Sandra Bossenmaier

Die Kirche habe ein saumäßig gutes Produkt, erklärte Erzbischof Stephan Burger bei einem Zusammentreffen mit rund 100 Führungskräften aus der Wirtschaft sowie Betriebs- und Personalräten im Katholischen Bildungszentrum Singen.

Aber mittlerweile würden nicht mehr viele dieses gute Produkt, das Evangelium, haben wollen. Die Gesellschaft sei nicht mehr so christlich wie früher, erläuterte der Erzbischof. Der Kirche würde es nicht mehr gelingen, an viele Menschen heranzukommen, um das Evangelium weitergeben zu können.

„Kirchenentwicklung 2030“ bringt Veränderungen

Deshalb müsse sich die Kirche einem Veränderungsprozess unterziehen. Mit den Anwesenden wolle er in den Dialog kommen, um von ihnen zu lernen. Denn auch Wirtschaftsunternehmen müssten sich in Krisenzeiten umstrukturieren, um bestenfalls einen Gewinn daraus zu erzielen.

Mit dem Projekt „Kirchenentwicklung 2030“, das die Projekte „Verwaltung 2030 und „Pastoral 2030“ beinhaltet, stehen der Kirche in der Erzdiözese Freiburg große Veränderungen bevor. Dabei geht es um eine Neuorganisation der Verwaltungsabläufe und um eine grundlegende Neuausrichtung der Strukturen in den Gemeinden.

Kirche stellt sich dem Wandel

Damit stellt sich die katholische Kirche dem gesellschaftlichen Wandel, der die Kirche vor große Probleme stellt. Die Zahl der Gläubigen nimmt ab, damit auch die Einnahmen durch die Kirchensteuern, die Kirche gilt nicht unbedingt als attraktiver Arbeitgeber und es wird immer schwieriger, Priester und pastorale Mitarbeiter zu finden. Die traditionelle Bindung an Kirche und Glauben und damit deren Einfluss auf die Gesellschaft schwindet.

Im Zuge der „Kirchenentwicklung 2030“ soll beispielsweise die Zahl der Seelsorgeeinheiten und Pfarreien von zurzeit 224 auf etwa 40 reduziert werden, die jeweils wie im Kirchenrecht verankert von einem Pfarrer geleitet werden. Ihm zur Seite soll ein Geschäftsführer für organisatorische Leitungsaufgaben stehen. In den einzelnen Kirchengemeinden auf dem Gebiet einer solchen Großpfarrei sollen Haupt- und Ehrenamtliche – Frauen ebenso wie Männer – Verantwortung erhalten und übernehmen.

Neue Ideen und Projekte für die Zukunft

Dass diese Pläne nicht überall auf Gegenliebe, sondern auch auf Skepsis stoßen, weiß auch Erzbischof Stephan Burger. Für den Weg in die Zukunft bräuchte es jetzt neue Ideen und Projekte. Er bestätigte, dass für manch einen die Wege zu einem Gottesdienst länger werden könnten.

Auch sei im Moment noch unklar, was mit den vielen Kirchengebäuden geschehen werde. Aus Fehlern, die man womöglich machen wird, müsse man dann lernen, so der Erzbischof.

Ziel ist lebendige Kirche mit aktiven Gläubigen

Dekan Matthias Zimmermann blickt hoffnungsvoll und optimistisch in die Zukunft der Kirche, wie er am Rand der Veranstaltung erklärte. Die bisherige Kirche mit Pfarrern in den einzelnen Kirchengemeinden sei schön gewesen, könne jedoch in der bekannten Form nicht mehr weiter bestehen. Er freue sich auf eine lebendige Kirche mit aktiven Gläubigen vor Ort, die sich einbringen und Verantwortung übernehmen würden.

Mit Blick auf das Jahr 2030 würde sich dann beweisen müssen, ob sich der Wandel der Kirche von hierarchisch zu leitend, flexibel und selbstbestimmend vollzogen hätte, so Erzbischof Burger am Ende seines Impulsreferates. Dann würde sich zeigen, ob Gläubige vor Ort bereit wären, Verantwortung zu übernehmen und die gegebenen Freiräume nutzen würden.

Verlust könnte noch größer werden

Sorgen über diese Pläne macht sich Wolfgang Bandel, Vorsitzender des Kolping Diözesanverbandes Freiburg und stellvertretender Betriebsratsvorsitzender der Constellium Singen. Wenn die katholische Kirche in den Kirchengemeinden vor Ort persönlich nicht mehr ausreichend greifbar und zu spüren sei, könnte der Verlust für die Kirche noch größer werden.

Die Kirche habe, so Thomas Conrady, Unternehmer und Präsident der Industrie- und Handelskammer Hochrhein-Bodensee, einen Vorteil gegenüber der freien Wirtschaft: Sie habe mit dem Evangelium nur ein Produkt, welches nicht neu geschrieben werden müsse. Auf dem freien Markt müsse man immer wieder die Chance nutzen, neue Produkte an bestehende Strukturen zu adaptieren. Außerdem müsse man sich stets auf veränderte Bedingungen und Konkurrenten einstellen.

Parallele zu Zeitungslesern

„Was Ihre Gläubigen sind, sind unsere Abonnenten“, zog Birgit Orlowski, Vorsitzende des Gesamtbetriebsrates des SÜDKURIER eine Parallele. Noch vor zwei Jahrzehnten hätte die Tageszeitung selbstverständlich zum täglichen Frühstück gehört.

Heute würden viele auf das Papierrascheln der Tageszeitung verzichten. Das Internet habe vieles verändert, und nun gelte es, die Herausforderung zu meistern, sich auf das veränderte Leseverhalten einzustellen.

Das könnte Sie auch interessieren

Am Ende der Zusammenkunft nahm der Nachmittag doch noch spirituelle Züge an. Nach einem Gebet, in dem Erzbischof Stephan Burger darum bat, die Zeichen der Zeit zu erkennen und den richtigen Weg der pastoralen Erneuerung zu gehen, segnete er die Versammelten.

Frage nach Frauen im Priesteramt

Im Gespräch zwischen dem Erzbischof und den Wirtschaftsvertretern kam auch die Frage auf, warum Frauen nicht zu Priestern geweiht werden würden. Stephan Burger machte deutlich, dass er sich zu diesem Thema nicht persönlich positionieren möchte. Zu ihm kämen die Befürworter wie auch die Gegner dieses strittigen Themas.

Er würde sich als einen Erzbischof für alle verstehen und könne die Positionen der Für- und Widersprecher verstehen. Ganz unabhängig davon liegen die Änderungen der Zulassungsbedingungen nicht in der Macht eines Erzbischofs.