Wer Tom Hegen kennenlernen will, muss sich seine Bilder ansehen. Sind das jetzt die Adern eines Blattes, die sich in einem unergründlichen Muster über das ganze Bild verästeln? Oder doch eher ausgetrocknete Höhenzüge inmitten von tiefergelegenen, bewässerten, sattgrünen Feldern?

Das Auge springt hin und her, sucht nach einem Anhaltspunkt. Da sieht etwas aus aus wie ein Weg, er führt zu einem Windrad. Also keine Nahaufnahme. Sondern vom Menschen überprägte Natur aus der Luft. Farmland in Spanien.
Zweites Beispiel. Eine große Wasseroberfläche. Die Sonne spiegelt sich matt, leichtes weißes Wellengekräusel. Streng in der Mitte durchzieht ein grauer Balken das Bild. Fahrbahnmarkierungen. Eine Brücke über einen breiten Fjord? Darauf nicht Lastwagen, sondern Radler und ein paar Fußgänger.

Das Wasser ist nicht arktisch in seinem eisigen Blauton. Der Blick geht genau senkrecht von oben auf den Seerhein, zu sehen ist die Konstanzer Fahrradbrücke.
Tom Hegen zeigt, was die Menschen mit der Erde anstellen
Zwei Fotos, die typisch sind für Tom Hegen. Und die ihn innerhalb weniger Jahre zu einem weltweit gefragten Fotografen gemacht haben. Er schaut von oben auf das, was die Menschen mit der Erde so anstellen. Wie sie Verkehrswege bauen, Kupfervorräte ausbeuten, Austern züchten, Salz gewinnen zum Beispiel. Und das alles in Bildern voll starker Muster und Farben, streng komponiert, abstrakt, ästhetisch und zugleich oft alarmierend.

Als Tom Hegen 2017 an der Konstanzer Hochschule für Technik, Wirtschaft und Gestaltung seinen Master-Abschluss in Kommunikationsdesign machte, waren seine Arbeiten noch Geheimtipps. Er stellte sie in der Hochschule aus, dann im Turm zur Katz, zu dem man durch die Stadtbücherei und dann quer über den Innenhof gelangt.
Inzwischen sind Arbeiten von ihm in Großbritannien oder Südkorea zu sehen. Seine Fotografien wurden mit renommierten Kreativpreisen ausgezeichnet, darunter der Red Dot Design Award, der
International Photography Award, der Leica Oscar Barnack Award oder der German Design Award.
In Zeiten von Google Earth und Billig-Drohnen sind Aufnahmen von oben nichts Exklusives mehr, das weiß Tom Hegen natürlich ganz genau. Doch die penible Arbeit mit Farben und Formen ist eben nicht so einfach, dass sie jeder beherrschen würde. Wenn Perspektive und Dreidimensionalität als Gestaltungsmittel ausfallen, braucht es einen anderen Zugriff auf das Motiv. Bei Tom Hegen ist es das Spiel mit den Dimensionen, wie es das Bild der spanischen Felder so schön zeigt. Und es ist die Zwiespältigkeit aus schön und beklemmend.

Er will zum Nachdenken anregen, aber kein Aktivist sein
Über sich selbst sagt Tom Hegen, dass er sich „an der Schnittstelle zwischen künstlerischer und dokumentarischer Fotografie“ sieht. Ein Aktivist in Sachen Umweltschutz will er mit seinen Fotografien nicht sein – was ihn zum Beispiel von seinem für Greenpeace tätigen Friedrichshafener Kollegen Markus Mauthe unterscheidet -, aber er will „Denkanstöße geben“. Wenn diese in perfekter Ästhetik verabreicht werden, sieht er darin keinen Widerspruch: Selbst ein dreckiges Bergwerk schaut auf seinen Bildern noch gefällig aus.
Einen ganz anderen Erfolg hatte Tom Hegen einst in Konstanz bei einer Herausforderung, bei der es auch um den Schutz der Umwelt geht – bei einem landesweiten Wettbewerb zum Thema Radverkehr. Denn auch wenn er von hoch eben fotografiert, es lebt mit beiden Füßen auf der Erde.

Das Spiel mit diesen Extremen war schon zu Studienzeiten in ihm angelegt. Früh, sagt Tom Hegen, habe er erkannt, wie spannend die Perspektive senkrecht von oben ist. Und dann ging er den Weg weiter, die Projekte wurden größer, die Stunden im Flugzeug oder Hubschrauber oder auch mit der Drohne wurden zahlreicher.
Inzwischen war er auf – oder besser: über – mehreren Kontinenten unterwegs. Oder auch vor der Haustür. Als im Lockdown der Flugbetrieb auf deutschen Flughäfen ruhte, nutzte er die Gunst der Stunde und dokumentierte die gestrandete Flotte auf all den Rollbahnen.
Am 1. Oktober kommt Tom Hegen zurück nach Konstanz. Dann wird seine Ausstellung in der Leica Galerie in der Niederburg eröffnet, am Tag darauf führt er durch seine Bilder und freut sich auf den Austausch mit dem Publikum. Es werden viele Bekannte darunter sein.
Tom Hegen, der aus Augsburg stammt, arbeitet inzwischen zwar von München aus. Aber nach Konstanz kommt er immer wieder gerne zurück: „Es ist wunderschön am Bodensee, ich habe die Stadt geliebt.“ Dieses Mal bringt Tom Hegen noch mehr Bilder mit, die einen staunen lassen.
