Matthias Zimmermann ist in diesen Tagen viel unterwegs. Der katholische Priester reist von Seelsorgeeinheit zu Seelsorgeeinheit, um über die Zukunft der Kirche zu sprechen. Es geht um den großen Umbau im Erzbistum Freiburg bis 2030. Doch warum spricht er ausgerechnet jetzt darüber? Zehn Jahre vor der Reform? Welche Relevanz hat das Thema unmittelbar vor den Pfarrgemeinderatswahlen am Sonntag, 22. März?

Zwölf Gemeinden zu einer Seelsorgeeinheit zusammengeschlossen

Matthias Zimmerman ist ganz auf die Zukunft ausgerichtet. Als Dekan ist er im Erzbistum Freiburg für den Bereich Hegau zuständig. Zehn Pfarreien gehören zu seinem Verantwortungsbereich. Wobei der klassische Begriff von Pfarrei schon längst überholt ist. Als Pfarrei bezeichnet Zimmermann eine Seelsorgeeinheit, die wiederum aus zahlreichen Gemeinden besteht. Im Oberen Hegau, dessen Seelsorgeeinheit ebenfalls in Zimmermanns direkte Zuständigkeit fällt, sind zum Beispiel zwölf Kirchengemeinden von Engen und den Ortsteilen zu einer Seelsorgeeinheit zusammengeschlossen. 8709 Katholiken haben hier ihre Heimat. Die Seelsorgeeinheit Singen unter der Leitung von Jörg Lichtenberg besteht zwar nur aus fünf Gemeinden, vertritt aber mit 15 132 Mitgliedern die größte Anzahl von Katholiken im Dekanat.

65.000 Katholiken sind gefragt. Nur zehn Prozent beteiligen sich aktiv

Insgesamt sind es rund 65 000 Katholiken, die der Dekan für die Zukunft begeistern will. Matthias Zimmermann ist Realist genug, um zu wissen, dass er nur einen Bruchteil dieser Menschen mit seinen Vorträgen erreichen wird. Etwa zehn Prozent der Katholiken beteiligten sich aktiv am kirchlichen Leben, weiß er. „Gesellschaftlich hat die Kirche an Bedeutung verloren“, räumt er ein. Die Zahl der Mitglieder nehme weiter ab. Liegt das an den Missbrauchsskandalen, die in den vergangenen Jahren nach und nach ans Licht kamen? „Wir leiden alle unter diesen Verbrechen„, sagt Zimmermann. „Umso wichtiger ist es, dass wir hier vor Ort Gemeinde erleben, zusammen feiern und miteinander um Wege und Lösungen ringen.“

20 Kandidaten bewerben sich um 18 Sitze

Genau das ist die Aufgabe der Pfarrgemeinderäte, die jetzt wieder neu gewählt werden. Die Vorbereitungen für die Wahl am 22. März laufen bereits seit Herbst 2019. Grundlage ist die Satzung des Freiburger Erzbistums. Zeitgleich wählt auch das Bistum Rottenburg-Stuttgart. Jede Seelsorgeeinheit entscheidet aber selbst, wie viele Wahlbezirke sie einrichten möchte. Im Oberen Hegau hat man sich zum Beispiel für nur einen Wahlbezirk entschieden. Es gibt eine Liste mit 20 Kandidaten. 18 Sitze werden im Gemeinderat der Seelsorgeeinheit vergeben.

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Viele langjährige Räte stehen nicht mehr zur Wahl

Viele langjährige Räte stellten sich nicht mehr zur Wahl, weil sie die Verantwortung an Jüngere übergeben wollen. „Es gab lange Diskussionen, ob wir genug Kandidaten finden“, erinnert sich Zimmermann. „Aber das war schließlich kein Problem. Wir haben eine gute Kandidatenmischung von 20- bis 60-Jährigen, die sich aktiv in die Gemeinde einbringen wollen.“ Er habe niemanden zur Kandidatur aufgefordert.

Alle Kandidaten wurden entweder vorgeschlagen oder haben sich selber zur Verfügung gestellt. Diese Feststellung ist dem Dekan besonders wichtig, weil er den Räten auf Augenhöhe begegnen will. Sie sollen Vorschläge für ein lebendiges Gemeindeleben einbringen, müssen über Investitionen entscheiden und die Zukunft gestalten.

Katholiken im Dekanat haben diese Wahlaufforderung erhalten.
Katholiken im Dekanat haben diese Wahlaufforderung erhalten. | Bild: Biehler, Matthias

Künftig soll es einen Geschäftsführer pro Seelsorgeeinheit geben

Die Gremien, die am 22. März für fünf Jahre gewählt werden, werde es in dieser Formation zum letzten Mal geben, weil sich das Bistum bis 2030 eine völlig neue Struktur geben will. Die Pfarreigrenzen werden aufgelöst, doch die Kirche bleibt mit ihrer Seelsorge im Ort. Nach der Reform soll zum Beispiel das Dekanat Hegau nur noch einen Gesamtgemeinderat haben. Die Seelsorgeeinheiten, so der Plan, sollen mit je einem Pfarrer und einem hauptberuflichen Geschäftsführer ausgestattet werden. Während der Priester für die Seelsorge zuständig sein wird, soll der Geschäftsführer für die bürokratischen Aufgaben verantwortlich sein. An der Basis sollen Gemeindeteams tätig sein, die vom Pfarrgemeinderat beauftragt werden.

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Diesen Gedanken versucht Matthias Zimmermann in seiner Seelsorgeeinheit und im Dekanat jetzt schon aktiv mit Leben zu füllen. „Ermöglichende Leitung“ nennt er sein Modell, bei dem er seine Gemeindemitglieder als Ideengeber zur kreativen Mitarbeit ermuntert. „Kirche ist nicht hierarchisch gemeint, sondern setzt auf Mitbestimmung und Vielfalt“, sagt er. „Da hat der Rosenkranz genauso seine Berechtigung wie das Taizé-Gebet, die Hubertus-Messe ebenso wie der Jazz-Gottesdienst. Neue Formen von Gemeinschaft sollen entstehen. Nicht zuletzt sollen die Menschen in der katholischen Kirche wieder ihre Heimat finden.“

Pfarrgemeinderat spricht auch mit, wenn‘s ums Geld geht

Neben den inhaltlichen Fragen hat der Pfarrgemeinderat auch über finanzielle Themen zu entscheiden. Wieder am Beispiel der Seelsorgeeinheit Oberer Hegau zeigt sich das ganz deutlich: In zwölf Gemeinden gibt es 14 Kirchen. Dazu kommen Kapellen, Gemeindehäuser und zwei große Kindergärten mit Beschäftigten. Das muss alles unterhalten und finanziert werden.

Etwa 900 Beschäftigte arbeiten in den Pfarreien des Dekanats Hegau. Weitere 457 sind bei der Caritas angestellt. Als Vorsitzender des Caritas-Verbandes Singen-Hegau weiß Matthias Zimmermann nur zu gut über die Verantwortung Bescheid. So ist er dankbar für jede Form der Mitwirkung.

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