Gerade ist es so günstig wie selten, eine Photovoltaikanlage auf dem eigenen Dach anbringen zu lassen. Dafür sorgen besonders billige PV-Module aus China. Entsprechend viele Menschen wollen die Sonnenenergie für sich arbeiten lassen. Der selbst produzierte Strom kann im eigenen Haus verbraucht werden und spart so Stromkosten. Das Problem dabei aber aktuell in Engen: Verkaufen können die Besitzer neuer PV-Anlagen ihren Strom gerade nicht. Denn im lokalen Stromnetz ist die Kapazitätsgrenze erreicht.
Ein Zustand, den die Stadtwerke Engen in den kommenden drei Jahren mit massiven Investitionen von sieben Millionen Euro in das Stromnetz beheben wollen, wie Stadtwerke-Chef Thomas Freund auf SÜDKURIER-Anfrage schildert. Er erklärt, dass das Stromnetz in Engen aus zwei Ebenen bestehe. Da sei einmal das übergeordnete Mittelspannungsnetz und auf der anderen Seite das Niederspannungsnetz, das den erzeugten PV-Strom in das Mittelspannungsnetz weitergebe.
Besitzer von neuen PV-Anlagen müssen sich noch gedulden
„Unsere Planung sieht vor, in einem ersten Schritt das Mittelspannungsnetz durchlässiger zu machen, damit der eingespeiste Strom aus dem Engener Netz in Richtung Umspannwerk am Autobahnkreuz Hegau besser abgeleitet werden kann“, erläutert Freund. Dafür müssten in der Engener Schützenstraße und an der Lindenstraße in Neuhausen jeweils neue Schalthäuser gebaut werden, so Freund. „Diese Maßnahmen planen wir im Frühjahr 2026 abzuschließen, sodass ab dem Sommer 2026 das Netz mehr Photovoltaikstrom aufnehmen kann“, kündigt Freund an.
Parallel dazu brauche es neue Trafostationen in Engen, die die Mittelspannung auf Niederspannung für die Haushalte umwandeln. Allein in diesem Jahr hätten die Stadtwerke fünf zusätzliche Trafostationen aufgebaut. Dass das ein drängendes Thema in Engen ist, verdeutlichte nicht zuletzt CDU-Stadtrat Bernhard Maier, der sich in der jüngsten Ratssitzung danach erkundigte, wann die Engener wieder Strom einspeisen könnten. Im Moment werden neue Anlagen schlicht gedrosselt, sobald Strom nicht selbst verbraucht wird.
Bis der Ausbau fertig ist, kann es zu Engpässen kommen
„Die größte Herausforderung ist jedoch, das Niederspannungskabelnetz fit zu machen“, weiß Freund. Denn hierfür müssten neue Kabel im Bereich der Gehwege und zum Teil auch bis in die Häuser hinein verlegt werden. Das bedeutet viele Baustellen. Die Umstellung auf strombetriebene Wärmepumpen und E-Mobilität könnte den Ausbau zudem zeitlich überholen, sodass es immer wieder zu Engpässen kommen könnte, ist sich Freund im Klaren.
Die vergangenen gut zweieinhalb Jahre seit der Energiekrise in Folge des Ukraine-Kriegs steckten auch für die Engener Stadtwerke voller Herausforderungen, wie Freund zuletzt auch im Gemeinderat darstellte. Gerade erst wurde hier der Geschäftsbericht für das Jahr 2022 präsentiert. Deutlich später als gewohnt. Das liege an der Gas- und Strompreisbremse, so Freund. Die Abrechnungssoftware habe die Regeln der Preisbremse nicht gekannt und habe erst entsprechend programmiert werden müssen. So kommt es, dass bereits im Januar der nächste Geschäftsbericht, dieses Mal für 2023, vorgestellt werden soll.
Wegen der Energiekrise hätten auch die Stadtwerke Engen Strom sehr teuer einkaufen müssen. „Unsere Kunden konnten sich jedoch auf ihre Stadtwerke und stabile niedrige Strom- und Gaspreise in den Jahren 2021 und 2022 verlassen“, betont Freund. Erst 2023 habe man die Preise anpassen müssen. Jetzt hätten sich die Energiepreise wieder auf niedrigerem Niveau eingependelt.
Preise bleiben noch eine Weile auf höherem Niveau
„Stromdiscounter, die ihre Kunden einst verstoßen hatten, als nichts mehr zu verdienen war, gehen wieder auf Kundenfang“, so Freund. Die Stadtwerke hingegen könnten ihre Energiepreise aufgrund der hohen zurückliegenden Einkaufspreise nur schrittweise zurücknehmen. Die Preise müssten moderat bleiben, aber gleichzeitig müsse dringend weiter ins Netz investiert werden.
Um in den Netzausbau sowie die Wasserversorgung investieren zu können, haben der Gemeinderat und die Aufsichtsratsmitglieder beschlossen, den erwirtschafteten Überschuss von 441.000 Euro in 2022 nicht an die Stadt auszuschütten.