Es ist regelmäßig ein glanzvoller Anlass in Gottmadingen: Der Jahresempfang, der in diesem Jahr zum ersten Mal nach der Corona-Pandemie wieder stattgefunden hat. Die herbstliche Veranstaltung bietet den feierlichen Rahmen, um vier Gottmadinger für ihr ehrenamtliches Engagement zu ehren – und für Bürgermeister Michael Klinger war sie in diesem Jahr einmal mehr Anlass, um Klartext zu sprechen.
Die Wahl der Vereinsvertreter für die Ehrungen fiel in geheimer Sitzung auf Andreas Raubold im Bereich Kultur und Sonstiges, auf Peter Löchle im Bereich Soziales und Kirchen sowie auf Peter Czapracki im Bereich Sport. Die Ehrung für das Lebenswerk erhielt Dieter Fleischmann, dessen Name untrennbar mit der Randegger Ottilien-Quelle verbunden ist.
Andreas Raubold: Jahrzehnte für DLRG und Heilsberghexen
Birgit Hug von der Frauengemeinschaft, die die Ehrung auch beantragt hat, hob in ihrer Laudatio auf Andreas Raubold dessen jahrzehntelanges Engagement für die DLRG (Deutsche Lebens-Rettungs-Gesellschaft) hervor. Dieses Jahr sei Raubold seit einem halben Jahrhundert dabei, noch heute versehe er Wachdienste im Höhenfreibad, heißt es in der schriftlichen Fassung ihrer Rede.
Raubolds zweites ehrenamtliches Standbein ist die Fasnacht. 1977 sei er als DLRG-Mitglied daran beteiligt gewesen, die Heilsberghexen vor dem Ende zu retten. Heute ist er dort Beisitzer. Außerdem habe er auch noch jahrelang an Skirennen teilgenommen.
Peter Löchle hilft anderen in der Not
Peter Löchle erhielt die Ehrung im Bereich Soziales und Kirchen – und ist ein passender Kandidat dafür, wie Martina Stockburger aus dem Umfeld des Sozialkreises sagte. Löchle ist laut der Laudatio, die der Redaktion vorliegt, Vorsitzender des Sozialkreises Gottmadingen, der Kirchen und Sozialverbände so verbinde, dass Menschen unbürokratische Hilfe bekommen können, wenn keine andere Hilfe greift, so Stockburger.
Dabei kommt Löchle aus dem Roten Kreuz, dessen Vorsitzender er in Gottmadingen ist. Zugleich ist er Vizepräsident des Landesverbandes Badisches Rotes Kreuz.
Peter Czapracki prägte viele Sportlergenerationen
Thomas Fischer, Vorsitzender des TV Randegg, der die Ehrung im Bereich Sport beantragt hat, hob die Verdienste von Peter Czapracki um den Sport und darüber hinaus hervor. Der Geehrte habe sich besonders um die Kinder- und Jugendabteilungen der Sportvereine, den Kindergarten und die Grundschule in Randegg verdient gemacht.
Zunächst sei Czapracki beim VfB Randegg fußballerisch aktiv gewesen, ab der Neugründung 1995 dann beim TV Randegg. Seit 20 Jahren leite er dort die Abteilung für Kinder- und Jugendleichtathletik und könne auf zahlreiche Erfolge verweisen. Er habe viele Sportlergenerationen geprägt, lautete Fischers Würdigung.

Ex-Geschäftsführer Fleischmann ist prägender Vorreiter
Für sein Lebenswerk wurde Dieter Fleischmann geehrt. Der Name Fleischmann ist in der Region eng mit der Randegger Ottilienquelle verbunden, deren Geschäftsführer Dieter Fleischmann bis 2001 für mehrere Jahrzehnte war. Doch auch heute noch ist er als Seniorchef im Familienunternehmen präsent, das seine Söhne Clemens und Christoph leiten.
Stefan Kienzler, der die Ehrung vorschlug und auch die Laudatio hielt, wies in der schriftlichen Version der Rede auf die ortsbildprägenden Lastwagen des Unternehmens hin. In Sachen Ökologie und Umweltschutz – bis heute ein großes Thema im Unternehmen – sei Fleischmann Vorreiter gewesen.

Auch Kienzler hatte einiges ehrenamtliche Engagement von Fleischmann aufzuzählen: Fünf Jahre im Ortschaftsrat von Randegg, Unterstützung für viele Vereine und Einrichtungen über die Ortsgrenzen hinaus, Mitgründung des Fökuhei (Förderkreis für Kultur und Heimatgeschichte), der ein reichhaltiges Jahresprogramm veranstaltet.
Besonders habe Fleischmann das Schicksal jüdischer Randegger am Herzen gelegen, so Kienzler. Immer wieder habe er Menschen auf den Spuren Randegger Juden durch den Ort geführt, mehrfach publiziert und sei auch im Förderverein Bürgerhaus Gailingen aktiv. „Viele Jahre pflegte er den Kontakt mit den ehemaligen jüdischen Randeggern“, so Kienzler weiter. Im Dezember 2008 habe Fleischmann das Bundesverdienstkreuz bekommen.
Bürgermeister teilt seine Sorgen
Neben dem glanzvollen Anlass der Ehrungen hat Bürgermeister Michael Klinger sein Grußwort für eine politische Positionsbestimmung genutzt. Was der Staat noch leisten soll und kann, lautete seine Ausgangsfrage, er wolle seine Sorgen teilen, so Klinger. Auf Bundes- und Landesebene werde mehr versprochen, als die Kommunen vor Ort einhalten können, so sein Eindruck. Ungelöste gesellschaftliche Probleme würden auf die Gemeinden abgewälzt, heißt es in der Rede, die der Redaktion vorliegt.
So lägen die Ursachen für den Hausarztmangel nicht in der Hoheit der Gemeinden – aber die Gemeinde könne dem Thema nicht ausweichen. Erst kürzlich hat der Gottmadinger Gemeinderat beschlossen, mit Gailingen ein Medizinisches Versorgungszentrum zu gründen, um die Versorgung zu sichern.

Ähnlich verhalte es sich mit der Kinderbetreuung. Zum gesetzlichen Anspruch auf einen Kindergartenplatz komme demnächst der Rechtsanspruch auf Ganztagsbetreuung im Grundschulalter: „Umgesetzt muss es ja dann vor Ort werden mit denselben pädagogischen Fachkräften, die wir im Kindergartenbereich eh schon nicht haben.“
Staat soll viel, kann aber nicht alles
Gebäudeenergiegesetz, Unterbringung von Asylbewerbern, Bürokratie: Überall klaffen Anforderungen und Möglichkeiten in Klingers Augen weit auseinander. Der Staat, der das alles leisten sollte, aber nicht mehr kann, das seien alle Bürger, so Klinger. Dazu komme ein spürbarer Personalmangel, der zum Hemmschuh in den Verwaltungen werde.
Und der Bürgermeister nahm Rückgriff auf SÜDKURIER-Chefredakteur Stefan Lutz, der um die Jahreswende das um sich greifende Mittelmaß in Deutschland – und die Zufriedenheit damit – auf den Punkt brachte und die Frage nach dem Leistungswillen der Gesellschaft aufwarf.
Entscheidend sei nach dieser Zustandsbeschreibung nun, welche Schlüsse man daraus ziehe, sagte Klinger nach der Veranstaltung. Denn er sieht auch eine Chance in dieser Fehlentwicklung, nämlich dass man diese als Weckruf verstehe: „Wir müssen radikal umdenken.“ Nach dem Jahresempfang berichtet er: „Selten habe ich so viel positive Resonanz für Klartext erfahren.“