• Das Bauprojekt: Mehr als 30 Meter Seitenlänge, nahezu quadratisch: Die neue Produktionshalle der Südbadischen Gummiwerke (SBG) wirkt riesig. Gerade auch, weil sie noch nahezu leer und zudem durch LED-Leuchten an der Decke gut ausgeleuchtet ist. An drei Seiten wechseln sich raumhohe Fensterelemente mit Betonfertigelementen ab und lassen Tageslicht in die Halle Unsichtbar in den Boden eingelassen ist ein verzweigtes System von Wasserleitungen. Es kühlt im Sommer und heizt im Winter. Eine Zukunftshalle auch in der baulichen Basis. Geschäftsführer Dietmar Bolay ist zufrieden, wie sich das Projekt entwickelt hat. „Mit der Bauzeit sind wir mit einem kleinen Plus von sechs Wochen gut unterwegs gewesen. Den Kostenrahmen konnten wir einhalten.“ Eine Million Euro – ein Zehntel kam vom Land – haben die SBG in die Hand genommen, um mit dem Abriss eines alten Produktionstaktes den Warenfluss zwischen Annahme und Versand zu optimieren und die Gebäudeteile besser zu verzahnen, vor allem aber, sich bei gut 1000 Quadratmeter neuer Nutzfläche ein „Labor digitaler Industrieproduktion“ einzurichten.
  • Die Automatisierung: Zwei Gummi-Spritzgießautomaten und eine Montageanlage bilden in der neuen Halle kleine Inseln der künftigen, zu 90 Prozent automatisierten Produktion. Sie sind noch nicht in Betrieb. Externe Fachkräfte richten gerade einen der Automaten ein. Ein Prozess, der schnell gehen wird. „Ab der zweiten Oktoberwoche läuft hier die Produktion im Dreischichtbetrieb“, gibt Bolay das Ziel vor. Bis Ende des Monats steht die Halle dann komplett unter Regie der SBG. „Die Handwerker sind dann draußen.“ Die Zukunft kann beginnen. Sie heißt kostengünstigere, präzise Produktion, die Erschließung neuer Märkte und eine Antwort auf Personalanforderungen im globalen Maßstab, denen sich auch ein Unternehmen in Neudingen nicht entziehen kann. Bolay setzt dabei auf automatisierte Großserien bei einem reduzierten Personalkostenanteil.
     
Zukunftshalle heißt der Erweiterungsbau der Südbadischen Gummiwerke. Geschäftsführer Dietmar Bolay hofft auf durch den neuen ...
Zukunftshalle heißt der Erweiterungsbau der Südbadischen Gummiwerke. Geschäftsführer Dietmar Bolay hofft auf durch den neuen Maschinenpark auf einen höheren Anteil an Automatisierung. | Bild: Wursthorn, Jens
  • Die Personalsituation: Ein solches Ansinnen löst zunächst arbeitnehmerschützende Reflexe aus. Aber Personalabbau hat Bolay keineswegs im Sinn. Im Gegenteil. 2018 sei in puncto Mitarbeiterakquise ein übles Jahre gewesen. „Die Vollbeschäftigung in der Region hat es uns extrem schwer gemacht. Wir haben einfach niemanden gefunden.“ Gummispezialisten sind rar, auch Fachkräfte für Entwicklung, Konstruktion, Prozesstechnik oder Projektmanagement sind auf dem Arbeitsmarkt in einer komfortablen Situation. Dieses Jahr sei die Situation besser, räumt Bolay ein. Im September sind auch vier neue Auszubildende zur hundert Köpfe starken Stammmannschaft gestoßen. Sie werden zum Verfahrensmechaniker Kunststoff ausgebildet. Ihre Aufgabe wird es sein, Prozesse zu betreuen in einer Produktion, die weitgehend ohne äußere Eingriffe vonstatten geht und mittels unzähliger digital bereitgestellter Prozessdaten fehlerfreier, flexibler und effizienter gesteuert werden kann.
     
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  • Die neue Kultur: Der Nachwuchs lernt gleich in der „neuen Welt“.Doch wie werden die bewährten Kräfte angeleitet? Dazu brauche es eine neue Kultur in der Belegschaft, ein „Wir“, das insgesamt gefordert sei. Workshops können diesen Wandel befördern: die Sicherheit vermitteln, dass auch in der neuen Welt alle an Bord bleiben; wie die einfachen durch qualitative Tätigkeiten ersetzt werden; dass das einfacher bei neuen Produkten als im laufenden Geschäft geht. Oder zu akzeptieren, dass die bisherige personalintensive Kleinserienarbeit besser anderswo erledigt wird. Zukunft der SBG bedeutet auch Zukauf personalintensiver Bestandteile. Für Bolay ist das kein Tabu. Im Gegenteil. „Wir sind in dieser Form der kleinteiligen Fertigung weit und breit die letzten Mohikaner. Und die Konkurrenz um Arbeitskräfte nimmt zu.“ Da sei es richtig, Arbeit in Länder mit einem niedrigeren Lohnniveau zu geben. Ungarn oder Rumänien etwa. Und damit dafür zu sorgen, dass die Menschen ihre Heimat nicht verlassen müssen. Umsteuern und neue Kultur brauchen Zeit. Die habe man bisher nicht gehabt, räumt Bolay ein. Bauphase, Seriengeschäft und neue Projekte musste die Belegschaft im alten Modus schultern.
     
Am Ortseingang von Neudingen befinden sich die Südbadischen Gummiwerke.
Am Ortseingang von Neudingen befinden sich die Südbadischen Gummiwerke. | Bild: Wursthorn, Jens
  • Höchster Auftragsbestand: Dabei sind die Zeiten für eine Neujustierung günstig. „Wir verfügen gegenwärtig über den höchsten Auftragsbestand in der Unternehmensgeschichte“, freut sich der Geschäftsführer. Das Auftragsbuch gewährt Stand heute Arbeit bis in den April 2020. Verantwortlich dafür ist ein Großprojekt im Bereich Haushaltsgeräte, aber auch auch eine Großserie im Segment Automotive. Diese, gemeinhin der Autoindustrie zugerechnet, macht bei den SBG nur einen Anteil von 20 Prozent aus. „Kein Nachteil“ befindet Bolay mit Bezug auf die sich über den Fahrzeugbau ballenden Krisenwolken.
  • Wachstumsfelder: Der Exportanteil ist leicht gestiegen. Dank eines Großkunden, eines „Global Players“ mit Fabriken weltweit. Auch der Umstieg vom indirekten zum eigenen Export steht auf der Agenda. Ohne Fahrplan bisher. „Wir haben unser Leistungspotenzial noch nicht komplett abgerufen“, gibt sich Bolay selbstkritisch. Schrittweise geht es weiter. Auch in der Verfahrenstechnik. Allein eine bei den SBG vorangetriebene Revolution bei der Verbindung von Kautschuk und Kunststoff – ein Arbeitsschritt an einem Ort statt bisher zwei – verspricht deutlich weniger Kosten. Das sogenannte K + K-Verfahren wird gegenwärtig noch im Altbestand gefahren. Auch der wird neu strukturiert. Theoretisch bietet die Zukunftshalle eine unendliche Platzreserve für Innovationen. Mit einer Investitionssumme, die den Wert der Halle um ein vielfaches übersteigen wird.