Den Auktionshammer nimmt Reiner Schorer nur manchmal mit. Aus optischen Gründen, sagt er lachend. Ob er einen Zuschlag jetzt mit dem Hammer oder dem Kugelschreiber erteile, sei egal. „Wichtig ist nur, dass ich zum Ersten, zum Zweiten und zum Dritten anbiete“, sagt er.

Mitschreiben ist Pflicht

Und der Kugelschreiber sei nun einmal praktischer – als Auktionator schreibt Schorer die Gebote immer mit. Parallel dazu werden sie außerdem per Computer erfasst. Schließlich muss bei einer Versteigerung alles rechtmäßig ablaufen.

Fehler sind der Feind des Zuschlags

„Wenn ich bei einer öffentlichen Versteigerung einen Fehler mache, sind die Zuschläge nicht mehr rechtswirksam“, sagt Reiner Schorer. Und es muss immer schnell gehen: Bei einer drei- bis vierstündigen Auktion wechseln schon mal 300 bis 400 Positionen den Besitzer.

Schmuck und Uhren gehören zur den Schwerpunkten des Auktionators. Das Modell Nautilus des Nobeluhren-Herstellers Patek Philippe kostet ...
Schmuck und Uhren gehören zur den Schwerpunkten des Auktionators. Das Modell Nautilus des Nobeluhren-Herstellers Patek Philippe kostet derzeit rund 90.000 Euro. Eine Geldanlage, die wie Aktien Schwankungen unterliegt, sagt Schorer: „Vor einem Jahr kostete sie 150.000 Euro.“ | Bild: Göbel, Nathalie

Antiquitäten, Kunst, Schmuck und Uhren: Sie bestimmen Schorers Berufsleben seit rund 30 Jahren. Anfang der 90er Jahre hatte der gelernte Koch mit einem kleinen Antiquitätenhandel begonnen und rund zehn Jahre später das Pfandhaus VS eröffnet. Das ist mittlerweile an seinen Nachfolger Patrick Wiehl übergeben.

Uhren, Schmuck und Kunst

Schorer konzentriert sich seitdem ganz auf das von ihm gegründete Auktionshaus VS mit zwei Standorten: Schwenningen, wo sich das Lager und ein Auktionsraum im Bärenkeller befinden und Bad Dürrheim, wo frei verkäufliche Kunstwerke, Antiquitäten, Schmuck und Uhren angeboten werden. Viele besondere Schätzchen sind darunter, vor allem aus den Reihen namhafter Uhrenhersteller wie Rolex, Patel Philippe, Breitling oder Junghans.

Ein Schwerpunkt des Auktionshauses ist Kunst. Seit vier Jahren beschäftigt Reiner Schorer deshalb Kunsthistorikerin Julia Auginski, die ...
Ein Schwerpunkt des Auktionshauses ist Kunst. Seit vier Jahren beschäftigt Reiner Schorer deshalb Kunsthistorikerin Julia Auginski, die zuvor eine Galerie in Stuttgart leitete. Bild: Nathalie Göbel | Bild: Göbel, Nathalie

Seit Kurzem steht der 60-Jährige nun an der Bundesspitze seines Berufsstandes: Bei der Neuwahl des Präsidiums des Bundesverbandes Deutscher Auktionatoren wurde Reiner Schorer zum neuen Präsidenten gewählt. In seine neue Rolle bringe er seine langjährige Erfahrung als Versteigerer mit, schreibt der Verband in einer Pressemitteilung.

Nur Schreibtischarbeit? Von wegen!

Zum Ersten, zum Zweiten, zum Dritten, Zuschlag: Was macht eigentlich ein Auktionator? Das, was man von der Arbeit gemeinhin sehe – die Versteigerung – sei nur der geringste Teil, sagt Schorer. Vorbereitung, Recherche, die Annahme von Auktionswaren, Abwicklung: Hinter jeder Versteigerung steckt viel Arbeit. Und nicht nur am Schreibtisch: An einem Arbeitstag komme er locker auf 10.000 bis 15.000 Schritte, sagt Reiner Schorer.

In wie vielen Kinderzmmern dieses Puppen-Badezimmer wohl gestanden hat? Lange Zeit war historisches Spielzeug sehr begehrt, weiß Reiner ...
In wie vielen Kinderzmmern dieses Puppen-Badezimmer wohl gestanden hat? Lange Zeit war historisches Spielzeug sehr begehrt, weiß Reiner Schorer. Mittlerweile hat er nur noch Einzelstücke im Angebot. | Bild: Göbel, Nathalie

Als öffentlich bestellter und vereidigter Versteigerer ist er immer dann im Einsatz, wenn Eigentum von Gesetzes wegen versteigert wird – also bei Zwangsversteigerungen von beweglichen Sachen. Über die Jahre hat Reiner Schorer seine Expertise nach und nach ausgebaut, Nachweise über Sach- und Rechtskenntnisse erbracht, Schulungen und Prüfungen absolviert.

