Es ist ein Zustand, den die Technischen Betriebe Radolfzell (TBR) eigentlich überhaupt nicht gerne haben: Die Wände der Fußgängerunterführung an der Kläranlage, die den Schießhüttenweg mit der Allensbacher Straße verbindet, sind seit Kurzem über und über mit Graffiti bedeckt. Doch im Gegensatz zu den Kritzeleien, denen die Stadtverwaltung Radolfzell den Kampf angesagt hat, handelt es sich hierbei nicht um eine verunstaltende Schmiererei. Sondern um ein echtes Kunstprojekt – eines, das die Stadtverwaltung selbst in Auftrag gegeben hat.
Kinderforum gibt den Anstoß
In Schwarz und Weiß bedecken kleine Monster in den verschiedensten Formen die Wände der Unterführung. Sie sind das Markenzeichen der Güttinger Künstlerin Fatin Rahmouni, die die Verschönerung der Unterführung vorgenommen hat. Sie entwirft zeitgenössische Kunst und Streetart, also Straßenkunst, und hat in der Vergangenheit bereits den Boule-Platz in Tengen und gemeinsam mit der Kunst-AG dem Bücherschrank in Güttingen mitgestaltet.
Dass ihre Kunst nun auch in der Unterführung zu finden ist, ist laut Ferdi Cihan, Leiter der TBR, auf das Kinderforum zurückzuführen, das im März im Milchwerk stattgefunden hatte. Ein Wunsch, der dabei geäußert worden sei, seien kinderfreundliche Unterführungen gewesen. Doch die Stadt habe die Unterführungen nicht nur schöner, sondern auch nachhaltiger gestalten wollen.
TBR kämpft gegen illegale Graffiti
Denn wie die TBR bereits Anfang des Jahres berichtet hatten, sind die Mitarbeiter immer wieder mit der Beseitigung von Schmierereien in den Radolfzeller Unterführungen beschäftigt. Laut Ferdi Cihan sei man bemüht, Kritzeleien in der Bahnhofsunterführung innerhalb weniger Tage zu beseitigen. In den übrigen Unterführungen würden sie zwei bis dreimal pro Jahr überstrichen.

Mit der Kunstaktion bei der Kläranlage solle nach Möglichkeit nun verhindert werden, dass dort künftig weiter Schmierereien angebracht werden. Die Idee dazu sei bei einer Bauhofleitertagung gekommen, erzählt Ferdi Cihan. Dort habe er vor Vertretern anderer Gemeinden das Thema angesprochen. „Und der grundsätzliche Tenor war, dass bei solchen künstlerischen Bildern die Hemmschwelle für Schmierereien relativ hoch ist“, so Cihan. Dem stimmt auch Fatin Rahmouni zu. „Das ist der Codex, dass man nur übersprüht, wenn man es besser kann“, sagt sie.
Kunst entstand spontan vor Ort
Ob der Plan tatsächlich aufgeht, soll nun beobachtet werden. „Das ist ein Pilotprojekt“, erklärt Ferdi Cihan. Ihre Kunst hat Fatin Rahmouni in der letzten Maiwoche angebracht, nachdem sie der Stadt Entwürfe gezeigt hatte. Dennoch habe es kein festes Konzept gegeben, wie genau ihre Kunst in der Unterführung aussehen soll. „Meine Kunst entwickelt sich“, sagt Rahmouni. Sie sei spontan vor Ort entstanden. „Aber natürlich habe ich eine Vorzeichnung gemacht“ – und erst danach mit der Sprühfarbe die Linien nachgezogen.
Dabei habe sie sehr schnell gearbeitet und die komplette Unterführung innerhalb von zwei Tagen mit ihren Monstern versehen. Denn sie habe verhindern wollen, dass noch freie Stellen während ihrer Arbeit mit neuen Schmierereien versehen werden. Dafür habe sie einen Tag sogar von morgens bis abends durchgearbeitet.
Wie geht es jetzt weiter?
„Je nach dem, wie gut die Resonanz ist und wie lange das hält, wollen wir das auch auf andere Unterführungen projizieren“, sagt Ferdi Cihan über das Kunstprojekt – mit Ausnahme der Bahnhofsunterführung. Einen Zeitplan oder Pläne, auf welche Art und Weise die anderen Unterführungen umgestaltet werden könnten, gebe es aber noch nicht. „Wir wollen abwarten“, erklärt er. Kündet aber auch schon an: „Das wird nicht von heute auf morgen geschehen.“
Dass der Bedarf für Verschönerungen aber da ist, darauf weist auch Uwe Negraßus, Leiter des Fachbereichs Tiefbau bei der Stadt, hin, und nennt etwa die Unterführung am Bahnhof in Böhringen. Dieser liege abseits des Orts, deshalb könnten Sprayer sich dort ungestört austoben. Dort gebe es daher oft Schmierereien.