Die Vorlage der Stadtverwaltung für den Jugendhilfeausschuss des Gemeinderats birgt Sprengstoff: Trotz der Schaffung neuer Gruppen oder sogar neuer Einrichtungen bleibt die Lage vor allem im Bereich der Plätze für Kinder unter drei Jahren (U3) angespannt.

Die bittere Prognose: Für 2023 fehlen in der Doppelstadt mit den Ortschaften 531 dieser Plätze. Mit 233 fehlenden Plätzen ist die Lage in Schwenningen besonders angespannt. Nimmt man die Kapazitäten in Tagespflegeeinrichtungen dazu, reduziert sich das Defizit auf 272 im Bereich U3. In Schwenningen alleine wären es dann 136.

Für Kinder über drei Jahren fehlen dieses Jahr 219 Plätze. Immerhin: Ab den Folgejahren stehen sogar mehr Plätze zur Verfügung als benötigt. Insgesamt fehlen dieses Jahr dann 750 Plätze ohne die Tagespflegeeinrichtungen.

Das Thema wird in der Sitzung des Jugendhilfeausschusses am Donnerstag vorgestellt und diskutiert.

Das sagt Oberbürgermeister Jürgen Roth zu den fehlenden Kita-Plätzen. 

Bei den U3-Plätzen müsse berücksichtigt werden, so schreibt es die Verwaltung in der Vorlage, dass Kinder, die eine Beeinträchtigung oder Behinderung haben, zwei Kita-Plätze beanspruchen, sodass die Überhangplätze schnell belegt sind.

Für SPD-Stadtrat Nicola Schurr, der seine Fraktion im Jugendhilfeausschuss vertritt, stellt sich noch ein ganz anderes Problem: „Auch bei der Stadt herrscht ja Personalmangel, einige Gruppen können ja gar nicht betrieben werden, weil so viele Erzieherinnen fehlen.“

Er will auf jeden Fall in der Sitzung nachhaken, wie viele Gruppen betroffen sind und wo nicht mehr in der gewohnten Weise Kinder betreut werden können. „Auf jeden Fall fehlen wirklich viele Plätze und das ist absolut bitter für die Eltern“, so Schurr.

Zähes Warten auf Kita-Förderrichtlinien

Alfred Zahn vom Kinderschutzbund fragt sich, warum es noch immer keine neuen Kita-Förderrichtlinien gibt. Das ist die Basis für Verträge mit freien Trägern. Hier wollte die Stadt die unterschiedlichen Rahmenbedingungen, die es in der Vergangenheit gegeben hat, angleichen.

Wie Zahn berichtet, gab es beispielsweise Einrichtungen, bei denen die Stadt 90 Prozent des Abmangels übernommen hat, bei anderen waren es 100 Prozent.

Bei den neuen Förderrichtlinien sei soweit alles vorbereitet: „Ich verstehe nicht, warum hier nichts vorangeht“, so Zahn. Ohne diese Richtlinien kann die Stadt auch nicht mit freien Trägern über den Ausbau weiterer Gruppen verhandeln.

Das Problem des Personalmangels sieht Zahn auch als „drängend“ an. Eine Idee könnte sein, kleine Träger finanziell zu unterstützen, wenn sie einen Studenten beschäftigen, der dual studiert.

Dabei hat die Stadt für die kommenden Jahre zahlreiche Projekte und Vorhaben angestoßen oder zum Teil auch schon beschlossen:

Diese Vorhaben stehen bereits in der Bedarfsplanung:

Das größte Vorhaben in Villingen ist der neue Betriebskindergarten Oberer Brühl auf dem ehemaligen Kasernengelände Mangin. Durch eine Kernsanierung des Kompaniegebäudes sollen hier vier Gruppen entstehen, die Hälfte der Plätze soll für Kindern von städtischen Angestellten reserviert sein.

In Schwenningen plant die Stadt für den Bereich Innenstadt einen Neubau in der Bürkstraße mit fünf Gruppen in städtischer Trägerschaft, da ein Teil der Plätze für Kinder von Stadtangestellten vorgehalten werden soll. Mit diesem Neubau wolle man die 50 Plätze auffangen, die durch die Aufgabe der Wilhelmspflege wegfallen. Diese Kita wird aufgrund des baufälligen Gebäudes geschlossen.

Die Helene-Mauthe-Kita erhält durch einen Neubau als Außenstelle vier neue Gruppen.

Die Arbeiterwohlfahrt baut in der Möglingsstraße eine sechsgruppige Kindertagesstätte mit heilpädagogischem Schwerpunkt. Die Einrichtung soll im September 2023 eröffnet werden.

Die Kindertageseinrichtung Oberlin wird durch Sanierung und Container um drei Gruppen erweitert.

In den Ortschaften

In Pfaffenweiler wird durch einen Anbau Platz für drei weitere Gruppen geschaffen, im Moment sind hier vier Gruppen untergebracht.

In Mühlhausen soll durch eine Erweiterung im Bestandsgebäude Platz geschaffen werden für eine weitere altersgemische Gruppe. Hier gäbe es dann zwei solcher Gruppen.

Diese Plätze fehlen in der Bedarfsplanung

Für den Paulus-Kindergarten in der Waldhauser Straße in Villingen hat die Evangelische Kirchengemeinde angeboten, zu den bestehenden vier Gruppen eine weitere schaffen zu können.

Im Markuskindergarten in Villingen könnten weitere 18 Plätze für Kinder über drei Jahren entstehen durch die Nutzung des Gemeindesaals.

Seit 2018 soll die Kita Schwalbenhaag in Villingen um mehrere Gruppen erweitert werden, angedacht waren hier ein Neubau oder Container. Hier müsse erst ein politischer Beschluss gefasst werden.

Nicht mehr zeitgemäß: das Pfarrhaus (vorne) und der Kindergarten St. Franziskus weichen bald dem neuen Haus der Katholischen Kirche in ...
Nicht mehr zeitgemäß: das Pfarrhaus (vorne) und der Kindergarten St. Franziskus weichen bald dem neuen Haus der Katholischen Kirche in Schwenningen. Der Kindergarten wird ersatzlos aufgegeben und es fehlen fast 60 Plätze. | Bild: Ina Klietz

Das Ende des Kindergartens St. Franziskus in Schwenningen ist ein herber Schlag: Die Kirchengemeinde hat der Stadt im September 2022 mitgeteilt, dass die Kita im Sommer 2025 ersatzlos aufgegeben werden müsse, hier geht es um immerhin drei Gruppen. Die Gemeinde prüfe derzeit sogar, ob der Betrieb bereits im Sommer 2024 eingestellt werden müsse – bis dahin ist die Stadt darauf angewiesen, das der Kindergarten weitergeführt wird.

Der Kindergarten Paulus im Neckarstadtteil soll durch einen Neubau erweitert werden, allerdings muss mit der Kirche noch verhandelt werden, ob dieses Projekt umgesetzt wird. So sind die Plätze auch nicht in die Bedarfsplanung aufgenommen.

Die Freie Christliche Schule VS hat ihre Pläne auf Eis gelegt, einen Kindergarten mit drei Gruppen in der Eichendorffstraße zu bauen, diese Plätze waren vorgesehen und entfallen jetzt.

In Weilersbach

Die Kirchengemeinde möchte eine provisorische Ü3 Gruppe, die im Bewegungsraum untergebracht ist, erweitern. So könnte eine altersgemische Gruppe mit 22 Kindern entstehen, dazu wäre aber eine Erweiterung der Räumlichkeiten notwendig. Hier müsse man die noch nicht beschlossenen Förderrichtlinien abwarten und dann mit der Kirche verhandeln.