Als Stimmungskiller trat Wolfram Lang, seit 30 Jahren Mitglied von Greenpeace Konstanz, während der Naturschutztage im Milchwerk in Radolfzell auf. Nach dem Vortrag des baden-württembergischen Ministerpräsidenten Winfried Kretschmann zum Thema Biodiversität, wollte er die unbequemen Fragen stellen. Weit kam er damit nicht. "Mit einem Riesen-Truck von Daimler fahren Sie wie eine Galionsfigur durch die Lande..." begann Wolfram Lang eine von von vier angekündigten Fragen. Das Publikum buhte und wurde unruhig, Moderatorin Sylvia Pilarsky-Grosch, Landesgeschäftsführerin des BUND, ermahnte, doch bitte beim Thema Artenvielfalt zu bleiben. Lang strich drei Fragen und begrenzte sich, sichtlich erregt, auf das Thema Glyphosat. "Was setzen Sie einem bayrischen Minister entgegen, der dieses Gift erlaubt?", fragte der Greenpeace-Aktivist.

Glyphosat ist nicht sein Einflussgebiet
Damit sprach Wolfram Lang vielen der rund 300 Besuchern der 42. Radolfzeller Naturschutztage aus der Seele. Schon zuvor hatten junge Teilnehmer der Naturschutztage ein großes Banner nach vorne getragen mit der Aufschrift: "Mr wellet unsre Brezle ohne Glyphosat – Nein zum Killerpestizid auf landeseigenen Flächen." Die Forderung an die Landesregierung war damit klar. Winfried Kretschmann zuckte mit den Schultern. Man überschätze in dem Punkt seine Kompetenz als Ministerpräsident. "Ich bin dafür nicht zuständig", sagte er schlicht. Er könne sich nicht so einfach in Baden-Württemberg über den Bundesentschluss hinwegsetzen. Aus der Bibel könne man für sein Verhalten zwar Handlungsweisen ziehen, antworte Kretschmann auf die Frage nach seinem religiösen Gewissen der Schöpfung gegenüber. "Jesus hat allerdings nichts zum Thema Glyphosat gesagt." Verbindliche Aussagen machte er nicht.

Kretschmann glaubt nicht an die Felchenzucht
Ähnlich ließ Kretschmann eine Diskussion für eine mögliche Felchenmast im Bodensee gar nicht erst aufkommen. BUND und Nabu haben anlässlich der Naturschutztage eine Mitmach-Aktion vor dem Milchwerk vorbereitet, es wurde eine Resolution veröffentlicht, in der die Naturschutzverbände die Pläne einer Felchenzucht strikt ablehnen. Die Sorge ist groß, dass das Bodenseewasser durch die Netzgehege mit Antibiotika, Reinigungsmittel und Pestiziden, Kot und Futtermittel verunreinigt werden könnten. Die Frage nach einer Stellungnahme der Landesregierung zu diesem Thema quittierte Kretschmann erneut mit einem Schulterzucken. "Ich denke nicht, dass sie kommen wird", sagte der Ministerpräsident. Es hätten sich schon jetzt zu viele Widerstände aufgetan. Der Bodensee versorge rund vier Millionen Menschen mit Trinkwasser, "da wird man nicht dran rumexperimentieren", glaubte Kretschmann.

"Schutz der Artenvielfalt ist Menschheitsaufgabe"
Der Fragerunde war ein halbstündiger Vortrag zum Thema Biodiversität in Baden-Württemberg vorausgegangen. Kretschmann betonte, der Schutz der Artenvielfalt sei keine grüne Spielwiese, sondern eine Menschheitsaufgabe. Auch in der Landwirtschaft sei Qualität die Antwort für den Erfolg, ähnlich wie in der Industrie. Nur wenn die Qualität auf den Flächen stimme, könne man die Artenvielfalt erhalten "Kruscht können die anderen machen", sagte er im gewohnten Dialekt und erntete Szenenapplaus. Den Wechsel in den biologischen Anbau sei für Betriebe die beste Zukunftsstrategie. Doch auch der Verbraucher müsse sich umgewöhnen und mehr Geld in "naturnahe" Lebensmittel investieren.
Land stellt 36 Millionen Euro zur Verfügung
Um die Verwendung von Pestiziden in der Landwirtschaft zu verringern, warb der Ministerpräsident für Modernisierung. Die ersten Roboter, die das Unkraut mechanisch entfernen können, seien in Arbeit. Die Landesregierung habe das Sonderprogramm Ökologie mit 36 Millionen Euro zur Verfügung gestellt. Damit sollen für Biotope, Natura 2000-Gebiete, Moore und Streuobstwiesen gefördert werden. Beinhaltet ist auch ein Pestizidreduktionsprogramm. Erarbeitet wurde das Programm von Umwelt- und Agrarministerium zusammen, das sei Kretschmann wichtig gewesen. Aber er zeigte auch die Grenzen auf: "Ohne Gelder aus der EU ist ein Wandel in der Landwirtschaft nicht möglich."

Kein König von Württemberg
Der Frage, ob die Gelder des Sonderprogramms nicht im Nirgendwo versanden, weil sich Agrar- und Umweltministerium in der Umsetzung nicht einig werden könnten, beantwortete Kretschmann, wie so oft an diesem Tag, mit einem Schulterzucken. "Ich bin kein Oberbürgermeister, der in die Ressorts eingreifen kann", sagte er. Er sei auch kein König von Württemberg, der alles kontrollieren könne. Er selbst sehe sich eher als Regierungsmoderator. Man müsse den Ministerien freie Hand lassen.
