In Villingen-Schwenningen wurde am Wochenende ein Stück Stadtgeschichte geschrieben. Denn der zweite Band der anlässlich der Feier zur Ersterwähnung von Villingen-Schwenningen und Tannheim in Auftrag gegebene Stadtgeschichte wurde in feierlichem Rahmen offiziell vorgestellt. „Das Buch ist ein Meilenstein“, sagte Stadtarchivar und Mitautor Heinrich Maulhardt über das Werk, in das die Stadt rund 200 000 Euro investiert hat.
Diese Stadtgeschichte trage vielleicht dazu bei, dass die Identität der Gesamtstadt gefördert wird, drückte Oberbürgermeister Rupert Kubon seine Hoffnung aus. Bisher habe es keine historischen Überblickswerke über die Geschichte Villingen-Schwenningens gegeben. „Da steht eine ganze Menge drin.“ Er hoffe zudem, dass der erste Band der Stadtchronik bis zur Jubiläumsfeier im Jahr 2022, mit dem die Stadt den 50. Jahrestag des Zusammenschlusses von Villingen und Schwenningen begehen wird, fertig wird.

Der Historiker Casimir Bumiller betonte die besondere Bedeutung, die das Werk für die Identität der Gesamtstadt habe. Denn während der Entstehung des Buches habe sich schnell herausgestellt, dass die vorgesehene getrennte Sichtweise auf die beiden Stadtbezirke, nicht durchzuhalten sei. Es habe vergleichbare Entwicklungen und Herausforderungen gegeben, sodass sich eine Verzahnung aufgedrängt habe. „Was hier vorliegt, sind nicht zwei Stadtgeschichten, sondern eine Stadtgeschichte„, sagte der Historiker. „Es gebe keine vergleichbare Stadtgeschichte, weil es eine weitere Fusion in dieser Größe nicht gegeben habe. Dass zuerst der zweite Band erscheint, liege daran, welcher Zeitraum damit abgedeckt wird. „Wir hatten eine intensive Diskussion um die Situation während dem Nationalsozialismus in unserer Stadt“, sagte Oberbürgermeister Kubon. Dass dieses Thema durchaus noch aktuell ist, zeigt sich beispielsweise in den regelmäßig stattfindenden Diskussionen um die sogenannten Stolpersteine, mit denen an die Opfer des Nationalsozialismus in gedacht werden sollen, die aber von einer Mehrheit im Gemeinderat abgelehnt wurden.

Der Historiker Robert Neisen, aus dessen Feder das Kapitel über die Zeit des Nationalsozialismus in Villingen und Schwenningen stammt, plädierte für einen offenen Umgang mit der Geschichte. „Man kann und muss die Erinnerung an das nationalsozialistische Erbe der Doppelstadt beginnen“, sagte er. Auch wenn es manchmal schwer falle, weil die eigene Familie, Bekannte oder Nachbarn betroffen sind. „Das sind wir den Opfern und ihren Nachkommen schuldig.“ Es habe nicht nur die Parteimitglieder und Mitläufer gegeben, sondern auch viele, beispielsweise Sozialdemokraten und Kommunisten, die gegen den Nationalsozialismus angekämpft haben. „Auch sie waren Villinger, auch sie waren Schwenninger.“
Denn mit dieser Stadtgeschichte sei die Aufarbeitung noch lange nicht zu Ende. Themen, wie die Verfolgung von Homosexuellen oder vom Regime als Asoziale eingestufte, habe er nur am Rande thematisieren können. Die Aufarbeitung der Vergangenheit habe dabei nichts mit Selbstkasteiung oder Opferrolle zu tun, sagte der Historiker. „Man kann deutscher Patriot sein und sich der nationalsozialistischen Vergangenheit stellen.“

Das Buch
Das Werk „Die Geschichte der Stadt Villingen-Schwenningen – Band II: Der Weg in die Moderne“ ist ab sofort in den Bürgerservicecentren, Münsterplatz 7 in Villingen und Marktplatz 1 in Schwenningen, sowie im Buchhandel für den Preis von 34,50 Euro erhältlich. (tol)