Der Apfel ist das Lieblingsobst der Deutschen. Und in diesem Herbst hängen die Bäume so voll, dass sich die Äste biegen – im Gegensatz zum vergangenen Jahr, in dem Frostschäden die Ernte empfindlich dezimierten. Die langanhaltende Wärme und Sonneneinstrahlung haben dafür gesorgt, dass die Äpfel so viel Süße haben wie selten. Die Qualität stimmt also. Doch die große Menge bereitet nun auch wieder Probleme. Denn viele Menschen haben auch Obst aus dem heimischen Garten. Dadurch ist die Nachfrage geringer als sonst und die Menge drückt zusätzlich die Preise. Wie gehen die Obstbauern mit dieser Situation um?
Liesa Wassmer vom Obstbaubetrieb Alfred Wassmer, der über den Großhandel, an Wiederverkäufer und direkt verkauft, sagt ganz offen: "Auf Grund der schlechten Apfelpreise können wir eine komplette Plantage gar nicht mehr ernten, es lohnt sich einfach nicht. Wir zahlen mehr Lohn als wir überhaupt an Ertrag erhalten – weitere Kosten noch gar nicht beachtet." Ihre Mutter Annelie Wassmer ergänzt: "Wir bekommen acht Euro inklusive Mehrwertsteuer für 100 Kilogramm Mostobst. Das entspricht etwa einem Cent pro Apfel." Und das ergebe nicht mal den Mindestlohn.

Der Obstbaubetrieb mit der Markthalle vom Blumhof verschenkt nun die Äpfel der kompletten Plantage an die Bevölkerung. Liesa Wassmer erklärt: "Das sind etwa 30 Tonnen Äpfel. Die Leute dürfen so viele Äpfel ernten, wie sie wollen. Sie können ihre mitgebrachten Obstkisten und Wäschekörbe füllen oder ihr ganzes Auto vollladen. Es ist einfach nur schade, dass in den Supermärkten ausländische Äpfel verkauft werden und bei uns direkt vor der Türe unsere heimischen Produkte verfaulen." Es könne doch nicht sein, dass hier Nahrungsmittel vergammeln, während überall auf der Welt Menschen Hunger leiden, fügt sie hinzu.
Ilja Herrmann vom Amt für Landwirtschaft bestätigt: "Es ist eine betriebswirtschaftliche Herausforderung für die Obstbauern, mit dem geringen Preisniveau zu wirtschaften. Hinzu kommen Investitionen, die die Obstbauern aufgrund neuer Verordnungen im Pflanzenschutzbereich tätigten, und ein sich veränderndes Sortenspektrum des Handels." Manche Sorte, die vor 15 Jahren sehr beliebt war, werde heute vom Handel abgelehnt oder schlecht bezahlt.
Alexander Buhl rechnet mit steigenden Preisen in einigen Wochen
Alexander Buhl und sein Bruder Michael vom Seeblickhof in Wahlwies ernten dennoch alle ihre Plantagen ab, um zu verhindern, dass das Obst an den Bäumen verfault, zu Boden fällt und Tiere anlockt, kurz, um die Hygiene in der Anlage zu gewährleisten. Tafelobst über den normalen Anteil hinaus zum Mosten zu verwenden, lohne sich nicht, weil durch Mostobst gerade einmal die Pflückkosten gedeckt würden. Außerdem rechnet Buhl damit, dass die Nachfrage nach Äpfeln in einigen Wochen steigt. "Die reife Ware, die nicht in der Kühlung war, ist dann verkauft. Und mit der hohen Qualität der diesjährigen Ernte, die optimal gelagert wird, sollten wir dann wieder normale Preise erzielen", hofft er. Für die Kunden schätzt er den Kilopreis dann auf durchschnittlich 1,50 Euro.

Andreas Hertle vom gleichnamigen Obsthof in Stockach erzählt, er habe in den letzten Jahren viel Geld in Lager investiert und dadurch genügend Lagerfläche. Weil es nach den Frostschäden im Frühjahr 2017 in diesem Herbst so viele Äpfel gebe, seien allerdings bei allen Obstbauern die Lager voll. "Am ganzen Bodensee gibt es kein Leergut mehr" – also Kisten, in denen man das Obst lagern kann. "Die Äpfel kosten weniger als die Hälfte des Vorjahrespreises", sagt Hertle. Dabei seien die Ernteerträge nur in Mitteleuropa sehr hoch. Weltweit gebe es 20 Prozent weniger Äpfel. Auch dadurch könnten die Preise wieder steigen. Hertle verkauft kein Mostobst. Er sagt: "Wir ernten alle knapp 30 Sorten komplett ab und stellen selbst Schnaps, Most und Apfelmus her. Diese Erzeugnisse verkaufen wir im Hofladen."
Äpfel kostenlos ernten
Am Samstag, 20., und Sonntag, 21. Oktober, kann jeder ab 9 Uhr zur Plantage des Obstbaubetriebs Wassmer kommen und beliebig viele Äpfel pflücken. Grund der besonderen Aktion ist: Die Wassmers wollen nicht, dass die Äpfel an den Bäumen verfaulen. Die Anlage befindet sich am Ortsausgang von Stockach in Richtung Besetze. Man folgt der Zoznegger Straße (Kreisstraße 6180) bis zur Abzweigung Heideweg. Dort liegt die Anlage rechts, direkt an der Straße. Es wird Hinweisschilder geben. Zur Stärkung wird Familie Wassmer den ungewöhnlichen Erntehelfern Apfelkuchen, Kaffee und Würstchen anbieten. Von deren Erlös fließt ein Teil an einen sozialen Zweck. (wig)