Sophie-Marie, Angelina und ihre Klassenkameraden der R10d an der Geschwister-Scholl-Schule (GSS) sind verzweifelt: Sie lernen und lernen, doch der Stoff will nicht weniger werden, die Zeit bis zu den Realschulabschlussprüfungen ist kurz, eine neue Prüfungsordnung verursacht zusätzlichen Stress. Die Klasse fasst sich ein Herz und schreibt Ende Januar einen Brief an Kultusministerin Susanne Eisenmann.

Im Gespräch mit dem SÜDKURIER formuliert die 15-jährige Angelina Barth ihre Sorgen: „Wir sind durchaus bereit, viel für unseren Abschluss zu lernen, aber wir bräuchten mehr Zeit. Momentan bereiten wir uns nur auf die Kommunikationsprüfung in Englisch vor, die im März stattfindet. Wir wissen gar nicht, wie wir den Stoff für die anderen Fächer lernen sollen. Außerdem stört mich, dass wir unsere Note in Englisch nicht mehr durch eine mündliche Prüfung verbessern können. Das ging letztes Jahr noch.“

Sophie-Marie Haberbosch (links) und Angelina Barth bei der Vorbereitung auf ihren Abschluss. Ihre Klasse schrieb an Kultusministerin ...
Sophie-Marie Haberbosch (links) und Angelina Barth bei der Vorbereitung auf ihren Abschluss. Ihre Klasse schrieb an Kultusministerin Susanne Eisenmann. | Bild: privat

Angelina und ihrer Klassenkameradin Sophie-Marie Haberbosch, ebenfalls 15, ist auch die Abschlussprüfung im Fach AES (Alltagskultur, Ernährung, Soziales) ein Dorn im Auge, das in ihrer Klasse alle Mädchen belegen. Die Jungen wählten das Fach Technik. In einem der Wahlfächer müssen Realschüler in diesem Jahr erstmals eine Prüfung ablegen.

Das fordert die R10d – ein Überblick

  • Unterricht nur noch in den Hauptfächern
  • Streichung der Kommunikationsprüfung in Englisch
  • Streichung der Prüfung im Wahlfach AES/Technik/Französisch
  • Verschiebung der Prüfungstermine nach hinten

„Unsere AES-Lehrerin weiß selbst nicht, wie wir das schaffen sollen“, sagt Sophie-Marie. „Außerdem können wir uns auf die praktische Prüfung mit Vorkochen gar nicht vorbereiten, da die Schulküche geschlossen ist.“ Die Schüler erhoffen sich eine Streichung dieser Prüfung.

Die Forderungen der Schüler: Nur ein Lamentieren oder gerechtfertigte Wünsche?

Einer, der es wissen muss, ist Frank Raddatz. Der Geschäftsführende Schulleiter der Konstanzer Realschulen (und weiterer Schularten außer Gymnasium) sagt: „Die Sorge der Klasse ist durchaus berechtigt, wenn auch die Dimensionen so nicht stimmen: Ausgefallen ist der Unterricht nicht, sondern er wurde größtenteils durch Fernunterricht ersetzt. Seit dem 11. Januar findet in den schriftlich zu prüfenden Fächern sogar Präsenzunterricht statt. Aber natürlich machen wir die Erfahrung, dass Fernunterricht kein ganz vollwertiger Ersatz für den Präsenzunterricht sein kann.“

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Mit einigen Erleichterungen wie nochmals nach hinten verschobenen Prüfungsterminen, mehr Wahlmöglichkeiten in den Aufgaben und dem Aussetzen der neuen Prüfungen im Wahlfach AES/Technik/Französisch könnte Frank Raddatz mitgehen. „Aber grundlegende Änderungen wie den Verzicht auf Prüfungen in den Hauptfächern würde ich nicht unterstützen“, sagt der Theo-Schulleiter. „Sonst bleiben die Abschlüsse von 2021 als minderwertig in Erinnerung.“

Die Antworten der Ministerin

Wenige Tage nach dem Absenden des Briefes kam die Antwort von Susanne Eisenmann. Er beginnt mit amtsdeutschen Erläuterungen zu Bildungsplänen und enthält dann die Aussage: „Vor diesem Hintergrund ist eine Durchführung der alten Prüfungsform in die­sem Schuljahr nicht möglich.“

Dennoch habe sie bereits im vergangenen Schuljahr faire Bedin­gungen für die Schulabschlüsse geschaffen. „Das Versprechen gilt selbstverständlich auch für diejenigen, die in diesem Schuljahr ihre Abschlussprüfungen ablegen werden.“

Mit diesem Schreiben reagierte Kultusministerin Susanne Eisenmann auf den Brief der R10d der Geschwister-Scholl-Schule.
Mit diesem Schreiben reagierte Kultusministerin Susanne Eisenmann auf den Brief der R10d der Geschwister-Scholl-Schule. | Bild: Kirsten Astor

So sei der Prüfungszeitraum bereits verschoben worden, außerdem habe sie die Lehrer gebeten, zusätzliche Aufgaben zur Voraus­wahl zu erstellen, und für alle schriftlichen Prüfungen seien Wahlmög­lichkeiten vorgesehen.

Dem Wunsch nach einer Streichung der Kommunikationsprüfung in Englisch kann Eisenmann nicht stattgeben: „Ich bin der Ansicht, dass die Kommunikation in der Fremdsprache einen sehr hohen Stellenwert hat.“

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Auch die Prüfung im Wahlfach AES/Technik/Französisch könne nicht ausfallen. Es habe dazu aber Musteraufgaben und digitale Fortbildungen gegeben. Hier widerspricht Rektor Frank Raddatz: „Viele Lehrerfortbildungen konnten nicht wie geplant stattfinden.“

Die Antworten der Pressestelle des Kultusministeriums

Sophie-Marie und Angelina freuen sich zwar, dass Susanne Eisenmann auf ihren Brief antwortete. Doch sie sind ernüchtert: „Da steht drin, unsere Lehrer wüssten über alles Bescheid. Aber das tun sie nicht. Und es steht auch drin, dass viele unserer Wünsche nicht erhört werden.“

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Immerhin kam die Realschulklasse durch ihre Aktion, die sie in sozialen Medien teilte, mit vielen weiteren Realschülern aus Konstanz und darüber hinaus in Kontakt, denen es ähnlich geht. Und Angelinas Mutter, Elternsprecherin Nadine Jesske, tritt am Montag in den Dialog mit Susanne Eisenmann – bei einem digitalen Austauschformat mit vielen weiteren Eltern aus Baden-Württemberg. Hier erhofft sie sich weitere Antworten.

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