Malu Dreyer ist sich keiner Schuld bewusst. Als die Vertreter des Narrengerichts aus dem baden-württembergischen Stockach in der Tür stehen, sagt die Ministerpräsidentin von Rheinland-Pfalz: „Ich weiß selbstverständlich, dass ich unschuldig bin.“ Aber die närrische Strafe, zu der sie das Gericht im Februar verdonnert hat, zahle sie trotzdem gerne, meint sie lachend. Am Freitagabend beglich Dreyer (SPD) im Moselort Mehring (Kreis Trier-Saarburg) ihre närrischen Schulden: Sie übergab den angereisten Gerichtsnarren die verlangten 150 Liter Wein plus drei Liter extra als Verzugszinsen.
Für die „Verurteilte“ war die Sache klar: „Wenn ich sehe, dass das hohe Narrengericht extra an die Mosel gefahren kommt, um die Strafe abzuholen, zeigt das: Es ist bei dem ganzen Verfahren nur darum gegangen ist, möglichst viel rheinland-pfälzischen Wein nach Baden-Württemberg zu holen.“ Und den schleppten die Narren mit ihren bunten Dreispitz-Kappen in gut 200 Flaschen kistenweise weg: Den Wein hatte Dreyer aus den sechs rheinland-pfälzischen Anbaugebieten zusammengestellt - viermal weiß und zweimal rot.
„Wir freuen uns über den guten Wein“, sagte Narrenrichter Jürgen Koterzyna auf dem Weingut Endesfelder. Die bunte Mischung kam gut an: „Hervorragend! Da können wir uns durchprobieren.“ Die Tropfen werden nun das Jahr über genossen: „Die Arbeitssitzungen zur Vor- und Nachbereitung der Fastnacht könnten sonst zu trocken sein.“ Das 666 Jahre alte Stockacher Narrengericht gehört zu den Höhepunkten der schwäbisch-alemannischen Fastnacht im Südwesten Deutschlands.
Dreyer war von den Narren aus dem Kreis Konstanz in zwei Anklagepunkten für schuldig befunden worden: Einer „wissentlichen Karnevalisierung der Landespolitik“ sowie einem Verrat am angeblichen Grundkonsens der SPD, wonach sich Wahlsiege nicht gehörten. Dreyer hatte 2016 die Wahl in Rheinland-Pfalz gewonnen. Der Richterspruch habe null Auswirkung auf sie, sagte Dreyer: Sie werde weiter „Politik mit guter Laune“ machen und für SPD-Wahlsiege kämpfen.
Die Widerworte kamen an: „Wir haben hier eine wunderbare, charmant-freche Beklagte, mit allen Wassern gewaschen, nicht nur politisch, auch persönlich“, sagte Koterzyna über Dreyer. Ein kleine karnevalistische Reststrafe in Form von einer „Sozialstunde“ steht für Dreyer aber noch aus: Sie muss beim Rheinland-Pfalz-Tag im Juni 2018 eine Stunde Werbung für die Tourismusregion Stockach machen.
Vor dem Narrengericht sind schon viele prominente Politiker abgeurteilt worden: Darunter Ex-Bundesverkehrsminister Alexander Dobrindt (CSU), Kanzleramtsminister Peter Altmaier (CDU), Kanzlerin Angela Merkel (CDU) und der frühere Ministerpräsident von Rheinland-Pfalz, Kurt Beck (SPD). Das Strafmaß wird in Eimern zu je 60 Litern erlassen - und reicht von einem bis zu viereinhalb Eimern.
Die Höchststrafe mit 270 Litern habe bisher nur der heutige Bundespräsident Frank Walter Steinmeier im Jahr 2011 bekommen, berichtete Koterzyna. Und Merkel, die 2001 zu eineinhalb Eimern verurteilt worden war, habe erst Jahre später bezahlt. „Es war ihr durchgegangen“, sagte der Narrenrichter, der im normalen Leben Vermögensmanager ist. Als sie darauf aufmerksam gemacht wurde, habe sie aber sofort geliefert und ordentlich Verzugszinsen drauf gelegt.
Wer der oder die nächste „Beklagte“ vor dem Stockacher Narrengericht sein wird, soll am 6. Januar 2018 bekanntgegeben werden, sagte Koterzyna. Dreyer muss nicht befürchten, dass sie noch mal drankommt: „Wir verurteilen niemanden zweimal“, sagte „Säckelmeister“ Oliver Kaufmann.