Rund sieben Monate ist es her, seitdem die Streifengans von der Konstanzer Bodenseetherme nicht ganz freiwillig nach Eigeltingen umziehen musste. Das zutrauliche Tier, von Badegästen auf den Namen Steffen getauft, hatte sich immer mal wieder im Außenbecken des Freizeittempels den Bürzel gewärmt – auf Dauer natürlich kein hygienisch tragbarer Zustand.

Bleibt die Frage: Wie geht es dem Vogel eigentlich heute? So viel sei verraten: Die Antwort ist überraschend! Und ein bisschen traurig wird es auch.

Anton Bihler hat ein großes Herz für Tiere. Hier steht er an einem der Lochmühlen-Weiher, hinter ihm rechts Steffen, der eine Stefanie ist.
Anton Bihler hat ein großes Herz für Tiere. Hier steht er an einem der Lochmühlen-Weiher, hinter ihm rechts Steffen, der eine Stefanie ist. | Bild: Michael Buchmüller

Besuch in der Lochmühle Eigeltingen bei Seniorchef Anton Bihler, 77 Jahre alt und seit 55 Jahren Betreiber der Einrichtung, die mal als Vesperstüble anfing. Bei ihm lebt heute auch Steffen, zusammen mit vier anderen Streifengänsen, auf den Weihern der Anlage. „Vergangenes Jahr waren die Streifengänse noch als Gruppe unterwegs“, berichtet Bihler. Und sie zogen auf der Brutinsel drei Junge groß.

Therme-Gans Steffen findet einen Gefährten

Aber 2023 sei alles anders, die Gruppe gesprengt. Die einzelnen Gänse haben sich nun zu Grau- und Weißwangengänsen gesellt und diese auch zum Partner gewählt. „Steffen hat damit angefangen!“ Und wohl auch zwischendurch mal den Auserwählten gewechselt. Ja, Sie haben richtig gelesen: DEN Auserwählten! Denn so wie sich Steffens Gefährte gebärdet (wenn man näherkommt, faucht er fürchterlich), ist er das Männchen. Und Steffen folgerichtig ein Weibchen? Eine Stefanie?

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„Wenn man das Geschlecht genau bestimmen wollte, müsste man der Gans eine Feder ausreißen und diese einschicken“, sagt Anton Bihler. Was der Lochmühlen-Seniorchef, der hier mit mehreren hundert Tieren lebt, nie machen würde. Interessiere ja schließlich nicht weiter. Die Streifengänse auseinanderzuhalten, das sei schon schwierig genug. Steffen, oder auch Stefanie, erkenne er am Gang. „Die wackelt mehr als die anderen.“

Bihler mag an den Gänsen ihren Stolz. „Sie verteidigen toll ihre Jungen, wehren sich und nehmen andere Gänse, die dazukommen, problemlos in die Gruppe auf.“ Und sie würden sich lautstark bemerkbar machen, wenn ihnen etwas nicht passe. Die Streifengänse seien allerdings die Ruhigsten von allen und ließen kaum mal ein Geschnatter hören.

Stefanie am Ufer einer der Weiher der Lochmühle in Eigeltingen.
Stefanie am Ufer einer der Weiher der Lochmühle in Eigeltingen. | Bild: Michael Buchmüller

Wegfliegen tun sie auch nicht. Warum auch? Hier werden sie jeden Morgen mit verschiedenen Getreidesorten und Sonnenblumenkernen gefüttert. „Und die Winter sind mild, da müssen selbst die Zugvögel nicht mehr aufbrechen.“ Zugvögel, wie es eigentlich auch die Streifengänse sind.

Huhn Erna ist eigentlich ein Günter

Steffen gehört neben dem sogar schon mal entführten Paduaner Haubenhuhn Erna zu den Medienstars in der Lochmühle. Mehrere Zeitungen berichteten, und sogar das Fernsehen zeigte ihn beziehungsweise sie in der Landesschau. Auch Erna ist nicht das, was sie zu sein scheint, wie der SÜDKURIER unlängst berichtete. Sie ist in Wirklichkeit ein Günter. Was sein Hahnenschrei deutlich macht, der alle paar Minuten durch die Gaststube hallt.

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Ob Männlein oder Weiblein, die extra-großen orangefarbenen Plastiktonnen, die auf der Brutinsel inmitten des Weihers ausgelegt wurden, sind von Steffen/Stefanie verschmäht worden. Dafür hat er/sie ein mondänes Bruthaus bezogen. Ist ja auch fotogener! Mitte Mai wurde Steffen dann Mutter. Der endgültige Beweis für das Geschlecht der Therme-Gans. Und leider auch der Beginn des bitteren Teils dieser süßen Geschichte.

Ein einziges gelbgefiedertes Küken schlüpfte. Schon vergangenes Jahr sind erste Küken aus solchen Mischehen unter Gänsen hervorgegangen. Da waren die Streifengänse noch nicht beteiligt. „Die jungen Tiere sehen dann tatsächlich anders aus, haben von beiden Eltern etwas“, berichtet Anton Bihler.

Raubvogel schnappt sich Stefanies Küken

Man hätte gespannt sein können, wie sich die schwarzen Streifen von Stefanie auf dem eher braun-grauen Gefieder des Graugans-Vaters machen. Doch so weit wird es nicht kommen. Denn vor wenigen Tagen hat ein Raubvogel das Küken geholt. Stefanie war nur kurzes Mutterglück beschieden.

Bihler wird aber auch diese Tragödie nicht davon abhalten, weiter Geflügel und Hasen in Not aufzunehmen. Einmal sei einer mit seinem Moped angetuckert gekommen, von Tuttlingen! Hinten im Korb eine 30-jährige Gans. „Gänse können 35 Jahre alt werden!“ Ein anderes Mal seien welche mit einer handzahmen Wildsau an der Leine 15 Kilometer hierher gelaufen, um sie abzugeben.

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Und Bihler zeigt auf einen stolzen Schwan mit gebrochenem Flügel, der hier eine neue Heimat fand. Schwäne bleiben sich übrigens ein Leben lang treu und würden nie etwas mit einer Graugans anfangen. Wie lange Stefanie es an der Seite ihres Ganters aushält, wer weiß. Vielleicht sind sie nächstes Jahr noch zusammen und sie hat mehr Brutglück.

Jedenfalls hat sich gezeigt: Die Lochmühle bringt es auf ihre alten Tage zum Aushängeschild gelebter Pluralität und Diversität in der Geflügel-Welt. Steffen, Stefanie, Erna, Günter: Jede(r) darf hier sein, was er/sie will. Da staunen selbst die zwei jungen Elche, die der Park seit einigen Monaten besitzt. Zweifelsfrei männlich, das kann man sehen. Wir dürfen ihnen Namen geben und wählen Ole und Sven. Aber wer kann‘s wissen? Vielleicht würden die beiden ja lieber Ulla und Svea heißen.