend. Im Fitnessstudio wird Caglar gleich aufs Laufband geschickt, der Trainer reicht ungelenk einen Schrittzähler. Spätestens als der ihm eine schwere Hantel auf die Schenkel legt und fragt, ob dies wehtue, ist es genug mit der Fitness.
So gehen zwei Stunden mit Tan Caglar vorüber wie im Fluge. Ein unglaublich witziger, lockerer Typ ist hier im Innenhof aufgetreten, nein, aufgerollt natürlich und hat sein Publikum mit gnadenlos sitzenden Pointen überrollt. Zum Schluss gibt es Standing Ovations für den sitzenden Tan Caglar, der seine Fans anschließend an den Stehtisch zur Autogrammstunde bittet. Selbstironie ist großartig.
Weiteres Programm
Am Donnerstag, 29. August, bietet das Züricher Frauen-Duo Steiner & Madlana im Innenhof der Scheuer Indie-Folk-Pop mit Schwung. Am Freitag, 30. August, zollt die Band Heroes der Pop-Legende David Bowie ihren musikalischen Tribut. Los geht es immer um 20 Uhr. Der Eintritt beträgt 18 Euro, ermäßigt zwölf.