Mehrfache gefährliche Körperverletzung sowie versuchte gefährliche Körperverletzung lauteten die Anklagepunkte in einem Verfahren am Stockacher Amtsgericht gegen eine 25-jährige Frau aus dem Raum Stockach. Die Verhandlung zeigte Nachbarschaftskonflikte viele Widersprüche in den Aussagen und endete mit einer Einstellung gegen eine Arbeitsauflage von 60 Sozialstunden.
Die verschiedenen Anklagesätze bezogen sich auf mehrere Vorfälle, die in keinen zeitlichen Zusammenhang standen. Die 25-Jährige soll eine frühere Mitbewohnerin mit Pfefferspray attackiert, sowie eine Person mit einem Hammer und – später – Messer angegriffen haben. Außerdem solle sie mit Glasscherben und Silvesterböllern geworfen haben. Zu dem Gerichtsprozess waren zehn Zeugen, ein Sachverständiger und ein Dolmetscher geladen.
Die Angeklagte schilderte Richterin Julia Elsner gegenüber alle Vorfälle sehr ruhig, aber nicht sehr eindeutig. Ihre Aussagen wichen von den Berichten der Polizei ab. Die junge Frau erklärte zum Beispiel, sie habe das Pfefferspray aus Notwehr gegen ihre wesentlich kräftigere Mitbewohnerin einsetzen müssen. Auslöser für den Streit seien die allgemeine Sauberkeit des Badezimmers und ein Putzeimer gewesen, den die Geschädigte immer wieder in dem kleinen Bad in den Weg stelle. Als die Angeklagte dies zur Sprache gebracht habe, sei die Geschädigte aggressiv geworden, habe die Zimmertür belagert und randaliert. Die 25-Jährige erklärte, sie habe dem Lärm Einhalt gebieten wollen und – bereits mit dem Pfefferspray ausgerüstet – die Tür geöffnet. Sie habe einen Angriff auf sich verhindern wollen. Die Aussage eines Polizisten zeichnete die Geschehnisse etwas anders und deuteten darauf hin, dass der betreffende Eimer der Angeklagten gehörte, die Geschädigte diesen weggestellt und dies zu einem Wutausbruch geführt habe.
Dieses Muster der Widersprüche zog sich durch den weiteren Verlauf der Verhandlung. So gab eine Zeugin an, von einem gezielten Hammerwurf getroffen worden zu sein. Laut Aussage der Angeklagten jedoch sei niemand getroffen oder auch nur knapp verfehlt worden, als sie einen Korb voll Gegenstände in den Flur geschmissen habe. Die 25-Jährige gab an, dass die den von mehreren Personen versperrten Eingangsbereich des Gebäudes freimachen habe wollen, da diese ihr Gewalt angedroht hätten. Die weiteren Zeugen waren sich uneins, ob Personen von den Gegenständen getroffen worden waren oder überhaupt jemanden hätten treffen können.
Ein Vorfall mit einem Messer an einem anderen Tag sei aus Angst und zur Abschreckung gewesen, sagte die Angeklagte weiter aus. Es sei niemand in der Nähe gewesen und sie habe auf niemanden gezielt. Sie wollte nur sicher in die eigene Wohnung kommen, um etwas zu holen und diese dann auch wieder verlassen, erklärte sie. Eine Zeugin gab allerdings an, dass ein fliegendes Messer sie nur knapp verfehlt habe.
Auch ein Angriff mit Böllern und Glasscherben blieb vor Gericht undurchsichtig. So hatte direkt nach dem Vorfall ein Betroffener angegeben, von einem Böller getroffen worden zu sein. Diese Aussage stützte zum Verhandlungstag aber niemand.
Schließlich ging es auch noch um ein Ereignis mit verschiedenen Schäden: Die Angeklagte erzählte, sie habe ihre Wohnung geputzt, als sie im Garten einen der Beteiligten sah. Diesem warf sie vor, ihr Fahrrad beschädigt zu haben. Daraufhin habe er ihr Dreck in die Wohnung geworfen. Die Schilderungen zum Ablauf wichen nicht nur bei den gegnerischen Seiten stark ab, sondern auch zwischen dem, was die Angeklagte bei der Polizei gesagt hatte und nun vor Gericht schilderte. Bei der Polizei hatte die 25-Jährige angegeben, dass eines ihrer Fenster mit Steinen eingeworfen worden sei. Ihre Gegner in dem Streit erklärten jedoch, dass die junge Frau das Fenster selbst beschädigt habe. Sie selbst sagte nun, sie habe ihr Fenster gerüttelt und versehentlich beschädigt, während eine Zeugin von Absicht sprach. Die Beweisfotos ließen für das Gericht keine klaren Schlüsse zur Ursache der Schäden zu.
Da einer der geladenen Zeugen nicht erschienen war und die tatsächlichen Geschehnisse nicht eindeutig festgestellt werden konnten, schlug die Richterin letztendlich eine Arbeitsauflage und vorläufige Einstellung des Verfahrens vor. Dies unterstützten sowohl Verteidigerin, Angeklagte als auch Staatsanwaltschaft. Die 25-Jährige muss nun bis Jahresende 60 Stunden gemeinnützige Arbeit ableisten. Erst lautete das Urteil auf 80 Stunden, wurde aber aufgrund des fehlenden Hauptzeugens um 20 Stunden reduziert.
Das Gesetz
- Gefährliche Körperverletzung (Paragraf 224 des Strafgesetzbuchs) wird laut Gesetz mit einer "Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu zehn Jahren, in minder schweren Fällen mit Freiheitsstrafe von drei Monaten bis zu fünf Jahren bestraft". Bereits der Versuch ist strafbar. Paragraf 223 sagt zur Körperverletzung allgemein, dass es für eine solche mit einer Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren oder mit Geldstrafe geahndet wird.
- Arbeitsauflage: Die gemeinnützige Arbeit kann im rechtlichen Sanktionensystem der Bundesrepublik Deutschland aus verschiedenen Gründen angewendet werden. Dabei wird sie unter anderem als Auflage zur Einstellung eines gerichtlichen Strafverfahrens genutzt, sofern dadurch der staatliche Strafanspruch beseitigt wird und ihr die schwere der Schuld nicht entgegensteht. Auch ist sie ein Mittel bei der Verurteilung von Jugendlichen und Heranwachsenden. Stellen zur Ableistung sind zum Beispiel gemeinnützige oder kirchliche Einrichtungen. (sk/mga)