Um den Fachkräftemangel im medizinischen und pflegerischen Bereich an Kliniken zu entspannen, rekrutiert und vermittelt ein junges Unternehmen aus Villingen-Schwenningen Mediziner und Pflegekräfte aus dem Ausland an Kliniken in Baden-Württemberg. Derzeit werden 20 junge Frauen und Männer in der Doppelstadt auf ihr künftiges Berufsleben in Deutschland vorbereitet. Der Crash-Kurs dauert mehrere Monate.

Deutschland als neue Heimat

Sie kommen aus Kolumbien, Mexiko, Venezuela, Brasilien und Ecuador. Und sie haben sich Deutschland bewusst als neue Heimat ausgesucht, in der sie dauerhaft leben und arbeiten wollen. Bevor sie das dürfen, müssen sie jedoch zwei große Hürden bewältigen. Die da heißen die deutsche Sprache lernen und sich mit der deutschen Bürokratie auseinandersetzen.

Firmenchef sieht sich als Brückenbauer

Andreas Schick ist Geschäftsführer der Firma Interpers GmbH, die sich auf das Anwerben von Fachkräften aus dem Ausland spezialisiert hat. „Aktuell haben wir eine Gruppe von Medizinern aus Lateinamerika hier“, erklärt Andreas Schick. Er hat sich mit dem Unternehmen 2019 selbstständig gemacht, nachdem er zuvor für eine Schweizer Personalvermittlung begann, philippinische Pflegekräfte für den deutschen Markt zu rekrutieren. Andreas Schick sieht sich selbst als Brückenbauer, wo es auf allen Seiten nur Gewinner gibt.

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Länder haben Überschuss an Ärzten und Pflegekräften

Wie er sagt, werden Fachkräfte sowohl für den medizinischen als auch für den pflegerischen Bereich nur aus so genannten Drittstaaten angeworben, in denen es einen Überschuss an Ärzten und Pflegekräften gibt. Wie kommt der Überschuss an Fachkräften dort zustande? „Es sind Länder mit nach wie vor hoher Geburtenrate“, erklärt Schick.

Deutschland steht auf der Wunschliste ganz oben

Während die Mediziner überwiegend aus Lateinamerika kommen, werden Pflegekräfte hauptsächlich aus Indien, von den Philippinen, aus Usbekistan, Kirgisien, Tunesien und Mexiko rekrutiert. In einer Berufswahl im Gesundheitsbereich sehen viele Menschen aus diesen Ländern eine gewisse Sicherheit, die es so aber nicht gibt. Deswegen sind viele junge Mediziner und Pflegekräfte bereit, im Ausland zu arbeiten. Dabei steht Deutschland ganz oben auf der Wunschliste.

Keine Perspektive in arabischen Ländern

„Das sieht man daran, dass wir beispielsweise Anfragen von Pflegekräften bekommen, die beispielsweise in Dubai zu einem deutlich höheren Gehalt gearbeitet haben als sie in Deutschland verdienen werden“, so Schick. Allerdings hätten diese Menschen in den arabischen Ländern keine langfristigen Perspektiven.

Bürokratie als großer Drache

Den Medizinern gefällt es in Villingen-Schwenningen. „Mit gefällt hier alles, bis auf die Bürokratie, das ist ein großer Drache“, sagt Johan Hernandez aus Venezuela und lacht. In Deutschland sehe er große Chancen, „die ich in meiner Heimat aufgrund großer sozialer und wirtschaftlicher Probleme dort nicht habe.“

Santiago Crispin aus Kolumbien, der schon als Kind in Deutschland gewesen ist, gefallen die Menschen. „Die Leute hier sind sehr nett, auch wenn sie manchmal schwer zu verstehen sind.“ Auch das öffentliche Nahverkehrsnetz hebt er hervor. Auch die übrigen Teilnehmer der Gruppe des Sprachkurses sind begeistert. Alle zusammen haben vor einigen Wochen bei der Fasnacht kräftig mitgefeiert.

Angebot vor Ort wird nicht ausgedünnt

Andreas Schick betont, dass das Anwerben der Fachkräfte die Situation im Gesundheitsbereich in diesen Ländern dort keineswegs verschlechtert. „Wir dünnen den Fachkräftemarkt nicht aus.“

Langwieriges Verfahren für die Anerkennung

Dafür, eines Tages in Deutschland leben und arbeiten zu können, nehmen diese Menschen die Herausforderung auf sich, die deutsche Sprache zu erlernen und sie lernen die Bürokratie in ihrem ganzen Ausmaß kennen. So ist das Verfahren zur Anerkennung ihrer Berufsqualifikation eine langwierige Sache.

„Um in Deutschland arbeiten zu können, benötigen die ausgebildeten Mediziner und Pflegekräfte einen sogenannten Defizit-Bescheid, der sie dazu berechtigt, Maßnahmen wie Sprachkurse und andere theoretische und praktische Qualifizierungsmaßnahmen in Anspruch zu nehmen. Die Bearbeitung dauert allerdings bis zu sieben Monate“, sagt Andreas Schick. Viele der Fachkräfte kommen deshalb zur Antragsstellung zunächst mit einem Touristenvisum nach Deutschland und kehren zwischenzeitlich wieder in ihr Heimatland zurück. Andere machen ein Praktikum.

Alle haben schon eine Anstellung

Übrigens haben alle Arbeitskräfte aus dem Ausland bereits eine Anstellung in einer Klinik, wenn sie ihr Anerkennungsverfahren, zu dem neben der Fachsprachenprüfung auch eine praktische Kenntnisprüfung gehört, erfolgreich abgeschlossen haben. Derzeit ist die Vermittlung der Arbeitskräfte auf Kliniken in Baden-Württemberg fokussiert. Auch in Kliniken in der Region sind die ersten Arbeitskräfte aus dem Ausland bereits im Dienst.

Bis zu 80 Bewerber aus dem Ausland

Um den steigenden Bedarf an Fachkräften aus dem Gesundheitsbereich zu decken, geht Andreas Schick davon aus, dass in einem Jahr bis zu 80 Bewerber in Villingen-Schwenningen auf ihr künftiges Berufsleben als Arzt, Ärztin oder Pflegefachkraft in Deutschland vorbereitet werden.

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