Herr Klinge, das Jahr 2018 ist nun fast vorbei. Zeit, Bilanz zu ziehen: War es Ihrer Meinung nach, in politischer Hinsicht, ein gutes Jahr?

Politisch gesehen würde ich sagen: Nein. Ich wünsche mir, dass die Groko bei Themen wie Digitalisierung, Bildung, Wirtschaft und Mittelstand einfach mal zwei Gänge hochschaltet. Die waren in diesem Jahr groß im Streiten, aber nicht im Regieren.

Apropos Digitalisierung – hinken wir da nicht, gerade im ländlichen Raum, gewaltig hinterher?

Ja, absolut. Ich war kürzlich auf einer Dienstreise in Namibia und hatte im Busch ein stabiles LTE-Netz. Wenn man dagegen von Villingen nach Schwenningen fährt, bricht am Klinikum die Verbindung ab. Beim Thema Digitalisierung sind wir fast schon ein Entwicklungsland, da müssen wir ambitionierter werden.

Bei dem Thema ist es also fünf vor zwölf?

Eher fünf nach zwölf. Fakt ist: Die Digitalisierung verändert alles und wir sind schon mittendrin. Deswegen müssen wir sie jetzt als Chance begreifen und endlich anpacken. Gerade die Schulen sind, was die technische Ausstattung angeht, auf dem Stand der 80er-Jahre. Es kann doch nicht sein, dass das Digitalste an unseren Schulen der Pausenhof ist, wenn die Kinder ihre Handys rausholen.

Wie sehr nagt es dann an Ihnen, dass sich die Umsetzung des Digitalpakts Schule jetzt noch weiter verzögert?

Das hat mich sehr enttäuscht. Der Bund will fünf Milliarden Euro in die Hand nehmen, um die Digitalisierung an Schulen zu fördern und dann grätschen die Länder dazwischen. Als Kommunalpolitiker kenne ich ja auch die Situation an den Schulen im Schwarzwald-Baar-Kreis. Die brauchen die Förderung dringend und es wäre fatal, wenn wir die Chance jetzt nicht wahrnehmen.

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In anderen Bereichen läuft es dagegen deutlich besser – was den Tourismus angeht, ist der Landkreis doch ziemlich gut aufgestellt oder?

Ich bin in meiner Fraktion ja zuständig für Tourismus und habe in dem Bereich viel mit kleinen und mittleren Betrieben zu tun. Da sind ganz tolle Leute am Werk, die sehr viel leisten. Unsere Aufgabe ist es jetzt, dass wir denen das Leben ein bisschen erleichtern.

Gibt es schon konkrete Pläne?

Ja, wir haben im Bundestag beantragt, die Arbeitszeiten in der Woche zu flexibilisieren. Momentan darf man acht Stunden am Tag arbeiten. Das heißt, nach einem Arbeitstag im Büro abends noch zu kellnern wäre nicht möglich. Deshalb wollen wir eine Arbeitszeit von 48 Stunden, die man sich frei einteilen kann. Außerdem muss zusammen mit den Mindestlöhnen auch die Lohngrenze für Minijobs ansteigen – auch das würden wir gerne umsetzen. Und natürlich müssen wir endlich den Bürokratieabbau vorantreiben. 13 Stunden pro Woche sind unsere Wirte beispielsweise nur mit Papierkram beschäftigt. Diese Zeit fehlt für ihre wichtigste Aufgabe: ihre Kunden zufriedenzustellen.

Im Mai stehen die Kommunalwahlen an. Was sind die großen Themen der FDP im Schwarzwald-Baar-Kreis?

Die Elektrifizierung der Bahnstrecke von Villingen nach Rottweil ist wichtig. Bei der Höllentalbahn läuft der Bau ja schon, das heißt man kann von Freiburg nach Villingen fahren, ohne umzusteigen. Wenn es dann noch weiter bis nach Rottweil ginge, wäre das toll. Als fünf-Jahres-Plan fände ich es auch gut, wenn man vielleicht sogar eine Strecke von Freiburg über Villingen bis nach Stuttgart hinbekommt. Damit würde man den Tourismus im Schwarzwald sogar an den Flughafen in Stuttgart anbinden.

Gibt es noch weitere Schwerpunkte?

Ja, ich möchte kurzfristig mit der Bahn ausloten, ob es nicht möglich wäre, den Schwarzwald zu einem Testgebiet für WLAN in Regionalzügen zu machen. Wir müssen im Bereich Technologie einfach mehr machen und da wären solche Pilotprojekte ein guter Schritt.

Bei der Kommunalwahl darf schon ab 16 Jahren gewählt werden. Wie will die FDP die jungen Wähler überzeugen?

Ich bin aktuell zwar noch der jüngste Gemeinderat in Villingen-Schwenningen, aber so ganz taufrisch bin ich auch nicht mehr (lacht). Wir brauchen einfach mehr junge Leute in den Parlamenten, weil sie die Zukunft unserer Gesellschaft sind und aktuell nicht die Lobby haben, die sie verdienen.

Und auf welchen Wegen versuchen Sie, die jungen Leute für Politik zu begeistern?

Ich mache zum Beispiel eine Reihe von Schulbesuchen. Dabei muss man natürlich mit den Schülern über Themen sprechen, die sie interessieren. Auch im Kommunalwahlkampf wollen wir die Jugendlichen abholen, das ist ja klar. Im nächsten Jahr wollen wir zum Beispiel mal eine Aktion starten, bei der wir mit den jungen Leuten Mario Kart spielen und dabei ungezwungen über politische Themen sprechen. Und in sozialen Netzwerken präsent zu sein, hilft natürlich auch.

Hand aufs Herz: Sehen Sie sich im Berliner Politzirkus manchmal zurück in den beschaulichen Schwarzwald?

Ich bin ja zum Glück viel im Wahlkreis unterwegs und muss sagen, dass ich auch wirklich immer froh bin, wenn ich wieder im Schwarzwald bin. In Berlin wünsche ich mir manchmal, dass wir nicht so viel quatschen und mehr Ergebnisse liefern würden.

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Sie haben einmal gesagt, dass Sie auch als Bundestagsabgeordneter nicht die Bodenhaftung verlieren möchten – wie ist Ihnen das bisher geglückt?

Ich finde, die Bodenhaftung ist wichtig, um ein Gespür dafür zu haben, was die Bürgerinnen und Bürger wirklich beschäftigt, wo sie von uns Politikern ganz konkret Lösungen erwarten. So ein kommunales Mandat hilft dabei sehr. Und natürlich gibt es auch einige Leute in meinem Umfeld, die mich wieder erden.

Und jetzt gönnen Sie sich zu Weihnachten erst einmal ein bisschen Urlaub?

Sie werden lachen – wir fahren mit der Familie nach Berlin.

Also können Sie von der Hauptstadt doch nicht genug bekommen?

Ich habe sonst vor lauter Terminen kaum Zeit, mir die Stadt anzuschauen. Wir kaufen uns innerhalb der Familie auch nichts anderes zu Weihnachten. Wir schenken uns sozusagen gegenseitig eine schöne Zeit – eigentlich das beste Geschenk überhaupt.

Und welche guten Vorsätze haben Sie für das Jahr 2019?

Es war ein sehr intensives Jahr für mich und meine gesamte Fraktion. Das nächste Jahr wird hoffentlich etwas ruhiger. Ich möchte einen guten Job in Berlin machen und natürlich soll es auch bei den Kommunalwahlen gut laufen. Außerdem habe ich mir vorgenommen, mehr Zeit mit Familie und Freunden zu verbringen, das ist der wichtigste Vorsatz von allen.