Als im Frühjahr Millionen Deutsche ins Homeoffice geschickt wurden und man den Kollegen fortan nur als Gesichter vor Bücherregalen auf dem Bildschirm begegnete, war das wie ein großes soziales Experiment. Zwei Wissenschaftler, die das Verhalten, die Gefühle, die Produktivität der Deutschen im Homeoffice seither untersuchten, sind Florian Kunze und Sophia Zimmermann von der Universität Konstanz.
Die ersten Ergebnisse der Doktorandin und des Professors sind jetzt da. Ist das Homeoffice die Zukunft, das bessere Arbeiten? Die Daten liefern ein differenziertes Bild.
Weniger produktiv und erschöpfter
Rund 700 Personen sind zwischen März und Oktober zu verschiedenen Zeitpunkten befragt worden. Eine zentrale These der Studie ist die: Diejenigen, die aus dem Homeoffice zurückkehrten, waren zurück im Unternehmen etwas weniger produktiv und erschöpfter als die Gruppe, die im Homeoffice geblieben war.
So gaben 87 Prozent der mobil Arbeitenden an, eine hohe bis sehr hohe Produktivität zu haben. Das Gleiche behaupteten nur 81 Prozent der Rückkehrer von sich. 19 Prozent der Homeoffice-Gruppe antwortete, eine hohe oder sehr hohe Erschöpfung zu empfinden. Unter den Rückkehrern sagten dies 23 Prozent.
Länger arbeiten als im Büro
Außerdem verrieten 56 Prozent, dass sie zu Hause länger arbeiten als in ihren Arbeitsverträgen steht. Die Studienautoren warnen vor Überlastung, auch arbeitsrechtlich könnte dies zu negativen Konsequenzen führen. Insgesamt werden Effizienz, Produktivität und Vereinbarkeit von Arbeits- und Privatleben im Homeoffice als besser wahrgenommen.
Der Weg zur Arbeit entfällt – und damit ein Stressfaktor
Die Ergebnisse deuten darauf hin, dass der Arbeitsweg eine große Rolle bei der Beliebtheit der Heimarbeit spielt: Über 70 Prozent der Befragten sagten, sie schätzen besonders, dass ihr täglicher Pendelweg wegfällt. Es gibt viele Studien, die einen langen Arbeitsweg als einen der Hauptquellen für Stress ausgemacht haben.

Doch es gibt eine Kehrseite des Homeoffice: emotionale Erschöpfung und soziale Isolation. 20 Prozent der Befragten fühlen sich im Homeoffice einsam und sozial isoliert. 62 Prozent sagen, ihnen fehlt der persönliche Austausch mit den Kollegen.
Die rund 700 Männer und Frauen sollten außerdem auswählen, wie viele Arbeitstage sie künftig gerne zu Hause verbringen würden. Im Mai votierten noch deutlich mehr für fünf Homeoffice-Tage die Woche, nämlich 25 Prozent. Im Oktober waren es nur noch 20 Prozent. Gleichzeitig wuchs die Zahl derer, die gar keinen Heimarbeitstag in der Woche oder nur einen oder zwei möchten.
Die Begeisterung für das Homeoffice schwindet
Je länger die Phase der Heimarbeit andauerte, desto geringer offenbar die Begeisterung dafür, künftig überwiegend in der eigenen Wohnung produktiv zu sein. Trotzdem, so schlussfolgern Florian Kunze und Sophia Zimmermann, will die Mehrheit der Beschäftigten einige Tage Homeoffice in der Woche. Während im Frühjahr die meisten zu drei Tagen tendierten, sind nun zwei Tage die beliebtere Variante.
Die Studienautoren attestieren der Politik, Betriebsräten und Arbeitgebern Nachholbedarf. Es brauche einen geeigneten betrieblichen und politischen Rahmen für diese Form der Arbeit, fordern sie. 65 Prozent wurden vom Arbeitgeber nicht gefragt, ob sie gerne ins Homeoffice möchten oder nicht. Eine spezielle Schulung zum Arbeiten von zu Hause gab es für 16 Prozent. Eine vollständige IT-Ausrüstung bekamen 45 Prozent, also weniger als die Hälfte.