Was für ein Empfang. Nicht nur 900 Gäste warten auf den Bundespräsidenten, sondern auch ein blitze-blankes Donauhallen-Umfeld. Was war in den vergangenen Tagen hier für Ordnung gesorgt worden, das Unkraut ist weg, die Laubbläser waren im Dauereinsatz.

Schließlich ist es eine Ehre, wenn der höchste Mann im Staat kommt. Da muss alles passen. Einzige die Demonstranten, die weniger freundliche Plakate in die Luft hielten und ein Trillerpfeifen-Konzert veranstalteten, passten nicht so ganz zur perfekten Kulisse.

Herzliche Willkommen in Donaueschingen! Der Bundespräsident mischt sich unter die Besucher.
Herzliche Willkommen in Donaueschingen! Der Bundespräsident mischt sich unter die Besucher. | Bild: Sprich, Roland

Große Freude, die Tradition der Regionalgespräche fortzusetzen hat Donaueschingens Oberbürgermeister Erik Pauly. Die Gesprächsreihe wurde vor rund 50 Jahren gegründet: „Es ist eine besondere Ehre, dass Präsident Frank-Walter Steinmeier für die 21. Auflage gewonnen werden konnte“, so Pauly, „sie haben ja bereits zweimal zugesagt.“ Eigentlich war bereits 2020 der Besuch des Präsidenten geplant. Corona-bedingt musste das abgesagt werden. „Und glauben sie mir, es fällt einem nicht leicht, einen Termin mit dem Präsidenten abzusagen“, so Pauly weiter.

Dass Steinmeier nochmals kandidieren würde, das sei in Donaueschingen indes klar gewesen, „da Sie ja wieder herkommen müssen, um bei uns zu sprechen“, sagt der Oberbürgermeister.

OB Erik Pauly
OB Erik Pauly | Bild: Sprich, Roland

Besonders freut sich Pauly über die Anwesenheit der Donaueschinger Ehrenbürger Bernhard Everke und Hans-Jürgen Bühler. „Lieber Herr Everke, sie haben die Regionalgespräche ins Leben gerufen. Es freut mich, dass sie 50 Jahre später mit dabei sein können.“

Und der Bundespräsident? Der betritt die Bühne: „Ich hätte schon vor zwei, drei Jahren kommen sollen. Nun ist Corona zwar weg, aber die, die es leugnen, sind immer noch da“, eröffnet Steinmeier. Eine nachdenkliche Rede hat er mitgebracht, eine der vielleicht nicht jeder zustimmen wird, die aber im Anschluss noch Anlass zur Diskussion geben werde.

Bundespräsidenten Frank-Walter Steinmeier
Bundespräsidenten Frank-Walter Steinmeier | Bild: Sprich, Roland

Steinmeier zählt auf: Angriffe von Extremisten, Angriffe auf Lehrer, Polizisten und Bürgermeister. Einzelfälle? „Schlimm genug. Aber es geht um mehr. Es sind kleine und große Angriffe auf unser Zusammenleben, auf unsere Demokratie. Und das müssen wir ernst nehmen.“

Steinmeier ist in Sorge: „Nie war die Gefahr, von innen heraus angegriffen zu werden, so groß.“ Es wachse eine Mischung aus Angst und stiller Wut. Populisten würden die Ängste schüren, ausnutzen, immer mit dem Ziel, politisch Profit daraus zu ziehen. „Die These von der schnellen Verschwörung ist schnell bei der Hand.“

900 Besucher sind beim Besuch des Bundespräsidenten dabei.
900 Besucher sind beim Besuch des Bundespräsidenten dabei. | Bild: Sprich, Roland

In einer Gesellschaft, die unter Veränderungsdruck stehe, sei offenbar auch heute noch der einfachste aller Reflexe die Suche nach schlichten Lösungen und vermeintlichen Schuldigen. „Da ist eine große Sehnsucht nach dem einen Hebel, den wir bloß umlegen müssen, um alle Herausforderungen zu bewältigen.“ Und Populisten bedienen diese Sehnsucht, würden vorgaukeln, es gebe den Hebel. Die Politiker seien nur zu blöd, ihn zu bedienen.

Wenn Respekt vor demokratische Verfahren zerredet sei, werden Wahlen mit anderen Mehrheiten nur schwer etwas ändern. „Meine Bitte: Reden wir über Verantwortung in der Demokratie. Es gibt Gründe für Unzufriedenheit, wir sollten nicht verharren. Diskutieren wir es aus, mehr miteinander, statt gegeneinander. Demokratie ist immer im werden, aber nicht auf Ewigkeit garantiert“, so Steinmeier.

