Die Freie Grüne Liste will das Wohnraum-Problem in Radolfzell selbst in die Hand nehmen. Wie bereits im März mündlich im Gemeinderat angekündigt, liegt jetzt der offizielle und ausführliche Antrag zur Gründung einer städtischen Wohnungsgesellschaft vor. So schlägt die FGL-Fraktion bereits Ende des Jahres vor, eine solche kommunale Gesellschaft zu gründen, um einen stadteigenen Bestand an sozialgebundenen Mietwohnungen aufzubauen.

Schlechte Erfahrungen

Dieser Antrag ist für die FGL-Fraktion die Konsequenz aus den vergangenen Erfahrungen mit Bauprojekten in der Stadt, wie im Antrag erläutert wird. So hätten private Bauinvestoren bei Neubauten entweder grundsätzlich die sozialgebundene Mietpreisbindung abgelehnt oder, wie es beim Wohnpark St. Meinrad der Fall war, in letzter Minute die vorher getroffene Vereinbarung für langfristig sozial gedämpften Wohnungsbau nicht eingehalten. "Die baulandpolitischen Grundsätze der Stadt Radolfzell haben sich bisher als stumpfes Instrument erwiesen", schreibt Fraktionsführer Siegfried Lehmann stellvertretend für die FGL.

Startkapital von zwei Millionen Euro

Die Wohnhäuser am Ende der Schlesierstraße sind Obdachlosenunterkünfte und Sozialwohnungen (Haus 20)
Die Wohnhäuser am Ende der Schlesierstraße sind Obdachlosenunterkünfte und Sozialwohnungen (Haus 20) | Bild: Anna-Maria Schneider

Die neue Gesellschaft soll laut Antrag der FGL-Fraktion drei Geschäftsfelder aufweisen: So sollen nicht nur Wohnungen vermietet und verwaltet werden, auch soll die Gesellschaft Immobilien und Flächen für Wohnungsbau kaufen oder verkaufen. Ebenfalls soll der Bestand saniert werden. Als Bareinlage für die Gründung einer solchen Gesellschaft rechnet Siegfried Lehmann mit mindestens zwei Millionen Euro. Auch sollen Grundstücke und städtischen Gebäude in die Gesellschaft fließen.

Staab zeigte wenig Interesse an der Idee

Oberbürgermeister Martin Staab hatte im März noch mäßig begeistert auf den Vorschlag der FGL-Fraktion reagiert. Dieses Vorhaben schnell umzusetzen, so wie von der FGL gefordert, sei fast unmöglich, da es an Geld für die Finanzierung fehle. "Wir brauchen mindestens 10 oder 15 Millionen Euro, um die Wohnungsbaugesellschaft starten zu können", sagte er damals. Lehmann zieht ein Beispiel aus Sachsen heran: "Die Stadt Dresden hat im vergangenen Jahr eine Wohnungsgesellschaft mit einer Bareinlage von zwei Millionen Euro gegründet." Die Landesförderung für sozial geförderte Mietwohnungen habe man als weitere Bareinlage eingerechnet. Dies gelte es auch in Radolfzell zu klären, wie viele solcher Wohnungen in den nächsten Jahren gebaut werden sollen. Ziel sei es, dass die Gesellschaft ohne dauerhafte städtische Zuschüsse auskommen soll.

Wohnraum für Haushalte mit geringem Einkommen

Ziel sei es auch, nicht nur Sozialwohnungen zu bauen, die mittels Wohnberechtigungsschein belegt werden können, sondern einen Mietwohnungsbestand im preisgedämpften Segment aufzubauen. Das heißt, auch Haushalte mit einem geringen Einkommen, die jedoch über der Einkommensgrenze für soziale Förderung liegen, sollen von dem Wohnungsbau profitieren. Die Wohnungsgesellschaft solle speziell für diese Gruppe bauen, die auf dem freien Wohnungsmarkt laut FGL kaum bedient werde. "Neugebaute Mietwohnungen bedienen fast ausschließlich das hohe und sehr hohe Preissegment", schreibt die FGL in ihrem Antrag. Auch sei mit einem Bevölkerungswachstum um mehr als vier Prozent bis 2025 zu rechnen. In diesen Prognosen seien die Geflüchteten mit Bleiberecht und der Familiennachzug nicht einberechnet.

Stadträte zeigen sich gesprächsbereit

Anders als die verhaltene Reaktion des OB berichtet Siegfried Lehmann von durchaus positiver Rückmeldung zu dem ersten Vorschlag im März. Auch Stadträte anderer Fraktionen hätten sich offen für diese Idee gezeigt. Ob dies jedoch für eine Mehrheit reiche, müsse man abwarten, so Lehmann. Besonders von den Freie Wähler- und den SPD-Räten habe man positive Signale erhalten.

Noch steht der FGL-Antrag nicht auf der vorläufigen Tagesordnung der kommenden Gemeinderatssitzung am Dienstag, 5. Juni.