Immer mehr Menschen wollen ihre letzte Ruhe nicht in einem Sarg auf dem Friedhof finden. "Es gibt ein emotionales Bedürfnis nach Naturverbundenheit", sagt Bürgermeister Karl Langensteiner-Schönborn.
"Die Bestattungskultur hat sich verändert. Von den jährlich rund 720 Sterbefällen in Konstanz wurden bislang rund 145 in auswärtigen Bestattungswäldern beigesetzt, Tendenz steigend."
Auch deshalb wollen Stadt und Mainau im September einen Ruhewald eröffnen
Viele Standorte wurden geprüft, doch letztlich war es eindeutig: "Wir wollten einen Ruhewald nur in Verbindung mit einem bestehenden Friedhof", sagt Herbert Munjak, Leiter der Technischen Betriebe Konstanz.
Die Lage direkt neben dem Litzelstetter Waldfriedhof sei ideal: Dort bieten Toiletten, eine Trauerhalle und eine nahe Bushaltestelle die gewünschte Infrastruktur.
Der junge Laubmischwald sei attraktiv und gut gepflegt. Rund 8,8 Hektar Wald stehen für Bestattungen zur Verfügung, sofern der Gemeinderat zustimmt. Zunächst werden jedoch nur 2,4 Hektar Fläche direkt neben dem Waldfriedhof eingerichtet, die restliche Fläche dient als Reserve.
"Im ersten Schritt kennzeichnen wir 190 Bäume, die über 1000 Ruheplätze bieten", erläutert Theo Straub, Leiter Referat Forst der Mainau.
Zu 90 Prozent besteht der neue Ruhewald aus Buchen, es sind aber auch einige Eichen, Ahornbäume, Birken und Kirschbäume als Ruhebäume wählbar. Es wird Familien- und Gemeinschaftsbäume geben.
Was kostet die Bestattung im Ruhewald?
Die Gebühren im Mainau-Ruhewald richten sich nach Baumart, Standort und Zugänglichkeit. Die Grabnutzungsgebühr gilt jeweils für 30 Jahre, die genannten Preise sind in der mittleren Kategorie 3.
Rund um die Stämme werden die Urnen beigesetzt; Schmuck wie Grabsteine, Blumen oder Kerzen sind nicht erlaubt. Die Grabpflege übernimmt die Natur. "Das Erscheinungsbild des Waldes soll erhalten bleiben", sagt Björn Graf Bernadotte af Wisborg als Geschäftsführer der Mainau GmbH.
Laut Herbert Munjak werden auf dem Hauptfriedhof die Lücken zwischen den Gräbern zunehmend größer, Flächen bleiben frei.
Die Idee, in Konstanz einen Ruhewald einzurichten, gärt deshalb schon seit 2010. Neun Jahre später ist das Konzept endlich spruchreif. Warum die Planungen so lange dauerten, kann Herbert Munjak erklären: "Wir mussten erst mal einen geeigneten Standort finden und dann einige juristische Fragen klären, das war sehr kompliziert."
Unter anderem war zunächst unklar, ob die Stadt einfach die Mainau als Partner anfragen durfte; schließlich gibt es das europäische Wettbewerbsrecht. "Und allein die Frage, ob nach der neuen Datenschutzverordnung überhaupt noch die Namen der Verstorbenen auf Plaketten angebracht werden dürfen, hat uns vier Monate lang beschäftigt", so Munjak.
Markus Zeiler, Gartendirektor der Mainau, ergänzt: "Zwischendurch mussten immer wieder Gremien angehört werden. Außerdem war es schwierig, die Stadt als öffentliche Hand und ein privatwirtschaftlich denkendes Unternehmen zusammenzubringen."
Es mussten Nutzungszeiten festgelegt, Kosten und Gebühren kalkuliert und mit konkurrierenden Anbietern verglichen werden.
Nun sei eine saubere Lösung gefunden: Die Mainau bildet für den Betrieb des Ruhewaldes eigens die Mainau Ruhewald GmbH. Die Stadt wird vertreten durch die Technischen Betriebe (TBK). Beide Seiten haben einen Pachtvertrag bis zum Jahr 2100 unterschrieben, der danach verlängert werden kann.
Auch die Aufgabenverteilung ist klar: Die Ruhewald GmbH richtet die Fläche ein, pflegt die Bäume, berät Interessenten im Wald und übernimmt auch die Beisetzungen. In den Händen der TBK liegen die Verwaltungsaufgaben wie das Führen des Bestattungsregisters und die Gebührenabrechnung.
Karl Langensteiner-Schönborn spricht von einem "kleinen Meilenstein" in der Bestattungskultur. Was hält aber die Kirche davon, dass immer weniger Menschen herkömmlich auf einem Friedhof begraben werden?
Der Konstanzer Dekan Mathias Trennert-Helwig ist da ganz offen: "Die Erzdiözese Freiburg hat gar nichts gegen Ruhewälder, wir arbeiten ja auch schon lange mit der Waldruh St. Katharinen auf dem Bodanrück zusammen."
Kritik übt der Dekan vielmehr am bisherigen Angebot: "Man muss sich schon fragen, warum die Zahl der Bestattungen in der Waldruh explosionsartig zunimmt." Er führt aus: "Dort kostet eine Urnenbeisetzung nur die Hälfte dessen, was man auf dem Hauptfriedhof dafür bezahlt. Die Gebühren auf dem Friedhof sind unverschämt hoch, die Liegezeit unverschämt kurz. In der Waldruh ist außerdem die Kapelle kostenlos nutzbar, anders als auf dem Friedhof."
Trennert-Helwig hat eine eindeutige Meinung: "Die Bestattung ihrer Bürger ist eine hoheitliche Aufgabe einer Stadt, auch für ärmere Menschen. Ein Friedhof kann allein über Gebühren nie kostendeckend arbeiten. Man verlangt von Kindern ja auch keine Gebühr für die Nutzung eines Spielplatzes." Zählen müssten vielmehr Bürgernähe und ein guter Service. Den geplanten Ruhewald in Litzelstetten sieht der Dekan daher als gute Ergänzung des Angebots.
So geht es weiter
Der Konstanzer Gemeinderat entscheidet am Donnerstag, 2. Mai, (ab 16 Uhr, Ratssaal) über die Einrichtung eines Bestattungswaldes in Litzelstetten. Bei einem Ja wird das Gelände anschließend hergerichtet. Im September ist eine Einweihungsfeier für den Ruhewald mit katholischen und evangelischen Pfarrern vorgesehen.