Musterklasse, das hört sich an wie Musterschüler. Tatsächlich geht es auch um Schule, und da will die Gemeinde Gottmadingen alles richtig machen. Der Neubau der Eichendorff-Realschule mit einem Investitionsvolumen von rund 30 Millionen Euro ist über Jahre das größte Projekt der rund 10 000 Einwohner zählenden Gemeinde. Mit dem Projekt soll der Schulstandort aufgewertet werden. Und weil man ja nicht alle paar Jahre ein neues Schulhaus baut, müssen Erfahrungswerte auf andere Weise eingeholt werden. Im Fall von Gottmadingen ist das ein Musterklassenzimmer. Ein Raum also, der vor allen anderen Lernräumen ausgestattet wurde.
Schöner Lernen im lichtdurchfluteten Raum
Während die übrigen Klassenzimmer bisher noch eher im Rohbaustatus verharren, wurden im Kunstraum bereits große Waschbecken und Wandschränke eingebaut. Eine Tür aus Glas und Holz öffnet sich zum Klassenzimmer. Wenn man den Raum betritt, fällt als erstes die Helligkeit auf. Von zwei Seiten strömt Tageslicht herein. Der Blick geht in die freie Landschaft. Die Fensterleibungen und -bänke sind aus robustem Holz gefertigt. Holz ist neben Beton eines der wichtigsten Elemente im gesamten Gebäude. Auch der Fußboden wird aus strapazierfähigem Industrieparkett angefertigt. Im Musterraum fehlt er noch.

Warum es für die Lärmmessung Mobiliar braucht
Warum stehen dann schon stapelweise Stühle und Tische im Raum? Noch dazu Möbel mit Gebrauchsspuren? Bürgermeister Michael Klinger, der sich den SÜDKURIER-Besuch in der Schule nicht entgehen lassen wollte, liefert die Erklärung: „Die Möbel brauchen wir, um die Lärmmessungen zu machen. Schließlich soll herausgefunden werden, wie sich der Schall im künftigen Klassenzimmer entwickelt, also unter nahezu Echtbedingungen.“ Deshalb wurden Tische und Stühle aus der alten Eichendorff-Schule geholt und in den Raum gestellt. Ab Ende Januar hätte in dem Klassenzimmer Unterricht stattfinden sollen, um weitere Erfahrungen aus der Praxis zu sammeln, bevor alle anderen Klassenzimmer ausgestattet werden. Das ist wegen Corona aber nicht möglich. So sind Tische und Stühle die Statisten in dieser Baugeschichte. Nun hofft Klinger, dass der Probebetrieb ab Februar stattfinden kann. „Allein schon deshalb, weil das die Identifikation mit der neuen Schule belebt“, sagt er.

Hochwertige Ausstattung für die Inklusion
Die Lärmmessungen sind nötig, um die Voraussetzungen für die Inklusion zu schaffen. Als inklusive Schule muss die Gemeinde die Voraussetzung dafür schaffen, dass auch Kinder mit Einschränkungen am Unterricht teilnehmen können. Der erhöhte Schallschutz wird für hörgeschädigte Kinder eingebaut. Anhand der Messungen kann die Feinabstimmung für die Raumausstattung stattfinden. Ein Beispiel sind die Schranktüren. „Wir hätten gerne auf die Lochprofile verzichtet und glatte Türen genommen“, sagt Alexander Kopp. „Die wären viel günstiger in der Anschaffung. Die Lochprofile sind eine Spezialanfertigung und dient als Schallschlucker.“
Raffinessen für die modernste Heiz- und Kühltechnik
Solche Elemente werden benötigt, weil die Betonwände und Glasfenster den Schall eher erhöhen. Also müssen Schallschlucker eingebaut werden. Der Sichtbeton wird hingegen als Wärme- und Kältespeicher benötigt. Über eine Deckenlüftung strömt im Winter warme und im Sommer kühle Luft in die Klassenzimmer. Die Wärme funktioniert im Winter als Heizung, die Kühle im Sommer als Klimaanlage. Raffiniert sind die Lamellenfenster zum Innenhof. Sie liefern Frischluft und können über Nacht offen bleiben. Kern des Systems ist eine Erdwärmepumpe.

Schallsegel wie im Konzertsaal
Von der Decke hängen weiße Schallsegel herab, wie man sie aus Konzerthallen kennt. Die Lüftungstechnik ist in einem Koffer aus Gipskarton versteckt. In den übrigen Klassenräumen und den Fluren liegen die Lüftungsrohre zur Zeit noch frei. Unter der Decke sind auch noch die Kabelstränge sichtbar, die für die gesamte Elektrik und Elektronik erforderlich sind.

Digitaltechnik mit drei W-Lan-Netzen
Auf das Digitalisierungskonzept sind Michael Klinger und Alexander Kopp gleichermaßen stolz. Jedes Stockwerk bekommt einen eigenen Server, damit bei Rechnerproblemen nicht alles zusammenbricht. Das gesamte Haus wird mit Glasfaser ausgestattet. Die digitale Tafel in den Klassenzimmern ist selbstverständlich. „Wir werden drei verschiedene W-Lan-Netze haben“, erklärt Klinger. „Eines für die Verwaltung, eines für den Unterricht und eines für Gäste.“ Alle Lehrer würden mit einheitlichen Endgeräten ausgestattet. Das erleichtere die Wartung. Und Klinger ist sich bewusst, dass in fünf bis sieben Jahren die Geräte veraltet sein werden und neue angeschafft werden müssen.
Mit der Baustelle im Zeitplan
Zur Zeit wirkt die Baustelle noch recht ruhig. „Die großen Firmen mit ihren Subunternehmen sind noch nicht am Start“, sagt Dirk Drössel. „Aber die örtlichen Handwerker sind alle hier.“ Wenn alle wieder an Bord sind, werde es trotzdem kein Gedränge geben. Auf einer Fläche von 10.000 Quadratmetern verteile sich das gut. „Aktuell sind wir im Zeitplan“, erklärt Drössel. „Wie es weitergeht, hängt von der Entwicklung der Corona-Pandemie ab.“
Auch für auswärtige Schüler attraktiv
600 Schüler sind für die Schule angemeldet, die voll vierzügig ausgerichtet ist. Jeweils zwei Klassen belegen einen Flügel. „Wir haben einen hohen Anteil auswärtiger Schüler, zum Beispiel aus Hilzingen„, erklärt Michael Klinger. „Die Lehrer freuen sich auf den Unterricht in der neuen Schule. Sie sind begeistert von der Ausstattung und der Raumhöhe.“