„Die Menschen, die zu uns kommen, sind oft an der Grenze ihrer Kräfte“, sagt Natalia Leva. Sie ist die eigentliche Mutter des Café „Malve“ – so heißt die Begegnungsplattform, die die evangelische Kirchengemeinde Villingen speziell für Geflüchtete aus der Ukraine geschaffen hat.
Für Natalia Leva war diese Notwendigkeit, den erschöpften Betroffenen zu helfen, der Anlass, den evangelischen Dekan Wolfgang Rüter-Ebel zu kontaktieren. „Darum bin ich auf Herrn Rüter-Ebel, den ich seit vielen Jahren von verschiedenen Integrationsprojekten her kenne, zugegangen und habe vorgeschlagen, etwas zu tun.“ Am wichtigsten sei es, Menschen zu helfen, die vor Ort sind. Das, ist sich Leva sicher, sei oft effektiver als etwas für Leute zu tun, die Hunderte von Kilometern entfernt sind.

„Dass ein Treffpunkt für Geflüchtete geschaffen werden muss, ein sozialer Raum, wo man sich begegnen kann, auch einfach mal nur auf einen Kaffee, das war uns allen klar. Das Café ,Malve‘ ist das Ergebnis und wir sehen, dass es funktioniert. Das freut uns“, sagt Dekan Rüter-Ebel. Gemeinsam mit anderen Helfern ist er Mitbegründer und Organisator des Cafés.
„Früher wusste man in Deutschland oft gar nicht wer, russisch und wer ukrainisch ist. Das hat erst jetzt wirklich eine Bedeutung bekommen. Hier helfen beide Nationalitäten mit, um sich zu verständigen, es ist kein Problem bei uns“, fährt Rüter-Ebel fort.
„Man kann gezielt helfen und weiß dann, was die Menschen benötigen. Wir haben uns getroffen und überlegt, wie so eine Hilfe aussehen könnte. So haben wir das Café ,Malve‘ entwickelt“, sagt Natalia Leva weiter.
Wichtig für die Kommunikation seien Russisch sprechende Menschen. Zwar seien einzelne Begriffe im Russischen und Ukrainischen unterschiedlich, die Wurzeln der Sprache seien aber gleich.
An einem schwarzen Brett gibt es allerlei Gesuche und Angebote. Geflüchtete und Einheimische können dort gezielte Hilfe anbieten und erbeten. Das sowie das gesamte Konzept scheinen aufzugehen. Die Anwesenden wirken ausgelassen und entspannt. Kinder spielen und malen an einem gesonderten Tisch, eine junge Geflüchtete spielt auf einem E-Piano. Ein bisschen Normalität im Wahnsinn des Krieges.

Auch Nasia Bilinska ist im Café. Sie ist seit drei Wochen in Villingen. Die Westukrainerin hat drei Semester Deutsch studiert und unterstützt das Team der „Malve“ seit Beginn als Dolmetscherin.
„Zuerst war ich mit meiner Mutter und ihrer Schwägerin in Polen, die beiden wollten dann unbedingt wieder nach Hause. Ich wollte anderen Menschen helfen, die flüchten müssen und die Sprache nicht beherrschen, darum habe ich mich entschlossen nach Deutschland zu kommen. Nur herumsitzen, das kann ich einfach nicht“, sagt sie.
Vor Jahren schon in Rottweil
Bilinska war vor einigen Jahren bereits als Au Pair in Rottweil und hat dank ihrer sehr guten Sprachkenntnisse schon Arbeit an einer Schule gefunden. Sie bildet eine wichtige Anlaufstelle, einen Knotenpunkt zwischen den Geflüchteten und den deutschsprachigen Helfern der Malve.
Auch sie selbst hat in jüngster Zeit viel erlebt: „Viele Menschen in Deutschland verstehen nicht, was es bedeutet, plötzlich Flüchtling zu sein, von jetzt auf gleich keine Heimat mehr zu haben. Wir Ukrainer haben das bis vor wenigen Wochen auch nicht gewusst.“
Das gewohnte Leben ist einfach zerstört
Und sie erzählt weiter: „Mein Mann ist gerade in Militärausbildung. Schon bald ist er im Einsatz, ich werde von da an keinen Kontakt mehr zu ihm haben können und nicht wissen, wie es ihm geht. Du wachst eines Morgens auf, willst zur Arbeit gehen und hörst, dass Krieg ist. Dein Leben ist einfach zerstört.“
Bilinska versucht weiterzumachen, stark zu sein, doch sie gesteht: „Auch wenn wir hier alle glücklich aussehen und auch mal lachen, heißt das nicht, dass wir nicht leiden. Unser Herz brennt, das muss man verstehen. Ich schätze die Hilfsbereitschaft der Deutschen sehr. Die Menschen hier leiden mit uns“.
Eine Einheimische, die hilft, ist Eva Willkomm. Sie ist am vergangenen Montag zum ersten Mal im Café „Malve“ – und hat eine besondere Idee mitgebracht: „Ich möchte gerne den Menschen helfen, die Geflüchtete bei sich aufnehmen. Da ich im Bereich Konfliktbearbeitung ausgebildet bin und mich für das Thema gewaltfreie Konfliktkultur einsetze, würde ich gerne einen Stammtisch organisieren. Der soll sich mit den ganz alltäglichen Problemen, die diese Umstände mit sich bringen, auseinandersetzen und letztlich Hilfestellungen bieten“.

Auf diese Weise könne auch den Menschen zur Seite gestanden werden, die sich selbstlos für Geflüchtete einsetzen und ihnen ein Dach über dem Kopf bieten. „Ich habe von einigen Fällen gehört, wo es Probleme gab. Manche Geflüchteten empfanden ihre Gastfamilie als zu fordernd oder es gab kulturell bedingte Missverständnisse. Hier möchte ich helfen und ein Forum bieten. Und wo könnte man das in Villingen besser tun als im Café Malve?“, sagt Eva Willkomm.