Viele der Gäste werden mit der Haltung zu diesem Abend gekommen sein, die der Händler Jürgen Norbert Baur am Ende deutlich machte. Zwei Stunden waren da schon vergangen, da stellt er aus dem Publikum auch noch eine Frage an Luigi Pantisano, einen der OB-Kandidaten. Ob er denn linksradikal sei?

Das könnte Sie auch interessieren

Baur hatte wie viele andere Konstanzer auch in diesen Tagen ein Video-Schnipsel zugesandt bekommen. Es stammt aus dem Gemeinderats-Wahlkampf in Stuttgart des Jahres 2019, und in diesem fordert Pantisano, wie er selbst sagt, ironisch, „nieder mit der Herrschaft der Investoren“, und es brauche mehr Linksradikale.

Er sagt den Händlern: Haben Sie keine Angst vor mir, haben Sie Angst vor Zalando.
Er sagt den Händlern: Haben Sie keine Angst vor mir, haben Sie Angst vor Zalando. | Bild: Rau, Jörg-Peter

Nun also spricht der OB-Kandidat, der Mitglied der Partei die Linke ist und im Büro von deren Bundesvorsitzendem arbeitet (beides aber bei seiner Vorstellung lieber nicht erwähnt) vor einem Publikum, das, wie soll man sagen, aus Investoren besteht. Kritisch beäugt und gegenüber dem handelsfreundlich auftretenden Amtsinhaber Uli Burchardt scheinbar im Nachteil. Hier der Kapitalistenschreck, da der Marktwirtschaftler.

Das könnte Sie auch interessieren

Doch ganz so klar sind die Karten dann doch nicht verteilt. Denn den meisten Applaus bekommt Pantisano nach den leidenschaftlichsten Minuten des Abends. Da appelliert er an die Unternehmer, die sich doch alle auch gegen Bedenken und Zweifel durchgesetzt hätten und darauf ihren Erfolg gründeten. Was also sei so schlecht, wenn sich Konstanz verändere?

Jürgen Norbert Baur wurde, wie der Abend dann ja auch zeigte, dennoch nicht zum Pantisano-Fan. Aber in der „Höhle des Löwen“, wie Moderator Thomas Albicker es nannte, zeigte er streckenweise durchaus Dompteur-Qualitäten. Doch auch Amtsinhaber Burchardt konnte an dem Abend viel Zustimmung gewinnen.

Bekennt sich zu einer Innenstadt, die man auch künftig mit dem Auto erreichen kann: Amtsinhaber Uli Burchardt.
Bekennt sich zu einer Innenstadt, die man auch künftig mit dem Auto erreichen kann: Amtsinhaber Uli Burchardt. | Bild: Rau, Jörg-Peter

„Wirtschaft, Arbeitsplätze und eine funktionierende Innenstadt“ kam als Botschaft gut an. Was das konkret bedeutet, arbeitete Burchardt immer wieder heraus. Zum Beispiel, als er sagte, dass Pantisanos Idee einer autofreien Innenstadt auch die Anwohner treffen werde. Und als er Pantisanos „Konstanz wieder den Konstanzern“-Rhetorik entgegensetzte, dass die Stadt als weltoffenes Oberzentrum ausdrücklich die Aufgabe habe, auch Angebote und Dienstleistungen für die weite Region bereitzuhalten.

Er vermisst in der Konstanzer Innenstadt und in ihren Geschäften mitunter Qualität: Andreas Matt.
Er vermisst in der Konstanzer Innenstadt und in ihren Geschäften mitunter Qualität: Andreas Matt. | Bild: Rau, Jörg-Peter

Auch Andreas Matt war eingeladen, und er sorgte an dem Abend gleich mehrfach für Überraschung. Zum Start erklärte er den Händlern sinngemäß, sie machten ihre Arbeit nicht gut, ihre Stadt sei gar nicht so attraktiv, es gebe zu wenig Qualität. Die Verantwortung unter anderem dafür sah er freilich bei Oberbürgermeister Burchardt. Aufmerken ließ auch, dass er gleich mehrfach Überstimmungen mit Luigi Pantisano offenbarte. Bei der Diagnose, viele Konstanzer mieden ihre eigene Stadt inzwischen. Bei dem Vorwurf der Mutlosigkeit in den letzten acht Jahren.

Pantisano: „Sie müssen nicht Angst vor mir haben, sondern Sie müssen Angst haben vor Entwicklungen wie Zalando in der Innenstadt.“

Und dann war da noch diese Zalando-Sache. Dass ausgerechnet in bester Lage eine Resterampe des Online-Modenhändlers einzieht, als Mieter der Sparkasse mit OB Burchardt im Verwaltungsrat: Da trafen Pantisano und Matt wirklich einen wunden Punkt und ein Reizthema vieler Konstanzer Händler, die sonst ja mehrheitlich nicht gerade links-grün orientiert sind. Vor Zalando sollte sie Angst haben, sagt Pantisano ihnen, und nicht vor einem Oberbürgermeister, der eine soziale und ökologische Agenda verfolge. Auch Matt setzte auf dieses Thema.

Burchardt: „Ich kann doch dem Weinfelder noch nicht sagen, komm mit dem Fahrrad“

Auf welche Politik sich die Händler und die anderen Wirtschaftsvertreter, die die Debatte mitverfolgten, in den nächsten acht Jahren einrichten müssen, darf als offen gelten.

Spannung im oberen Konzilsaal wenige Minuten vor Beginn der Debatte: Wie werden sich die drei OB-Kandidaten (hier noch auf ihren Stühlen ...
Spannung im oberen Konzilsaal wenige Minuten vor Beginn der Debatte: Wie werden sich die drei OB-Kandidaten (hier noch auf ihren Stühlen sitzend) wohl schlagen? | Bild: Rau, Jörg-Peter

Hier der Oberbürgermeister, den man kennt und der den Standort eher umsichtig weiterentwickeln möchte, und da der junge Kandidat, dem sie offenbar durchaus zutrauen, dass er die Stadt tatsächlich und schnell verändern könnte. Und dann noch Andreas Matt, der sich selbst als Mann der Wirtschaft vorstellt. Und die Haltungen derer, die die Stadt als Unternehmer mitgestalten, mittragen, mitfinanzieren? Auf jeden Fall voller gespannter Erwartung vor dem Abend des 18. Oktober.