Der Lockdown in Deutschland wird bis mindestens 7. März verlängert, das haben die Regierungschefs der Länder und Kanzlerin Angela Merkel am Mittwoch beschlossen. Friseure können ab 1. März wieder öffnen. Die Schulen öffnen im Land schrittweise ab Februar.
Sporthändler Böhm: „Keine Perspektive für uns“
Andy Böhm betreibt in der Macairestraße mit seinem Sohn ein Sportgeschäft. Am Telefon ist Böhm sehr aufgebracht, als der SÜDKURIER ihn erreicht. „Für uns Sporthändler ist die Lockdown-Verlängerung katastrophal, eine richtige Katastrophe. Wir telefonieren schon die ganze Zeit untereinander.“
Alle seien niedergeschlagen. „Es gibt keine Perspektive mehr für uns“, sagt Andy Böhm. Zwar sei seine Werkstatt offen, wo er Jahr für Jahr Skier auf Vordermann bringt. Nur: „Wir dürfen ja nicht Skifahren.“

Bei Böhm ist noch keine Hilfe vom Staat angekommen. „Ich finde das eine Sauerei, es wird behauptet, Geld sei in Hülle und Fülle da.“ Doch wo bleibt es? „Bei mir hieß es, es handele sich um einen Computerfehler.“
Die Sporthändler wüssten mittlerweile nicht mehr weiter, sagt Böhm. „Wenn sie uns doch wenigstens eine klare Perspektive geben würden!“, fordert er in Richtung Politik. Mittlerweile hätten alle Sporthändler, die er kennt, Kredite aufgenommen. „Und die müssen wir mit drei Prozent zurückzahlen!“ An ein baldiges Lockdownende glaubt Böhm nicht. „Und dann kommt wieder eine Mutation ...“, sagt er.
Der Gastronom: „Es ist unlogisch“
Adriano Potenza hat in der Gartenstraße sein Café Brotzeit Konstanz. Er deutet auf die Tische im hinteren Bereich. „Wir halten den Abstand ein. Wenn ich sehe, wie voll es in den Einkaufsmärkten ist, verstehe ich nicht, warum wir keine Gäste empfangen dürfen. Es ist unlogisch“, sagt der 36-Jährige, während er Croissants mit selbst gemachter Chantilly-Sahnecreme und Blaubeeren arrangiert.

Dass der Lockdown verlängert wird, ärgert Potenza, wundern tut es ihn aber nicht mehr. „Wir kommen langsam an unsere Grenzen“, sagt er.
Drei Monate lang habe er mit den To-Go-Kunden gerade so einen Umsatz von null gemacht, habe Miete und Versicherung zahlen können. Eine Soforthilfe sei bei ihm im vergangenen Jahr eingegangen, 9000 Euro. Dann die schlechte Nachricht vom Steuerberater: Weil er kein Minus gemacht habe, musste Adriano Potenza die 9000 Euro zurückzahlen.
Dass seine Stammkunden trotz Lockdowns auch aus anderen Stadtteilen zu ihm kommen, freut den Café-Betreiber sehr. Die kennen ihn als gut gelaunten Barrista. Aber: „Es ist schwer, noch fröhlich zu sein. Man weiß nicht, wie es weitergeht. Was ich mir wünsche, ist eine Perspektive.“
Der Geschäftsführer: „Mitarbeiter leben seit Monaten mit 60 Prozent ihres Gehalts.“
Peter Kolb ist Geschäftsführer von Sport Gruner. 60 Angestellte arbeiten normalerweise für ihn. „Nun sind 50 davon in Kurzarbeit. Das sind 50 Konstanzer, die seit Monaten mit 60 oder 67 Prozent des Gehalts leben müssen. Auf diese soziale Dimension achtet die Politik viel zu wenig“, kritisiert er.

