Frau Hinderer, Frau Labsch-Nix, ursprünglich bedeutet das Wort Hospiz Herberge oder Gastfreundschaft. Warum habe ich dennoch gedacht, bei Ihnen sterben jeden Tag Menschen?
Petra Hinderer: Dachten Sie das? Da wirken sich vielleicht auch die Bilder aus, die Ihnen an der Oberfläche präsentiert werden und sich oft auf stationäre Einrichtungen beschränken. Dabei überwiegt in Konstanz deutlich die ambulante Arbeit. Unsere ehrenamtlichen Mitarbeiter gehen also zu den Menschen, nach Möglichkeit dorthin, wo sie das Ende ihres Lebens am liebsten verbringen. Aber das Haus im Park ist auch aus einem anderen Grund kein Haus des Sterbens.
Aber ist das nicht der Grundgedanke der Hospizarbeit?
Petra Hinderer: Die umfasst einen viel größeren Zeitraum. Sie denken vor allem an die Phase des Währenddessen. Dazu gibt es aber auch noch die des Davor und des Danach. An uns wenden sich jedes Jahr um die 200 Menschen, die auf irgendeine Art mit Sterben, Tod und Trauer konfrontiert werden. Ihnen versuchen wir unterschiedlich zu helfen. Die Angebote reichen von der ambulanten Begleitung Sterbender oder Schwerkranker über Gruppenangebote für deren Angehörige bis hin zu verschiedenen Trauergruppen und einer eigenen Kinder- und Jugendhospizarbeit für den gesamten Landkreis. Für alle Bereiche gilt: Wir begleiten Lebende, nicht Tote.
Trotzdem wird uns mulmig, wenn wir uns mit dem Thema beschäftigen sollen. Warum?
Petra Hinderer: Weil uns die Medizin sehr gut verdrängen lässt. Wir leben immer länger, unerwartete Tode bei voriger Gesundheit – der Wunsch der meisten Menschen – sind eine Seltenheit geworden. Immer häufiger sterben wir langsam fortschreitend an schweren Krankheiten wie Krebs oder erleben einen sehr langsamen Alterstod. Was Sie beschreiben ist wohl die Angst davor, vor dem Sterben, nicht vor dem Tod selbst.
Wünschen Sie sich einen unbefangeneren Umgang mit den Themen Tod und Sterben?
Christina Labsch-Nix: Nein, warum sollten wir Menschen denn keine Angst vor dem Sterben haben? Das ist eine natürliche Reaktion. Das Ziel sollte es nicht sein, eine Unbefangenheit zu verlieren, sondern es als das anzunehmen, was es ist: eine wichtige Zeit des Lebens.
Petra Hinderer: Locker mit dem Tod umzugehen, das wäre für mich denkbar falsch. Wir sollten den Respekt vor dem Sterben nicht verlieren. Das ist eine Frage des Anstands und der Würde.
Das heißt, Sie beide und die Ehrenamtlichen vermeiden diesen Begriff auch nicht?
Christina Labsch-Nix: Das Wort Sterben löst unterschiedliche Assoziationen aus und damit belastet es Menschen auch mehr oder weniger. Danach richtet sich auch sicher unsere Sprache. Aber vermieden wird der Begriff hier nicht, sondern an die jeweils passende Situation angepasst. Eine Ausnahme sind Kinder, deren Eltern ausdrücklich wünschen, dass das Sterben nicht direkt ausgesprochen wird.