Leuchtende Handys über den Köpfen der Besucher. Die Menge singt „Wenn sie tanzt, ist sie woanders“. Max Giesinger trifft den Nerv vieler Leute. Das Milchwerk war ausverkauft. 2000 Fans des deutschen Pop-Musikers standen, sangen und tanzten dicht an dicht im Parkett und auf der Tribüne.
Die aus dem Radio bekannten Liedtexte gehen leicht ins Ohr. Sie lassen Bilder im Kopf entstehen. Sprechen davon, was hätte sein können, hätte man sich anders entschieden. Von Beziehungen, die enden, ohne dass man es wollte, von Zweifeln, Scheitern und Weitermachen. Giesingers Leben verlief in vielen Schleifen. Über Umwege hat er es geschafft, in ausverkauften Hallen zu spielen. Das erzählt er ganz offen.

Zu seinen Musikern sagt er: „Wisst ihr noch vor wie vielen Galeria Kaufhofs wir gespielt haben?“ Einer größeren Öffentlichkeit bekannt wurde der ehemalige Straßenmusiker durch die Casting Show „The Voice of Germany„. Unter den Fittichen von Xavier Naidoo erreichte er den vierten Platz im Finale. Das sorgte allerdings nicht für den sofortigen Durchbruch. Mit Hilfe einer Crowdfunding-Kampagne konnte er sein erstes Album „Laufen lernen“ finanzieren. Mittlerweile ist sein Drittes auf dem Markt.

Verbal ist der 30-jährige salopp unterwegs. Giesinger pflegt Understatement und bleibt bodenständig: „Wie viele von euch waren schon auf einem meiner Konzerte? 35 von 2000, na das kann man noch verbessern“, meint er lachend. Giesinger taucht in die Menge ein, geht auf Tuchfühlung mit seinem Publikum. Vor elf Jahren war er zuletzt am Bodensee beim Campen und jetzt vor dem Konzert mit seinen Jungs beim Bouldern im Kletterwerk. Giesinger gibt sich als einer aus dem Volk. Und vielleicht lässt ihm genau das die Herzen zufliegen.

Doch natürlich ist da auch die Bandbreite seiner Stimme. Einige Lieder wie „Ultraviolett“ kommen rockiger daher. Dann wieder sanfte, gefühlvolle Balladen: „Kannst du mich hören, wenn ich leiser bin?“ Das Publikum träumt. Aber nicht ganz bis zum Ende. Ein fulminantes Schlagzeugsolo beendet romantische Gedanken. Für die Band ist es das erste Hallenkonzert nach mehreren Open-Air-Veranstaltungen in diesem Sommer. „Eine geile Stimmung“, findet der Musiker, „wenn alles drinnen bleibt“.
Er genießt tatsächlich, dass sein Publikum trotz der in den späten Abendstunden zunehmen stickigeren Luft mit voller Begeisterung mitgeht. Die Radolfzeller singen, klatschen und machen Singspiele lautstark und überzeugend mit. Giesinger zeigt auch, dass er nicht nur seine eigenen Lieder kann. Eine Zuschauerin zieht drei Zettel mit Songs aus einem Rucksack und Giesinger rappt „Gangsta‘s Paradise“, schwingt sich zu den Höhen von Roxettes „The Look“ auf und schreckt mit „Sonne“ von Rammstein. Tosender Applaus, das Publikum will kein Ende. Und wird mit vier Zugaben belohnt. Zu „80 Millionen Menschen“ regnet es Papierschlangen und Giesinger holt fünf Kinder auf die Bühne, die aus voller Kehle den Refrain singen. Mit „Du hast gesagt, du bleibst für immer bis die Musik ausgeht“ ist dann tatsächlich Schluss.
Ferdinand Schwartz
Auf einer Reise hat Max Giesinger den Musiker Ferdinand Schwartz kennengelernt. Im Sommer 2017 besuchte Schwartz ein Konzert von „Coldplay“ und hielt ein Schild in die Höhe, in dem er darum bat, „Everglow“ am Klavier spielen zu dürfen. Der Frontman der Band Chris Martin überließ ihm seinen Sitz am Piano und war begeistert. Schwartz spielt Klavier seit er vier Jahre alt ist. In diesem Sommer eröffnete er vier Konzerte von Max Giesinger mit seiner Single „Summer Vibe“. In Radolfzell nahm er einen Live-Track vom Publikum auf. (rei)