In Gedenken an Jesus‘ Tod verbringen die Christen den Karfreitag in Stille: Von Gründonnerstagabend bis zum Gloria in der Osternacht am Samstagabend läuten daher keine Kirchenglocken und es findet auch kein Orgelspiel in der Kirche statt. Dies wird auch als Glockenfasten bezeichnet.
In einigen Gemeinden in Deutschland, darunter auch in Riedböhringen, besteht allerdings der Brauch, spezielle Holzklappern, im Süddeutschen besser als Rätschen bekannt, zu bauen und mit deren lautstarkem Geräusch die Kirchenglocken zu ersetzen.

Wird ein neuer Ministrant in die Reihen der Messdiener aufgenommen, ist es üblich, dass er vor dem nächsten Osterfest zu Hause eine eigene Rätsche baut, was meist mit Unterstützung eines erwachsenen Familienmitglieds erfolgt. Viele Rätschen sowie die Bauanleitungen dazu werden aber auch über Generationen hinweg weiter gegeben und quasi vererbt. Sie ähneln in ihrer Bauart den Rätschen, die viele von der Fastnacht kennen, sind allerdings meist größer und schwerer.
Gerätscht wird am Karfreitag und Karsamstag morgens um sechs und mittags um zwölf sowie vor den Gottesdiensten. Das Rätschen vor dem Kirchgang war ursprünglich der Auslöser für das Entstehen dieses lärmenden Brauchs gewesen, da man einen Weg finden musste, um trotz der schweigenden Glocken alle Gläubigen auf die bevorstehende Messe aufmerksam zu machen.
„Bis vor wenigen Jahren haben die Ministranten in Riedböhringen immer direkt vom Kirchturm herab ihre Rätschen klappern lassen“, erklärt Oberministrantin Lena-Marie Baschnagel. Die größte aller Rätschen, der sogenannte Großvater, ist sogar fest im Glockenturm der Pfarrei Sankt Genesius verbaut.

Damit auch alle Einwohner das Rätschen lautstark hören konnten, wurden üblicherweise die Fenster im Kirchturm geöffnet. Aufgrund der vielen Tauben, die seit einigen Jahren rund um den Kirchturm herumfliegen, ist dies allerdings nicht mehr möglich.
Da der Lärmpegel bei geschlossenen Fenstern aufgrund des dicken Mauerwerks des Kirchturms nur unzureichend ist, haben sich die Ministranten um ihre drei Oberministrantinnen Lena-Marie Baschnagel, Nathalie und Janina Weinmann dazu entschieden, gemeinsam auf dem Kirchenvorplatz zu rätschen.
„Hierfür wurde vor wenigen Jahren beim Riedböhringer Wagner Johann Engesser eine große neue Handrätsche in Auftrag gegeben“, wie Lena-Marie Baschnagel berichtet. Diese erhielt in Anlehnung an den Hersteller den Namen Oma Johanna und leistet seither der ebenfalls großen, aber mobilen Rätsche namens Großmutter Gesellschaft.
Jedes Rätschen dauert 15 Minuten. Aufgrund der Größe und des Gewichts kann dies mit der Zeit ziemlich anstrengend werden, so dass die Ministranten dabei ganz schön ins Schwitzen kommen. Dennoch ist für viele Ministranten, aktuell sind es 16 Stück in Riedböhringen, das Rätschen in der Karwoche einer der Höhepunkte des Jahres. Denn mit dem bloßen Lärmmachen ist es längst nicht getan.

Die Ministranten nutzen die Zeit für gemeinsame Aktivitäten: Sie essen zusammen, spielen Gesellschaftsspiele und überbrücken so die Zeit zwischen den einzelnen Rätsch-Terminen. Nachdem in den vergangenen beiden Jahren das Rätschen nur eingeschränkt bei den einzelnen Ministranten zu Hause stattfinden konnte, freuen sich die drei Oberministrantinnen nun, dass der Brauch nun wieder in fast gewohnter Weise stattfinden kann. Da macht den Kindern und Jugendlichen sogar das Frühaufstehen ausnahmsweise Spaß.