Wer Regina Hiekisch zuhause besucht, hat das Gefühl, eine Ausstellung zu betreten. Malereien an den Wänden, Skulpturen im Regal, Kunstbücher, die sich stapeln. Wobei wir schon beim Thema wären: Die Kunst. Denn das ist Hiekischs Leben und ihre Leidenschaft. Darüber zu sprechen bringt ihre blauen, wachen Augen zum Leuchten.

Schon der Eingangsbereich des Hauses ist ein Blickfang. Die Glastür hat Hiekisch selbst entworfen – sich Farbgebung und Komposition des Kunstglases überlegt. „Morgens beim Kaffee“, erzählt die 86-Jährige, „fällt das farbige Licht bis auf den Küchentisch.“

Die Eingangstür von Regina Hiekisch.
Die Eingangstür von Regina Hiekisch. | Bild: Hanna Mayer

Zu jedem ihrer Kunstschätze im Haus könnte sie etwas erzählen und sich in ihrer Begeisterung verlieren. Die Kunst ist schließlich das, was sie antreibt und ihren Lebensweg bestimmt hat. „Meinen Stift und meinen Füller hab ich immer mit dabei“, erzählt Hiekisch und schmunzelt. Fast 30 Jahre lang ist Hiekisch schon pensioniert. Doch auch in ihrem Ruhestand ist es für sie keine Option, ihre Malutensilien aus der Hand zu legen. Nicht nur das – auch bei Ausstellungen taucht ihr Name immer wieder auf.

„Engel – oder kann das weg?“

Zuletzt im Regierungspräsidium Karlsruhe, wo derzeit eine Ausstellung zum Thema „Engel – oder kann das weg?“ läuft. Eine Ausstellung, konzipiert von der Gemeinschaft Christlicher Künstler Erzdiözese Freiburg und des Kunstvereins der Diözese Rottenburg-Stuttgart. Unter den 42 Kunstwerken ist auch ein Bronzerelief von Regina Hiekisch.

Das Bronze-Relief, das im Karlsruher Regierungspräsidium ausgestellt ist.
Das Bronze-Relief, das im Karlsruher Regierungspräsidium ausgestellt ist. | Bild: Hanna Mayer

Im Vordergrund des Reliefs ist ein Engel von hinten zu sehen, dessen Zeigefinger nach oben ragt. Drei Frauen schauen auf ihn – die trauernden Frauen am Ostermorgen, die der Verkündigung des Engels lauschen. „Weltweit steht jeder Mensch einmal vor dieser Frage des Todes und des kommenden Lebens“ – das ist für Hiekisch die Aussage, die hinter dem Werk steckt.

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Die Kunst ist ihr Lebensbegleiter

Blickt Hiekisch auf ihren bisherigen Lebensweg zurück, blickt sie gleichzeitig auf die Kunst, die sie ihr Leben lang begleitet hat. „Ich musste viel Repression ertragen“, erzählt Hiekisch mit Tränen in den Augen. Sie denkt dabei an ihre Zeit in der DDR. Daran, dass sie 1953 von der Hochschule für Grafik und Buchkunst in Leipzig verwiesen worden ist. „Ein Hausverweis. Ich stand im dritten Semester auf der Straße“, erzählt sie. Eigentlich hatte sie vorgehabt, in der freien Kunst tätig zu sein, doch nach dem Rauswurf studierte sie Kunsterziehung an der Universität Leipzig. Die erste Klasse, die sie selbst unterrichtete, war etwas Besonderes: „Ich war mit den Schülern campen, wir haben tolle Sachen gemacht. Das war ungewöhnlich damals.“ So ungewöhnlich, dass Hiekisch bis heute Kontakt zu ihren Schülern von damals hat, die 1960 das Abitur gemacht haben. „Wir treffen uns jedes Jahr.“

Eine zwei Meter große Malerei im Wohnzimmer der Künstlerin.
Eine zwei Meter große Malerei im Wohnzimmer der Künstlerin. | Bild: Hanna Mayer

Neustart im Westen

1961 heiratete Hiekisch. „Von der Hochzeitsreise sind wir nie wieder zurückgekehrt“, sagt sie. Das frisch verheiratete Paar hatte ein Visum für Österreich bekommen – „ein Wunder von Visum“ wie es Hiekisch heute nennt. Österreich war für die beiden „ein Paradies auf Erden“. Hiekisch erinnert sich an „Schnee im Sommer, die Berge, der blaue Himmel“. In Österreich erfahren sie von den Plänen zum Mauerbau. Zurückgehen? Niemals, denkt sich Hiekisch, obwohl ihr Mann zu diesem Zeitpunkt einen Neuanfang im Westen noch für unmöglich hält. „Wir hatten ja nur ein Zelt, zwei Luftmatratzen, zwei Teller und zwei Tassen.“ Und trotzdem wagen die beiden den Neustart. „Wir haben uns durchgekämpft“, erzählt sie. In Obereschach war Riekischwar vier Jahre lang Lehrerin, bevor sie an das Gymnasium am Romäusring in Villingen wechselte. Dort war sie schließlich über 20 Jahre lang tätig.

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Und das ist wiederum bald 30 Jahre her. Die Begeisterung für die Kunst und das Vermitteln von Kunst ist ihr geblieben. Sie will andere dazu bewegen, „sehen zu lernen“, sich Zeit für die Kunst zu nehmen und Freude am Entdecken zu haben. Übrigens: Ihrer bunten Glastür am Hauseingang hat sie den Titel „In anderem Lichte schauen“ gegeben.