Hans-Peter Storz lässt die Genossen im Karree laufen. Der stellvertretende Vorsitzende des Singener SPD-Ortsvereins hat ein Vier-Ecken-Spiel vorbereitet und zwecks Übung müssen die rund 40 Mitglieder erst einmal vier Herkunftsfraktionen bilden. Singen stellt klar die Mehrheit, Tengen ist noch ganz gut vertreten, ein paar Leute sind aus Steißlingen/Stockach gekommen – nur die Ecke Tengen bleibt leer.
Danach wird's politisch. Die Basis soll über die Gewichtung bei den aktuellen Hauptthemen der Bundespolitik entscheiden. Zum Beispiel in der Flüchtlingsfrage. In der Ecke, die für die Forderung nach mehr Integration steht, findet sich das Gros der Genossen wieder, weit weniger plädieren für die verstärkte Abschiebung und nur eine Handvoll entscheidet sich für die Ecke, in der die derzeitige Flüchtlingspolitik als insgesamt gut bewertet wird. In diesem Fall allerdings bleibt es beim Dreieck: Keiner der Genossen vertritt die Position einer Abschottungs- und rigorosen Sicherheitspolitik.
Bei dem Spiel fällt die unterschiedliche Beweglichkeit der Teilnehmer auf. Das Gehen fällt einigen Mitspielern schwer, die Zahl der unter 50-Jährigen ist überschaubar. Offensichtlich hat der Schulz-Zug keinen Zwischenstopp in Singen eingelegt, denn bei der Nachfrage nach der Entwicklung der Mitgliederzahlen wird abgewunken. Klar, ein paar Eintritte seien registriert worden, aber das reicht gerade einmal, um den Stand bei etwa 100 Genossen zu halten.
Zu den Jüngeren zählt Tobias Volz, der ein weiteres Mal für die SPD als Spitzenkandidat in den Bundestagswahlkampf zieht. Der 48-jährige Pflegedienstleiter rechnet sich keine Chancen aus, denn erstens steht er weit hinten auf der Landesliste und auf ein Direktmandat wagt er angesichts der Sympathiewerte seines CDU-Mitbewerbers Andreas Jung nicht zu hoffen.
Dennoch brennt er für die Aufgabe. Vieles laufe gut in Deutschland, zum Beispiel gebe es Vollbeschäftigung und die SPD könne sich die Durchsetzung des Mindestlohnes auf die Fahnen schreiben – aber ist Deutschland allein damit gerecht aufgestellt? Beim Blick nach vorne sieht er hohen Regulierungsbedarf, weil die Ausbreitung des Niedriglohnsektors Folgen für die Rente mit sich bringe – und was eigentlich passiere angesichts der Digitalisierung mit gering qualifizierten Menschen?
Während der Rede des Tobias Volz darf gesessen werden, dann geht's im Saal der Naturfreunde in der Hadwigstraße wieder auf Tour. In Gruppen werden Anregungen für die Themen Europa, Wohnen, Gesundheit und Gerechtigkeit gesammelt. Dabei ergeht es der Basis nicht selten so wie den Berufspolitikern: Der Teufel liegt im Detail und es wird ganz ähnlich wie in der großen Politik reagiert. Die einen sind überzeugt, dass es in einer komplizierten Welt keine einfachen Lösungen gibt, die anderen stellen schon ganz auf Wahlkampfmodus um. Man solle einfach Gerechtigkeit fordern, weltoffen bleiben, sich für bezahlbaren Wohnraum einsetzen und beim Thema Gesundheit sieht manch einer das Heil in einem Parlaments-Hausverbot für Pharmalobbyisten.
Immerhin, mit einigen konkreten Vorschlägen dürfte die SPD-Basis in Singen und dem Hegau die Menschen erreichen. Da ist zum Beispiel die Idee einer Bürgerversicherung im Gesundheitswesen, die sich – wie früher – aus gleichen Anteilen von Arbeitnehmern und Arbeitgebern finanziert oder die Nutzung des Solidaritätszuschlags zugunsten des sozialen Wohnungsbaus. Einigkeit herrscht bei den Genossen bei der Vorgehensweise. "Wir werden die Wahl", so das Resümee von Tobias Volz, "nicht hinter verschlossenen Türen gewinnen."
Über die Serie
Die Bundestagswahl am 24. September ist der aktuelle Anlass für die neue SÜDKURIER-Serie, bei der in loser Folge Zusammenhänge zwischen der Bundespolitik und der Lebenswirklichkeit im Hegau dargestellt werden. Den Auftakt bildete vor einer Woche ein Bericht über Franz Fabian, der als Leiter des Fahrdynamischen Zentrums Steißlingen gesetzliche Regulierungen für ein Fahr-Coaching fordert. Im heutigen Beitrag geht es um die Erwartungen der SPD-Basis an die Bundespolitik. (tol)