Schulleiter hatte er eigentlich nie werden wollen, sagt Matthias Reuther, 62 Jahre alt, in seinem Schulleiterbüro im ersten Stock des Romäus-Gymnasiums. Auch heute unterrichtet er noch eine Klasse in Mathematik. "Den Kontakt zu halten ist wichtig." Gut vier Wochen hat er noch. Dann wird Reuther offiziell in den Ruhestand verabschiedet. Er hat seine Entscheidung für die Schulleitung nie bereut.
Auf dem Fensterbrett in seinem Büro steht ein Megafon. Die veraltete Lautsprecheranlage hat vor ein paar Tagen endgültigen ihren Geist aufgegeben. "Durchsagen machen wir zur Zeit eben nur so", sagt er und zeigt Richtung Fensterbrett. Pragmatismus, mitunter eine der wichtigsten Eigenschaften für einen Schulleiter. Die gute Nachricht: Die Module für die neue Lautsprecheranlage sind bereits geliefert. Im Januar wird sie installiert.
Herausforderungen ist er gewohnt. Die hatte er schon bei seinem Start vor vier Jahren, als er, nach der unrühmlichen Versetzung seines Vorgängers, an eine Schule kommt, deren Leiterstelle seit einem Jahr unbesetzt war. Er wusste, dass es eine Herausforderung wird. Er packt es an und das Schulteam hilft ihm dabei. "Ich wurde hier ganz warm aufgenommen", sagt er. "Die Zusammenarbeit war völlig loyal."
720 Schüler, 70 Lehrer, 17 Referendare – dazwischen Hausmeister, Sekretärinnen und einer, der alles im Blick behält. Alle, sagt Reuther, sind mit Herzblut bei der Sache. "Ich find's ne tolle Schule", sagt er. Zwischen 6.45 Uhr und 7.30 Uhr beginnt sein Arbeitstag. Er endet meist um fünf, in der Hand hat er dann eine Tasche mit den Sachen, die noch länger brauchen. Bewertungen von Kollegen, Texte, Schreiben vom Kultusministerium. "Von einer 40 Stunden Woche kann man nur träumen." Sie haben eine Teamstruktur entwickelt, von der er sich wünschen würde, dass sie auch unter seinem Nachfolger Bestand hat. Ein Beispiel: "Ich finde es toll, wie hier neue Referendare von den Lehrerkollegen aufgenommen werden. Das ist nicht unbedingt selbstverständlich." Außerdem wurde die ehemalige Sporthalle umgebaut, ein Sportprofil ab der 8. Klasse und die Berufsorientierung etabliert, ebenso die bewegungsorientierte Schule, sie haben das Feedback der Kollegen untereinander verbessert, mehrere Fachräume neu ausgestattet und eingerichtet. Offene Baustellen gibt es noch einige. Die Aula beispielsweise. Aber, sagt Reuther, man muss auch realistisch sein, was Schule schaffen kann. Realist, Pragmatiker und, müsste er sich selbst als Lehrer beschreiben: "Ich denke, dass ich konsequent bin, und ich versuche, gerecht zu sein. Nichts sei schlimmer, als wenn die Schüler das Gefühl haben, ein Lehrer sei ungerecht zu ihnen."
Seinen letzten Arbeitstag hat Reuther am 31. Januar. Läuft alles nach Plan, wird die Stelle am 1. Februar neu besetzt. "Wenn Bedarf ist, bin ich jederzeit ansprechbar." Wiederkommen wird er so oder so. Wenn die Theater-AG ihr Stück aufführt zum Beispiel.
Die ersten Wochen im Ruhestand wird er skifahrend verbringen, im Sommer wird er wieder mehr Tennisspielen. Der Sport, sagt er, ist in den vergangenen Jahren zu kurz gekommen. Er wird das Arbeitszimmer aufräumen, sich mehr um die Enkelkinder kümmern und mehr reisen. Ob er die Arbeit vermissen wird? "Eine wirklich schwierige Frage", sagt er. Die Arbeit mit den Menschen, die wird ihm wohl fehlen, sagt er nach einer kurzen Pause. Die Schüler durchs Abitur begleiten, die neuen Fünftklässler begrüßen, am anderen Ende die Abiturzeugnisse vergeben und sogar die Konferenzen. "Nicht vermissen werde ich die immer neuen Schreiben vom Regierungs- oder Kultusministerium."
Zur Person
Matthias Reuther (62) ist in Nürnberg geboren und hat in Darmstadt Mathematik und Sport studiert. Nach seinem Referendariat gibt es plötzlich keine Lehrerstellen, Reuther wechselt kurzerhand für ein Jahr in die Industrie, wird Exportleiter einer Bürositzmöbel-Firma in Frankfurt, bevor er schließlich Lehrer an einer Gesamtschule in Dortmund wird. Im Rahmen des Ländertauschverfahrens lässt er sich an das Aufbaugymnasium in Rottweil versetzten. Das wird 1994 zugunsten des Aufbaugymnasiums in Lahr aufgegeben, Reuther geht nach Spanien. Acht Jahre ist er stellvertretender Schulleiter an der Deutschen Schule in Madrid. 2002 geht er ans Otto-Hahn-Gymnasium in Furtwangen, danach noch acht Jahre an die Deutsche Schule in Valencia. 2014 wird er Schulleiter am Gymnasium am Romäusring in Villingen. (ang)