Eine Situation wie die aktuelle hat der Revierförster Gerhard Heizmann in seiner 33-jährigen Berufszeit in Radolfzell noch nicht erlebt. Der Revierförster, der seit 1989 für den kommunalen Wald zuständig ist, muss derzeit eine bittere Bilanz ziehen. Denn dem Wald in und um Radolfzell geht es nicht gut. Nach seiner Einschätzung „gibt es praktisch keine Baumart mehr, die keine Probleme hat“, stellte Gerhard Heizmann jetzt auf dem jährlich stattfindenden Waldrundgang mit Bürgern und Vertretern der Stadt fest.

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Auf der rund dreistündigen Tour im Altbohlwald zeigten Heizmann und sein Kollege Simon Güntert vom Forstamt des Landkreises Konstanz den Teilnehmern, welche Schäden an den Bäumen zu beobachten sind und welche Maßnahmen die Förster derzeit ergreifen, um diesen zu begegnen.

„Wir können nur noch Schadensbegrenzung betreiben“

Die Stadt Radolfzell ist mit einer Fläche von 1400 Hektar Wald der größte kommunale Besitzer innerhalb des Landkreises Konstanz. Damit stellt die Kommune rund die Hälfte der gesamten Waldfläche, die sich auf der Radolfzeller Gemarkung befindet. Die andere Hälfte teilt sich in gleich große Anteile von Staatswald und Privatwald auf.

Simon Güntert vom Forstamt des Landkreises Konstanz zeigt den Teilnehmern eine Falle mit Borkenkäfern, die die Förster aufstellen, um ...
Simon Güntert vom Forstamt des Landkreises Konstanz zeigt den Teilnehmern eine Falle mit Borkenkäfern, die die Förster aufstellen, um die Anzahl der Tiere im Wald einschätzen zu können. | Bild: Jarausch, Gerald

Selbst wenn sich die Fläche nicht verändert, wächst der Wald permanent weiter, wie Gerhard Heizmann verdeutlichte. Pro Minute wächst er in einem Volumen, das etwa einem Würfel von 30 Zentimeter Kantenlänge entspricht. Auf ein Jahr hochgerechnet entspricht das 10.000 Festmetern Holz. Das ist auch in etwa die Menge, die Radolfzell normalerweise pro Jahr einschlagen lässt.

Doch davon sind die Förster aktuell leider weit entfernt. Seit dem Jahr 2018 läuft das nämlich nicht mehr planmäßig. Anhaltende Trockenjahre mit in der Folge zunehmenden Schäden an den Bäumen zwingen sie dazu „nur noch Schadensbegrenzung zu betreiben“ wie der Revierförster wissen ließ. Die Forstfachleute seien im Prinzip nur noch damit beschäftigt, das beschädigte Holz möglichst zeitnah aus dem Wald zu schaffen und rasch nachzupflanzen.

Weniger Nadelhölzer, mehr Laubbäume

Das soll zukünftig mit einer größeren Bandbreite an Baumarten stattfinden. Denn zum Beispiel die Fichte, die bisher etwa 30 Prozent der Baumarten ausmacht, tut sich besonders schwer mit dem Klimawandel. Ausgewachsene Exemplare benötigen rund 100 Liter Wasser pro Tag, die sie aber bei anhaltender Trockenheit kaum noch einsammeln können. Das führt zu einer Schwächung des Baumes, was ihn anfällig für Schädlinge wie den Borkenkäfer macht. Die Fichte soll deshalb sukzessive durch andere Baumarten wie die Douglasie ersetzt werden.

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Generell möchte man den Anteil von Nadelhölzern, aus denen der Wald bisher zu 41 Prozent besteht, auf 30 bis 35 Prozent reduzieren, weil Laubbäumen generell etwas bessere Chancen eingeräumt werden. „Wir müssen viele verschiedene Baumarten pflanzen, damit der Wald seinen Namen in Zukunft überhaupt noch verdient“, erklärte Gerhard Heizmann. Die Förster machten aber auch klar, dass sie sich damit in einer Art großem Feldversuch befinden, weil derzeit niemand verlässlich sagen kann, wie sich der Wald in Zeiten des Klimawandels tatsächlich entwickeln wird.

OB Simon Gröger (Bildmitte) war gemeinsam mit den Förstern und 70 Teilnehmern der Waldbegehung im Stadtwald unterwegs
OB Simon Gröger (Bildmitte) war gemeinsam mit den Förstern und 70 Teilnehmern der Waldbegehung im Stadtwald unterwegs | Bild: Jarausch, Gerald

Waldflächen sich selbst überlassen

Immerhin hat man sich im Radolfzeller Gemeinderat darauf verständigt, dass man die regenerativen Kräfte des Waldes stärken will, indem man vermehrt Waldflächen ausweist, die man sich selbst überlässt. Dazu gehören auch Alt- und Totholzgruppen, die über die Wälder verteilt sind und so vielen Lebewesen einen natürlichen Lebensraum bieten. All das soll dazu betragen, den Wald in sich und den Naturschutz stärken, denn die äußeren Einflüsse setzten ihm ohnehin stark genug zu. Dazu gehören natürlich auch die Menschen selbst.

Förster Simon Güntert zeigt den Anschnitt einer Spechthöhle. Mit dem Totholzkonzept will die Stadt Radolfzell den Naturschutz im Wald ...
Förster Simon Güntert zeigt den Anschnitt einer Spechthöhle. Mit dem Totholzkonzept will die Stadt Radolfzell den Naturschutz im Wald stärken. | Bild: Jarausch, Gerald

Beispielhaft führte Gerhard Heizmann die ehemalige Sandgrube in der Nähe des Schützenverein-Parkplatzes an. Die Grube wird seit Jahrzehnten von jungen Menschen als Fahrradparcours genutzt. Erst kürzlich musste die Stadt einschreiten, nachdem die selbst angelegten Schanzen der Jugendlichen zu gefährlich wurden. Die Nutzung wird weiterhin geduldet, aber falls notwendig auch untersagt. Zu groß ist die Gefahr, dass dort jemand zu Schaden kommt und in der Folge die Stadt haftbar gemacht wird.