„Wölfe fressen kein Gras“ – das steht auf einem Schild, dass am Eingang von Stefan Bolkarts Hof in Donaueschingen hängt. Dass das Raubtier kein Gras frisst, das musste zuletzt ein Landwirt im Landkreis Breisgau-Hochschwarzwald schmerzlich erfahren. Am 14. Februar 2023 wurde der Kadaver eines Hochlandrindes aufgefunden. Der Forstlichen Versuchs- und Forschungsanstalt (FVA) wies eindeutig Spuren eines Wolfes nach. Das war nicht die erste Raubtierattacke dieser Art.
Die Sorge vor dem Wolf geht auch bei Landwirten im Schwarzwald-Baar-Kreis um. Stefan Bolkart zum Beispiel besitzt mehr als 100 Mutterkühe und Kälber – und sorgt sich um sie. Er habe bereits einige Videos von Wolfsrissen zu Gesicht bekommen, die ihn schockiert hätten. „Das möchte ich nicht erleben“, sagt Bolkart. „Am schlimmsten ist es, wenn sie noch halb leben.“

Um solche Angriffe auf Nutztiere zu verhindern, sollen die Landwirte Schutzmaßnahmen ergreifen, die ihnen das Land bezahlt. Aber was hilft wo am besten, was kostet und wer bezahlt das? Zu solchen Fragen unterstützt und berät der Landschaftserhaltungsverband (LEV) Schwarzwald-Baar-Kreis die Bauern.
Wildtierökologin Denise Homburger vom LEV rät, dass die heimischen Landwirte bei den Schutzmaßnahmen mitgehen sollten. Im Schwarzwald-Baar-Kreis gehören alle Kommunen außer Dauchingen und Tuningen zum Förderprogramm Wolfprävention. Hier können tierhaltende Landwirte die Finanzierung von Schutzmaßnahmen beantragen. Im Jahr 2022 betrug das Fördervolumen dem LEV zufolge 282.000 Euro.
Die gängigste Maßnahme ist die Installation von wolfsabwehrenden Zäunen. Technisch ähneln sie Weidezäunen, die allerdings mit stärkeren Stromimpulsen Tiere bei Berührung abwehren. Sie sind auch höher, um zum Beispiel ein Überspringen zu verhindern.
Laut Jahresbericht 2022 des LEV stellen schafhaltende Betriebe sowie einen Betrieb mit Lamas und Alpakas das Gros der Antragsteller. Speziell trainierte Herdenschutzhunde spielen dagegen noch keinerlei Rolle, so der LEV-Jahresbericht.
Landwirt Stefan Bolkart aus Donaueschingen hat sich bereits einen Schutzzaun angeschafft. Damit ist sein Hof einer von lediglich zwei rinderhaltenden Betrieben in der Region, die darauf setzen. Seit einiger Zeit umfasst der drei Kilometer lange wolfsabweisende Zaun Teile seiner Weideflächen. Die Kosten dafür – etwa 40.000 Euro – hat das Land übernommen.

Doch den Landwirten geht es auch um den deutlichen Mehraufwand durch die Installation und Instandhaltung der Vorrichtungen, berichtet Bernhard Bolkart, Präsident des Badischen Landwirtschaftlichen Hauptverbands (BLHV).
Das weiß sein Bruder Stefan Bolkart aus eigener Erfahrung. Mit einmal aufbauen sei die Arbeit nicht getan. „Die Zäune müssen wir mindestens drei- bis viermal im Jahr freimähen“, schildert er. Würde man das nicht regelmäßig machen, könnte der Bewuchs den Zaun übermäßig berühren, dann womöglich den Strom zu sehr ableiten und somit dem Zaun seine Schutzfunktion nehmen.

Auch mit Schutzzäunen kein vollständiger Schutz
Doch ein hundertprozentiger Wolfsschutz, sagt Bauernverbandschef Bernhard Bolkart, sei unmöglich. „Es wird immer Weidefelder geben, die nicht mit Zäunen geschützt werden können.“ Gerade auf Weiden mit Steillagen sei eine Schutzwirkung nur bedingt gegeben.

Gibt es bald das erste Wolfsrudel?
Derzeit tauchen Wölfe in Baden-Württemberg zwar nur sporadisch auf. Doch Anfang Februar wurden im Kreis Waldshut in der Nähe von Schluchsee zwei Wölfe von einer Fotofalle abgelichtet – offenbar ein Männchen und ein Weibchen. Experten der Forstlichen Versuchs- und Forschungsanstalt (FVA) sowie Denise Homburger vom LEV gehen nun davon aus, dass es im Schwarzwald bald das erste Wolfrudel geben könnte.
Wölfe in Deutschland

Landwirte fordern Herabsetzung des Schutzstatus
Vor dem Hintergrund der wahrscheinlich wachsenden Population der Raubtiere fordert der BLHV einen geringeren Schutzstatus für Wölfe. Derzeit sei die Vertreibung oder Entnahme – also der Abschuss – eines Problemwolfs rechtlich nur sehr schwer möglich, bemängelt der BLHV-Präsident.
„Es geht nicht darum, jeden Wolf zu entnehmen“, sagt der BLHV-Präsident. Man wolle eine klare Definition von Problemwölfen, sodass im Ernstfall, falls ein Wolf den Menschen zu nahe komme oder wiederholt Nutztiere reiße, das Problemtier rechtssicher geschossen werden könne.
Naturschutz verteidigt den Wolf
Eine Herabstufung des Schutzstatus? Das lehnt Katharina Baudis vom Regionalverband Schwarzwald-Baar-Heuberg des Bundes Umwelt und Naturschutz Deutschland (BUND) kategorisch ab. „Es hat einen guten Grund, warum der Wolf den derzeitigen Schutzstatus hat.“
Der Wolf gehöre in ein intaktes Ökosystem, sagt Baudis. Für Stefan Bolkart dagegen ist klar: Der Wolf gehöre nicht in die Region. Denn einen richtigen Rückzugsort, an dem die Wölfe ihre Ruhe hätten, den gebe es hier nicht.
Ja zur Unterstützung für Tierhalter
Katharina Baudis hat Verständnis für die Sorgen der Landwirte. Sie betont, wie wichtig die Unterstützung der Tierhalter bei der Wolfsprävention sei. Auch der zusätzliche Arbeitsaufwand, der durch die Wolfsprävention entsteht, sollte ihr zufolge stärker ausgeglichen werden.
Doch nur weil kein hundertprozentiger Schutz garantiert werden könne, wäre es Baudis zufolge falsch zu sagen: Der Wolf muss weg. „Wenn Nutztiere gerissen werden, ist das natürlich schade, aber ich kann die Überhöhung der Wertigkeit von Nutztieren gegenüber dem Wolf nur schwer nachvollziehen“, sagt Baudis vom BUND.
Es sei schon jetzt möglich, einen Problemwolf zu entnehmen. Außerdem gebe es Baudis zufolge für den Ernstfall einen Ausgleichfonds, aus dem die Tierhalter eine Entschädigungszahlung erhalten würden. Panik hält sie angesichts der möglichen Rudelbildung für unangebracht.
„Ich mache da jetzt auch keine Panik“, sagt Stefan Bolkart. Doch darauf zu warten, dass eines seiner Tiere zum Opfer des Wolfs wird – das kann er nicht. „Man hängt an den Tieren. Kälber sowieso – Kühe natürlich auch – eigentlich an allen“, sagt der Landwirt. „Wir versuchen uns jetzt zu schützen. Aber was wollen wir denn mehr machen?“