Kunsthistorikerin ergänzt das Team

Gerade bei Kunst sei viel Sachkenntnis gefragt, sagt er. Vor allem, was die Herkunft anbelange. Stichwort: Von den Nazis gestohlene Kunstwerke. Vor vier Jahren hat er daher Julia Auginski eingestellt. Als Kunsthistorikerin, die zuvor eine Galerie in Stuttgart leitete, bringe sie das perfekte Profil für die Arbeit im Auktionshaus mit.

Seit einem Jahr ist auch Julia Auginski im Besitz einer Versteigerungserlaubnis. In einem nächsten Schritt könne sie sich zur öffentlich bestellten Auktionatorin qualifizieren, um auch öffentliche Versteigerungen abwickeln zu dürfen.

„Geld ist immer einfacher zu teilen als alles andere.“
Reiner Schorer, Auktionator

Doch was wird eigentlich zwangsversteigert? Eine Art der Zwangsversteigerung ist beispielsweise eine Teilungsversteigerung. Sie kommt dann in Frage, wenn sich eine Erbengemeinschaft nicht einig wird: Dann können Anteile am Eigentum versteigert und bestenfalls der Frieden unter den Erben wieder hergestellt werden. „Geld ist immer einfacher zu teilen als alles andere“, sagt Reiner Schorer.

Auktionator und Versteigerer: das sind bis heute keine anerkannten Berufsbilder. Und Nachwuchs gibt es zu wenig. Reiner Schorer will ...
Auktionator und Versteigerer: das sind bis heute keine anerkannten Berufsbilder. Und Nachwuchs gibt es zu wenig. Reiner Schorer will durch seine Arbeit im Bundesverband dazu beitragen, die Arbeit in die Zukunft zu transformieren. Bild: Nathalie Göbel | Bild: Göbel, Nathalie

Anders als freiwillige Versteigerungen – etwa von Kunstwerken oder Schmuck – müssen Pfandversteigerungen durch öffentlich bestellte Versteigerer immer in Präsenz an einem öffentlich zugänglichen Ort stattfinden. Ein Punkt, den Reiner Schorer in seinem neuen Amt als Präsident des Bundesverbandes vorantreiben will: Die Präsenz-Versteigerungen ins Netz zu verlagern.

Präsenztermine sind nicht mehr zeitgemäß

„Dürften wir öffentliche Versteigerungen auch online abwickeln, hätte man viel bessere Ergebnisse, weil mehr Menschen mitbieten würden“, ist Schorer überzeugt. Im Gegensatz dazu dürfen Gerichtsvollzieher auf der staatlichen Plattform Justiz-Auktion online versteigern. „Präsenzversteigerungen, wie wir sie heute kennen, sind einfach nicht mehr zeitgemäß.“

Biblische Skultpur trifft zeitgenössische Werke: Blick auf eine Ausstellungswand im Auktionshaus. Bild: Nathalie Göbel
Biblische Skultpur trifft zeitgenössische Werke: Blick auf eine Ausstellungswand im Auktionshaus. Bild: Nathalie Göbel | Bild: Göbel, Nathalie

Generell müsse sich die Branche zukunftssicher aufstellen – auch das ist ein Punkt, auf den Reiner Schorer in seinem neuen Amt sein Augenmerk richten will. Das geht schon bei der Nachwuchssuche los. Das Berufsbild „Auktionator“ existiert bislang nicht – auch etwas, das der Bundesverband und Schorer gerne ändern würden. Daher sei es vorerst wichtig, den Erwerb von Sachkundenachweisen großflächig anzubieten, um potenziellen Auktionatoren den Einstieg möglich zu machen.

„Man muss ein Gefühl für die Sache entwickeln“

„Im Prinzip ist es learning by doing“, sagt Reiner Schorer, der als Kind schon antike Münzen aus Äckern grub. „Man muss ein Gefühl für die Sache entwickeln, viel lesen, rechtlich, kaufmännisch und geschichtlich interessiert sein.“ Eine Ausbildung als Goldschmied oder Uhrmacher sei von Vorteil.

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Was Schorer auch nach mehr als 20 Jahren in der Branche fasziniert: „Wenn ich morgens ins Geschäft gehe, weiß ich nie was passiert.“ Besichtige er beispielsweise Nachlässe, sei das wie eine Schatzsuche: „Total spannend. Es gibt praktisch nichts, was ich noch nicht hatte.“