Auf dem Tisch liegen Bastelpapier, Scheren und Buntstifte, daneben fast fertige Martinslaternen. Dazwischen Snackdosen mit klein geschnittenem Obst, Brezelstückchen und bunte Flaschen mit Trinkhalmen. Auf der kleinen Bühne, vor der Figur des Kater Miau, sitzen zwei kleine Jungs und puzzeln. Das Stüble der Villinger Katzenmusik ist an diesem Vormittag in Kinderhand.

So wie seit Kurzem an jedem Donnerstag: Eine lose Gruppe von Eltern trifft sich seit Ende Juli regelmäßig. Sie alle eint ein Schicksal: Ihre Kinder sind bei der Platzvergabe für Krippen- und Kindergartenplätze leer ausgegangen.

Sabine Albert ist Lehrerin in Elternzeit. Weil ihr Sohn Tim keinen Kindergartenplatz bekommen hat, ist sie selbst aktiv geworden.
Sabine Albert ist Lehrerin in Elternzeit. Weil ihr Sohn Tim keinen Kindergartenplatz bekommen hat, ist sie selbst aktiv geworden. | Bild: Nathalie Göbel

Schon 15 Kinder dabei

Die Idee dazu stammt von Sabine Albert, Lehrerin in Elternzeit und Mutter von zwei Söhnen. Ihr großer Sohn, der dreieinhalb Jahre alte Tim, sollte eigentlich seit September in den Kindergarten gehen – wenn er denn einen Platz bekommen hätte.

15 Kinder und ein Elternteil – meist die Mütter – sind es, die sich mittlerweile drei Mal pro Woche treffen. Montags ist Waldtag. „Hier treffen wir uns meistens am Walkebuck“, schildert Ramona Jäger, die mit ihrem Sohn Jannik von Anfang an an den Treffen teilnimmt.

Waldtag, Sporttag, Basteltag

Mittwoch ist Sporttag in der Kinder-Kletterhalle des Upjoy, wo die Gruppe einen vergünstigten Tarif bekommen hat. Donnerstags ist das Stüble „Zur hoorige Katz“ der Villinger Katzenmusik der Treffpunkt.

Jessica Scherzinger und ihre zweijährige Tochter Marilou. Die 32-Jährige ist froh, dass sie ihren Töchtern mit den Treffen der losen ...
Jessica Scherzinger und ihre zweijährige Tochter Marilou. Die 32-Jährige ist froh, dass sie ihren Töchtern mit den Treffen der losen Gruppe regelmäßig Kontakt mit anderen Kindern ermöglichen kann. Die Familie ist erst vor Kurzem nach Villingen gezogen. | Bild: Nathalie Göbel

Das ist kein Zufall: Stüble-Wirtin Ilona Quandt ist Ramona Jägers Mutter. „Als ich im Vorstand von der Elterninitiative erzählt habe, gab es sofort von allen grünes Licht“, sagt sie. „Vormittags ist hier ja ohnehin kein Betrieb und genug Platz haben wir.“

„Im Grunde verbietet man den Kindern ihr Sozialleben.“
Ramona Jäger, Mutter von zwei Kindern

Dass Jannik bei der Platzvergabe leer ausgegangen ist, ärgert nicht nur seine Oma, sondern vor allem seine Mutter Ramona, die im Moment mit der jüngeren Tochter in Elternzeit ist. „Im Grunde verbietet man den Kindern ihr soziales Leben“, sagt sie. Und fügt sarkastisch hinzu: „Aber ich bin ja zu Hause.“ Jannik habe seit Geburt auf der Warteliste gestanden – und dann das.

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Da sei die Idee von Sabine Albert gerade richtig gekommen. „Zwei Tage, bevor ich den Bericht gelesen habe, habe ich noch zu meinem Mann gesagt: Wo sind denn eigentlich all die anderen Mütter, die keinen Platz bekommen haben?“

St. Martin auf dem Steckenpferd

Hier sind sie – im Stüble der Katzenmusik. An diesem Morgen entstehen hier Martinslaternen. „Wir planen natürlich auch einen kleinen Umzug zu St. Martin“, sagt Sabine Albert. Die Kinder laufen schon einmal Probe: Vorneweg die dreijährige Amelie mit einem Steckenpferd, dahinter Jannik, Laura und Tim.

Laterne, Laterne: Die von Sabine Albert initiierte Gruppe plant einen eigenen Laternenumzug zu St. Martin. Rund 15 Kinder und ihre ...
Laterne, Laterne: Die von Sabine Albert initiierte Gruppe plant einen eigenen Laternenumzug zu St. Martin. Rund 15 Kinder und ihre Eltern treffen sich seit Sommer regelmäßig. | Bild: Nathalie Göbel

Anmeldung vor eineinhalb Jahren

Amelie, ihre zweijährige Schwester Marilou und Mutter Jessica Scherzinger sind von Anfang an mit dabei. Im März ist die Familie aus Vöhrenbach nach Villingen gezogen. „Wir haben vor eineinhalb Jahren ein Haus hier gekauft und die Kinder damals schon direkt angemeldet“, sagt Jessica Scherzinger.

Relativ schnell habe sie mitbekommen, dass es mit der Platzvergabe wohl schwierig werden könnte. „Bei der Anmeldung hätte ich nicht gedacht, dass das so ein Problem wird“, sagt die 32-Jährige, die gerade ihr drittes Kind erwartet. Sie macht sich aufgrund der bevorstehenden erneuten Elternzeit keine großen Hoffnungen auf einen baldigen Kitaplatz für Amelie.

Ein Gehalt reicht oft nicht aus

„Und selbst wenn ich aktuell nicht schwanger wäre und arbeiten wollte, könnte ich ja gar nicht, weil wir keine Betreuung haben“, ärgert sie sich. „Viele Familien können es sich doch gar nicht erlauben, von nur einem Gehalt zu leben.“ Zumal längst nicht jede Familie Großeltern vor Ort habe, die mal hier, mal da einspringen können.

Mila Hübler ist aus Stuttgart nach VS gezogen. „Ich hätte gedacht, dass es im ländlichen Raum nicht so schwierig ist, einen ...
Mila Hübler ist aus Stuttgart nach VS gezogen. „Ich hätte gedacht, dass es im ländlichen Raum nicht so schwierig ist, einen Kitaplatz zu bekommen“, sagt sie. | Bild: Nathalie Göbel

Ein Problem, das auch Mila Hübler kennt. Sie ist aus Stuttgart nach Villingen gezogen, weil ihr Partner hier lebt. Ihre Söhne Tim und Kai sind dreieinhalb und knapp ein Jahr alt. „Ich dachte, im ländlichen Raum ist es eher besser, was Kitaplätze angeht“, sagt die Betriebswirtin.

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„Sie sind doch zu Hause, hat man mir auf Nachfrage gesagt“, berichtet sie über ihre Erfahrungen mit der Platzvergabe. Sie wünscht sich jedoch für Tim Kontakt zu Gleichaltrigen und will auch wieder in ihren Beruf zurückkehren. Nur: Ohne Kitaplatz und ohne Familie vor Ort ist das nicht machbar.