Der Tag danach. Nieselregen verwandelt das Strandbad Wallhausen in einen eher unwirtlichen Ort. Die Temperaturen kratzen gerade so an der 20-Grad-Marke. Gäste sind nicht auszumachen. Arthur Knutas nutzt Tage wie diese, um Dinge zu tun, die sonst liegen bleiben. Reparaturen oder Aufräumarbeiten. Im Moment erinnert nichts an das, was hier am Vorabend passierte.

Das Wetter ist am frühen Mittwochabend deutlich besser. Zahlreiche Menschen vergnügen sich am Strandbad. Arthur Knutas, Fachangestellter für Bäderbetriebe bei der Bädergesellschaft Konstanz, beobachtet des freizeitliche Treiben zu Wasser und an Land. Seine Augen sind in der Regel überall.
Er gibt gerne auch Tipps und Ratschläge
Wer ins Wasser geht, wird gescannt und abgespeichert. Sein Gedächtnis ist geschult darauf ab. Älterer Herr alleine, drei Kinder mit Ball, eine Gruppe älterer Damen – er versucht, sich möglichst viele Personen einzuprägen und immer wieder zu beobachten. Der 63-Jährige spricht die Gäste gerne an, wenn er Tipps oder Ratschläge hat. Wer weiß, wie viele Menschen er damit vor einem Unglück bewahrt hat.
An diesem Tag bemerkt er, dass ein Vater und sein Sohn mit einem Surfbrett am rechten Floß angelegt haben und von dort aus angeln wollen. „Mir ist unklar, wie jemand auf eine solche Idee kommen kann“, sagt er. „Doch zum Glück hatten sie diese Idee.“
Arthur Knutas ahnt noch nicht, dass er bald zum Lebensretter werden würde
Mit einem Tag Abstand kann er das sagen. Als er sich in sein Boot setzt, um hinaus zu paddeln und den beiden zu erklären, dass ihr Vorhaben im Badebereich verboten ist, ahnt er noch nicht, dass er in wenigen Minuten zum Lebensretter werden würde.
Zwei Jungs winken ihm vom Floß aus zu
„Vater und Sohn sind dann weiter gefahren“, erinnert sich Arthur Knutas. „Ich wollte noch schnell die Wassertemperatur messen, hatte im Hinterkopf, dass auf dem zweiten Floß drei Jungs mit einem Ball spielen.“ Zwei der Jungs seien gestanden, hätten gewunken „und immer wieder Bademeister, Hilfe gerufen“, wie er erzählt.
Dann geht alles sehr schnell
Er steuert sein Boot die paar Meter hinüber, will den Kindern zunächst nur erklären, dass Hilferufe nur sinnvoll seien, wenn tatsächlich etwas passiert sei. Die beiden Elfjährigen rufen ihm zu, dass ihr Freund ins Wasser gesprungen und nicht mehr aufgetaucht sei.
Dann geht alles sehr schnell. „In einer solchen Situation bleibt keine Zeit. Da muss man sofort handeln“, sagt Artur Knutas. „Ich habe die Menschen an Land aufgefordert, einen Notruf abzusetzen, bin ins Wasser gesprungen und runtergetaucht.“ Nicht auszudenken, wenn er zu diesem Zeitpunkt noch an seinem Wachhäuschen gewesen wäre und erst zum Floß hätte paddeln müssen.
Was sich dann abspielt, beschreibt er selbst als unglaubliches Glück – in dreieinhalb Metern Tiefe sieht er bereits beim ersten Tauchgang etwas Weißes auf dem Grund liegen. „Ich bin dorthin geschwommen und habe gesehen, dass das ein Bein des Jungen war. Ich konnte es kaum glauben, denn das Wasser war so trüb. Man konnte nicht viel erkennen.“ Normal seien mehrere Tauchversuche, „und selbst dann ist es nicht sicher, dass man den Menschen findet“.
„Das könnte dein Enkelkind sein“
Die heikle Situation bewegt ihn auch am Tag danach noch sichtlich – auch wenn er sagt, dass er nach 17 Jahren Erfahrung professionell damit umgehen kann. „Da denkt man schon mal dran, dass das dein Kind oder dein Enkelkind sein könnte“, gibt Arthur Knutas zu. „Der Junge konnte schwimmen. Es war offenbar ein Unglück.“ Er wisse nicht, wie es ihm ginge, „aber die Ärzte haben versichert, dass er nicht in Lebensgefahr sei“. Auch die Polizei konnte keine Auskunft geben. Nachdem es am Mittwochabend hieß, der Gerettete sei 17 Jahre alt, wurde dies am Tag danach auf 15 korrigiert.
Erfolgreiche Reanimation auf dem Rettungsboot
Die Mutter eines der beiden Elfjährigen stellte sich als Notärztin heraus, schwimmt sofort hinaus und übernimmt noch auf dem Rettungsboot gemeinsam mit Arthur Knutas erfolgreiche Reanimationsversuche.
Mittlerweile ist auch die Mutter bei dem Jungen
„Er hat schnell wieder selbstständig geatmet, war aber bewusstlos“, sagt der 63-Jährige. Kaum an Land, kommen auch die Rettungskräfte von Rotem Kreuz, DLRG, Feuerwehr und Polizei zur Hilfe. Er wird stabilisiert und ins Krankenhaus gebracht. Die Mutter ist mittlerweile an seiner Seite. „Ab dem Zeitpunkt haben wir keinen Einfluss mehr“, so Arthur Knutas. „Wir sind nur für die Ersthilfe da.“

Bereits am Samstag war er bei zwei Rettungen involviert. Ein 88-jähriger Mann und eine 75-jährige Frau mussten ebenfalls reanimiert werden.
„Das ist meine 17. Saison hier in Wallhausen„, sagt er. „Zwölf solcher Fälle waren es insgesamt, nun drei in fünf Tagen. Ich hoffe, dass jetzt nichts mehr passiert.“ Einer seiner Gäste in all den Jahren verstarb später im Krankenhaus. „Das berührt einen schon.“

Arthur Knutas liebt „mein Strandbad„, wie er liebevoll sagt, „und meine Gäste liebe ich ebenfalls. Die Menschen sind vernünftig und hilfsbereit. Sobald etwas ist, sind schnell Helfer da. Ich bin nie alleine“. Eines möchte er noch loswerden: „Ich bin kein Held. Ich habe nur meine Arbeit erledigt.“ Arthur Knutas. Ein beeindruckender Mensch.
Luxus Strandbäder
Aufsichtspersonals ist in den Konstanzer Strandbädern während der Badesaison von Mitte Mai bis Mitte September bei Badewetter täglich anwesend. Die Anwesenheit wird durch das Hissen der Konstanzer Bäderflagge dokumentiert. In den Strandbädern Horn, Litzelstetten, Wallhausen und Dingelsdorf genießen Gäste direkten Seezugang – ohne Eintritt. Ein Luxus für Bürger und Touristen. Jedes Strandbad verfügt über eine Liegewiese, sanitäre Anlagen wie Duschen, Umkleiden und Toiletten stehen zur Verfügung. Für Kinder gibt‘s Spielplätze und Planschbecken. Arthur Knutas sagt, er habe den schönsten Arbeitsplatz von Konstanz.