Für viele im Gemeinderat geht die Geschichte jetzt wohl so: Weil er keine Kritik ertragen kann, Zweifel nicht akzeptieren will und eine öffentliche Debatte über ein Angebot an die Öffentlichkeit nicht will, zieht sich der profitgierige Investor jetzt halt beleidigt aus Konstanz zurück. Soll er doch wo anders sein Glück versuchen mit der gewaltigen kreisrunden Kitsch-Installation. Vielleicht in Singen, denen würde eine solche Beglückung recht geschehen. Ja, so kann man sich das Trauerspiel um das Asisi-Panorama auch schönreden. Und zugleich offenbaren, wes Geistes Kind man ist.
Aber die Geschichte geht anders. Es verdient Respekt, dass Wolfgang Scheidtweiler das Projekt Asisi-Panorama gekippt hat. Damit zeigt der Hotelier aus Pforzheim, den viele Konstanzer als seriösen Geschäftspartner kennen, mehr Rückgrat als mancher der gewählten Stadträte. Es ist nicht anmaßend, dass er sein Projekt von einem breiten politischen Rückhalt abhängig macht. Sondern eine legitime Voraussetzung, denn er hätte Millionen nach Konstanz getragen und die Strahlkraft der Stadt erhöht. Und er weiß: Das geht von vornherein nicht, wenn borniertes Gemäkel vor Ort die Begleitmusik ist.
So musste Scheidtweiler erleben, was die Familie Kolb bei ihrem Kampf ums neue Sporthaus am See, was die Strabag in der ersten Konzerthaus-Debatte, was die Bauherren des Lago und was auch viele andere Unternehmen und Unternehmer erfuhren: Investor ist ein Schimpfwort in einem Gremium, in dem man offenbar davon ausgeht, dass Wohlstand und Erfolg selbstverständlich sind und man sonst ja immer noch das Geld vom Steuerzahler holen kann. Besonders beklemmend: Ausgerechnet dieser Gemeinderat hat zum Klima der Angst vor Investoren aktiv beigetragen. Mehrfach und gegen guten Rat setzte er auf Partner, die glamourös daherkamen und dann nicht lieferten, etwa am Kompetenzzentrum.
Genauso bestürzend ist, wie sich Menschen in politischer Verantwortung zu Kunstexperten aufschwingen. Zur Erinnerung: Beim Asisi-Panorama geht es nicht um ein Werk mit dem Anspruch, einen Beitrag zum aktuellen Kunstdiskurs zu leisten. Sondern um eine Touristenattraktion, die Spaß machen und etwas Wissen vermitteln soll. Das funktioniert in Berlin, Leipzig und Dresden. Davon erhoffen sich Lutherstadt Wittenberg und Rouen wertvolle Impulse. Nur Konstanz ist sich dafür zu gut. Es könnte ja ein kommerzieller Erfolg sein. Es könnte ja Besucher in die Stadt locken. Es könnte ja der Schauplatz fürs Abendprogramm einer noblen Tagung werden. Wer sich für so etwas zu fein ist, muss sehr, sehr satt sein.
Wenn man Leuten außerhalb von Konstanz erzählt, wie der Gemeinderat der Stadt eine tolle Chance aus der Hand geschlagen hat, lautet die Antwort meistens: typisch Konstanz. Dass diese Reaktion viele der Volksvertreter auch noch als Ritterschlag empfinden dürften, beweist ein erschreckendes Auseinanderklaffen von Selbst- und Fremdbild. Nein: Der Gemeinderat kann sich nicht rühmen, einen Schaden von Konstanz abgewendet zu haben. Sondern er muss sich vorwerfen lassen, ein Geschenk ohne Not ausgeschlagen zu haben, das andere nur allzu gerne hätten.
Alle Stadträte haben gelobt, "die Rechte der Gemeinde gewissenhaft zu wahren und ihr Wohl und das ihrer Einwohner nach Kräften zu fördern". Mit der Debatte um das Asisi-Panorama und deren vollkommen erwartbarer Konsequenz haben sie das Wohl der Stadt nicht gefördert. Geleitet haben mag sie das Unbehagen gegenüber der Stadtverwaltung und ihrer wahrlich dünnen Vorlage. Wenn es so war, haben sie den Esel gemeint und den Sack geschlagen. Ohne zu merken, dass dieser Sack nicht der OB, nicht das Team im Rathaus und auch nicht der Investor ist. Sondern ihre eigene Stadt.