Sie sind wütend, sie sind frustriert und manche von ihnen auch verwirrt. Aber aggressiv, das sind sie nicht. Querdenken 753 nennt sich die Gruppierung, die sich am Samstag im strömenden Regen im Stadtgarten versammelt, hier treffen Menschen aus Konstanz, aus Tuttlingen, aus der Nähe von Stuttgart zusammen.
Masken für Kinder – ein No-Go
Heike Brunner ist aus Herrenberg. Sie hat den Besuch der Demo mit einem bei ihren Eltern verbunden, die am Bodensee Urlaub machen. Der Ärger sitzt auch bei ihr tief. Brunner möchte Kritik an den Corona-Maßnahmen üben, bestimmte Vorgaben sind aus ihrer Sicht nicht zulässig, etwa, von Kindern zu verlangen, eine Maske zu tragen. „Das ist für mich ein völliges No-Go“, sagt sie. Sie ist auch hier, um ihren Ärger über die Medien zum Ausdruck zu bringen. „Wir werden als Corona-Leugner und Covidioten bezeichnet“, sagt Brunner, „das sind für mich Beleidigungen.“
Live-Stream steigt immer wieder aus
Auf der kleinen Bühne vor dem Pavillon soll ein Live-Stream von der Demo in Berlin laufen. Er läuft aber nicht, wie es soll, immer wieder muss ein anderer Anbieter genutzt werden. Die Veranstalter setzen auf „alternative“ Medien, da ist der Sender Russia Today (Russland heute) ganz vorn dabei. Dass der Auslandssender des russischen Staates ein Meister im Verbreiten von Verschwörungstheorien ist, stört hier niemanden.
Die Disziplin ist groß. Die Temperatur sinkt weiter an diesem Spätsommertag, an dem alles Sommerliche sich so rasch verabschiedet hat. Es regnet, Jacke und Schirm gehören zur Grundausstattung. Die Demonstranten bleiben geduldig.
Einer fühlt sich vom Staat gegängelt
Warum sind die Menschen hier? Tom Morlok fühlt sich als Bürger vom Staat gegängelt, unter anderem im Straßenverkehr. An vielen Stellen würden Blitzer aufgestellt, nur, um den Bürger zur Kasse zu bitten, nicht, weil es der Verkehrssicherheit diene. Bei den Corona-Maßnahmen erkenne er denselben Mechanismus. Dass in Sipplingen der Uferbereich abgesperrt werde, angeblich, um vor Infektionen zu schützen, sei für ihn unerträglich, sagt der Ludwigshafener.
Warum gibt es keinen runden Tisch?
„Die Einschränkungen, die es gibt, sind nicht begründet“, so sieht es der Konstanzer Ralf Greif. Er sei zum zweiten Mal bei der Demo. Aus seiner Sicht werde zu wenig aufgeklärt und die Informationen würden zu einseitig verbreitet. „Warum gibt es im Kanzleramt keinen runden Tisch, an dem auch Virologen zu Wort kommen, die anders denken?“ fragt Greif. Er kritisiert das Vorgehen der Polizei in Berlin, die den Demonstranten an verschiedenen Stellen den Zugang versperrt habe.
Keine Feste, nur die Narren sind noch optimistisch
Frank Hinkelmann hat die Rolle des Redners übernommen. Er zitiert Zahlen und übt Medienkritik, wie es in diesen Kreisen Gewohnheit ist. Dass die Zahl der Corona-Infizierten steige, auch im Landkreis, habe auch mit der erhöhten Zahl der Tests zu tun. Durch die Corona-Maßnahmen leide die Wirtschaft, der Tourismus, vor allem hier am Bodensee, die Bodensee-Schifffahrtsbetriebe hätten 50 Prozent ihrer Fahrgäste verloren. Die Freibäder erlitten große Verluste, Feste fänden nicht statt, nur die Narren seien noch optimistisch, dass 2021 Fasnacht gefeiert werden könne.

Für Vertreter der Medien ist die Begegnung mit den Demonstranten von Querdenken keine angenehme. Der Rechtfertigungsdruck ist hoch: Warum Fotos gemacht würden? Ob man den Presseausweis vorzeigen könne? Manch einer verlegt sich auf verstocktes Schweigen, eine Frau will ihren Namen nicht nennen, beklagt aber, dass es in Deutschland „kein freies Leben“ mehr gebe. Ein Mann hält es für nötig, Belehrungen abzugeben, die Auskunft über seine Gelehrigkeit geben sollen. Latente Aggression spricht aus diesen Begegnungen, aber keine offene Aggressivität, auch Beschimpfungen bleiben aus. Mit Abstandsregeln und Maskenpflicht wiederum geht man großzügig um. Mund und Nase zu bedecken ist hier Faux-Pas, nicht Bürgerpflicht.
In Berlin mag es anders ausgesehen haben, in Konstanz aber gibt es keinen Aufmarsch rechter Gruppierungen. Faschistische Symbole oder Flaggen werden im Stadtgarten nicht gezeigt. Verschwörungstheorien mögen unter vielen Demonstranten populär sein, rechte Parolen sind es offensichtlich nicht.
Zwei wollen ihre Meinung äußern
Yves Evelin und Julia Breetsch gehören zu jenen Teilnehmern, die ohne Allüren über ihre Motive des Protests Auskunft geben. „Ich bin Ostdeutsche und in einem System aufgewachsen, wo man seine Meinung nicht sagen durfte“, sagt Evelin. Ihren Kindern wolle sie das ersparen. Julia Breetsch hätte sich gewünscht, dass das Gesundheitssystem reformiert worden wäre in dieser Situation. Aber es werde weiter in die falschen Maßnahmen investiert.
„Eine Grippewelle eben“
Die Covid-19-Toten von Bergamo, die Gräberreihen, die in Brasilien ausgehoben werden mussten, die vielen Corona-Toten von New York. Sie scheinen hier weit entfernt. Manch Demonstrant zweifelt, ob es sie je gegeben hat. „Eine Grippewelle eben“, das sei Covid-19, sagt einer der Protestierenden. Die Opfer, die sie fordere, müsse man wohl in Kauf nehmen.