Er plaudert erst einmal ganz entspannt mit den Zuhörern im Ratssaal – bevor er beginnt, von Wladimir Putin zu erzählen. Udo Lielischkies ist Journalist und langjähriger Russland-Korrespodent der ARD und er hat das Buch „Im Schatten des Kreml“ geschrieben. Er kennt sich also aus mit Putin. „Er ist nur ein Jahr älter als ich“, lässt er das Publikum wissen. „Geboren 1952 in Leningrad, wuchs Putin in ärmlichen Verhältnissen auf und da er von eher schmächtiger Statur war, begann er schon sehr früh, Kampfsportarten auszuüben. Ebenso früh wusste er, dass er Spion werden wollte. Mit nur 23 Jahren war er bereits KGB-Agent“, berichtet Lielischkies, der auf Einladung der Friedrich-Naumann-Stiftung von VHS und Kriminalprävention der Stadt nach Singen gelotst wurde. Die Fähigkeiten, die er während der Ausbildung erwarb, sollten ihm stets nützlich sein. Der Journalist betont, dass Putin immer extrem gut vorbereitet ist. Er kennt Details, kann Menschen lesen und versteht es hervorragend, sie für sich einzunehmen. Nach seiner Ausbildung beim KGB war Putin fünf Jahre lang in Dresden, wo er mit der Stasi zusammenarbeitete. „Der Zerfall der DDR und der Sowjetunion waren für ihn etwas, das er sich nie hätte vorstellen können“, berichtet Lielischkies. Zurückbeordert nach Moskau wurde Putin unter Jelzins Regime zuerst Chef des Inlandsgeheimdienstes FSB, später dann Ministerpräsident. 1999 schickte die ARD Udo Lielischkies als Berichterstatter nach Moskau, im selben Jahr wurde Putin Präsident, nachdem Jelzin aufgrund seiner Machenschaften und seiner Alkoholabhängigkeit dem Volk nicht mehr vermittelbar war. „Ich konnte kaum russisch, als ich in diesem Land ankam“, erinnert sich Lielischkies. „Morgens paukte ich mit meinem Lehrer Grammatik und am Nachmittag zeigten mir drei Studentinnen die Stadt und animierten mich zum Sprechen“, ergänzt er schmunzelnd.

Die Bemühungen waren erfolgreich, denn eine der drei jungen Damen, Katia, ist heute seine Ehefrau. Man merkt ihm die Liebe zu diesem Land an, wenn er davon spricht, wie freundlich er von Katias Familie aufgenommen wurde, von den Wochenenden auf der Familien-Datscha, wo er sich mit der Mentalität der Russen und ihren Gebräuchen vertraut machen konnte. „Man darf niemals mit dem Essen beginnen, ohne vorher einen Toast auszubringen. Im Kreise von Katias Familie habe ich meinen ersten Toast in russischer Sprache ausgebracht und er war anscheinend ziemlich gut“, amüsiert er sich.

Zwischen den Passagen, die er vorliest, zeigt er dem Publikum kurze Filme zur Untermalung seiner Ausführungen. Einige Aufnahmen verdeutlichen die Gräuel des Zweiten Tschetschenienkriegs. „Die Anschläge in Moskau, die diesen Krieg auslösten, wurden tschetschenischen Terroristen zugeschoben, tatsächlich aber waren sie das Werk des FSB“, informiert Lielischkies die Zuhörer. „Damit wollte Putin sich als starker Mann profilieren, wollte beweisen, dass er als Präsident der richtige war“. fügt er an. „Und jetzt, im Krieg gegen die Ukraine, ist er wieder nach dem altbewährten Muster vorgegangen. Wieder einmal ist der Westen das Feindbild und leider glauben ihm auch viele Russen, da das Volk nur gefilterte Informationen bekommt“, bedauert er. Auf die Fragen der Zuhörer weiß Lielischkies auch nicht immer eine Antwort. „Ich bräuchte, genauso wie sie, eine Glaskugel, um sagen zu können, wie oder wann dieser Krieg zu Ende geht.“ Nach zweieinhalb Stunden freuten sich viele Gäste, dass sie ein signiertes Buch mit nach Hause nehmen konnten.