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Sie lebe nicht von den Paragrafen des Grundgesetzes, sondern vom Willen und Engagement ihrer Bürger. „Demokratie braucht sie alle. Deshalb auch meine Bitte: Treten sie dafür ein.“

„Unser Land ist stark auch wegen seiner Vielfältigkeit.“ Die Unternehmen im Land nutzen das zum Besten. Es gehe auch nicht, dass Menschen mit Migrationshintergrund missbraucht werden. „Am Samstag rede ich in einem islamischen Kulturzentrum in Köln. Ich könnte jetzt schon aufschreiben, was ich an unerträglicher Hetze auf meinem Instagram-Account sehen werde. Auch in unseren Parlamenten ist Unsägliches sagbar geworden.“

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Sorgen um Verrohung

Steinmeier mache sich Sorgen um diese sprachliche und intellektuelle Verrohung. „Wenn man so spricht, dann öffnet das Türen für Hass und Hetze“, so Steinmeier. „Auch Kommunalpolitiker bekommen das zu spüren, wie etwa in Altenburg, wo Demonstranten gegen Corona-Maßnahmen beim Bürgermeister daheim klingelten – und dessen Kinder in Angst und Schrecken versetzten.“

Hasserfüllte Sprache helfe nicht der Demokratie, sondern dem Hass. Wer den politischen Gegner zum Feind stilisiere, der habe nichts anderes im Sinn, als alle anderen mundtot zu machen.

Was man brauche, das sei eine starke Mitte, die sich zu Wort melde. „Allein hier im Saal, mit ihnen allen, so viel Lebenserfahrung, so viel Fachwissen, so viel Klugheit und Geschick versammelt. Heben wir diesen Schatz, und erheben sie ihre Stimme – denn wir brauchen sie.“

Demokratie wächst von unten auf

Steinmeier spricht viel über die Demokratie auf der kommunalen Ebene: „Demokratie wächst von unten auf. Wir brauchen die Jungen, die bereit sind, Verantwortung zu übernehmen.“ Viele Organisationen, Vereine und Initiativen klagen über Nachwuchsmangel: „Die Millionen dort engagierter sind das Rückgrat unserer Demokratie.“

Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier (Mitte) trägt sich ins Goldene Buch der Stadt ein – Thorsten Frei (links) und Erik Pauly ...
Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier (Mitte) trägt sich ins Goldene Buch der Stadt ein – Thorsten Frei (links) und Erik Pauly flankieren ihn. | Bild: Sprich, Roland

Der Präsident ruft dazu auf, jenen den Rücken zu stärken, „die das Kreuz für unsere Gesellschaft breit machen! Übertönen wir die Schreihälse mit den vielen verschiedenen Stimmen einer starken, einer erfolgreichen Gesellschaft, die zusammenhält.“

Steinmeier spricht auch die vielen aufeinander folgenden Krisen an: „Wir stehen vor Jahren mit Gegenwind.“ Die wirtschaftliche Lage sei nicht einfach, „aber die Segler unter ihnen wissen; Wir können den Wind nicht ändern, aber die Segel richtig setzen.“

Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier (Mitte) trägt sich ins Goldene Buch der Stadt ein – Thorsten Frei (links) und Erik Pauly ...
Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier (Mitte) trägt sich ins Goldene Buch der Stadt ein – Thorsten Frei (links) und Erik Pauly flankieren ihn. | Bild: Sprich, Roland

Ein gewaltiger Wandel

Wie dieser Umbau zu schaffen sei, darum müsse sich die politische Debatte drehen: „Und wir dürfen den Menschen nicht aus dem Blick verlieren. Auch nicht die, die unsicher sind. Denn klar ist auch: Wir werden diesen gewaltigen Wandel nur schaffen, wenn wirklich alle was zu gewinnen haben.“ Diese Herausforderungen verlangen eine ganz neue Art der Beweglichkeit ab. „Hier im Südwesten sehe ich, dass wir das können.“

Denn hier trage man die Idee der permanenten Erneuerung quasi mit in der DNA. „Daher bitte ich sie: Helfen sie mit, diese Veränderungsbereitschaft und Zuversicht in unsere Gesellschaft zu tragen.“ Nur die Demokratie sei so beweglich, um diesen Umbau meistern zu können.

Und der Bundespräsident hat eine klare Botschaft: „Die Zukunft ist kein Schicksal. Machen wir was draus! Möglichst gemeinsam!“