Er findet die Entscheidungen, die derzeit getroffen werden, weder ausgewogen noch verhältnismäßig, so Kolb. „Man lässt einen Teil der Wirtschaft komplett sterben, wir haben ein Berufsverbot verhängt bekommen für eine komplette Saison.“ Staatliche Hilfen? Auch bei ihm sind sie noch nicht angekommen.
Politik soll dringend handeln
„Unsere Firma ist nicht existenzbedroht, weil wir seit vielen Jahrzehnten am Markt sind. Aber andere, die noch nicht so lange dabei sind, werden es vielleicht nicht überleben“, sorgt sich Peter Kolb.
Auch Sport Gruner bietet nun Online-Handel an. „Das läuft so: Wir haben gestern 250 Pakete in ganz Deutschland verschickt. Und dann sind da drin ein Springseil für wenige Euro oder ein Stirnband.“ Peter Kolb fordert Bund, Land und Politik auf, dringend zu handeln.
Der Friseur: „Mein Telefon klingelt heiß“
Einer, bei dem das Telefon seit dem frühen Mittwochmorgen klingelt, ist der Friseur Aydo Kir. „Mein Telefon klingelt heiß, die Leute warten und fragen nach Terminen“, sagt er.

Dass er im März wieder Haare schneiden darf, findet er super. „Ich habe damit gerechnet, dass es verlängert wird. Ich denke sogar, es wird noch einen dritten Lockdown geben“, ist sich Aydo Kir sicher.
Der Friseur: „Wir sind böse im Stich gelassen worden“
Insgesamt ist er unzufrieden mit der Politik. „Wir sind böse im Stich gelassen worden, wir Friseure. Wir durften nicht einmal Antrag auf Hilfen stellen. Soweit sind die noch gar nicht.“
Er sei in einem Friseurchat, erzählt Aydo Kir: „Alle jammern. Nun ist Deutschlands größte Friseurkette insolvent. Mir persönlich geht es gut, wir leben von den Ersparnissen, aber das geht auch nicht ewig so weiter.“
Wann Kitas und Schulen öffnen sollen
Ebenfalls früher wieder öffnen sollen in Baden-Württemberg Schulen und Kitas.
Susanne Eisenmann will einen Stufenplan umsetzen. Kitas und die Klassen der Stufen eins und zwei sollen wahrscheinlich nach den Fasnachtsferien am 22. Februar wieder Präsenzbetreuung und -unterricht anbieten.
Die Elternbeirätin: „Das ist fahrlässig“
Petra Rietzler vom Gesamtelternbeirat Konstanz sagt: „Grundsätzlich wünschen sich alle Eltern, dass Kinder wieder in die Schule gehen können. Da sind wir uns alle einig“, sagt sie. Aber nur, wenn die Schule für Lehrer und Kinder sicher sei.

„Um alles in der Welt die Schulen früher zu öffnen, unabhängig von der Inzidenzzahl, das ist fahrlässig“, ist sie überzeugt.
Viele Vorschläge, kaum Reaktion
Der Landeselternbeirat, in dem Petra Rietzler stellvertretende Vorsitzende ist, habe Ministerin Susanne Eisenmann verschiedene Modelle vorgeschlagen: Wechselunterricht, Masken. Passiert sei: nichts. Zwar hätten nun alle Lehrer FFP2-Masken, aber es gebe keine Vorschrift, sie auch zu nutzen. Und Luftfilter? „Bis die flächendeckend installiert sind, ist das Virus weg oder wir sind alle geimpft“, so Rietzler, die für die SPD bei der Landtagswahl im März antritt.
Der Schulleiter: „Würde zur Vorsicht mahnen“
Jürgen Kaz, der geschäftsführende Schulleiter Gymnasien und Rektor des Humboldt-Gymnasiums, sagt: „Wir sind mit dem Fernunterricht besser aufgestellt als noch im Frühjahr. Wir haben stabile Moodle-Plattformen.“

Was vorzeitige Schulöffnungen angeht, hat er eine klare Meinung: „Ich sehe es eher so, dass die oberen Klassen einen guten Kontakt zu den Lehrern digital halten, ich würde bei Öffnungen zur Vorsicht mahnen.“
Die Landtagspolitikerin: „Öffnung nur mit solidem Konzept“
Ähnlich äußert sich Nese Erikli (Grüne), die für Konstanz/Radolfzell im Landtag sitzt. Sie sagt: „Im Gegensatz zu Frau Eisenmann bin ich nicht für eine inzidenzunabhängige Öffnung. Entscheidend ist, dass eine mögliche Öffnung gut vorbereitet und ein solides Öffnungskonzept vorgelegt wird.“

Wenn Öffnungen in Betracht kämen, müsse bei den Kleinsten angefangen werden. „Denn diese leiden am meisten unter den Schulschließungen.“