Die kriminelle Jugendgruppe, gegen die schon seit November Ermittlungen laufen, hat offenbar deutlich mehr Straftaten verübt, als ursprünglich angenommen. Laut einer aktuellen Pressemitteilung von Polizei und Staatsanwaltschaft Konstanz werfen die Beamten den 21 Jugendlichen im Alter von 13 bis 19 Jahren 89 Straftaten und 14 Ordnungswidrigkeiten vor. Kurz vor Weihnachten waren die Ermittler noch von etwa 30 Straftaten ausgegangen.
Außerdem gaben Polizei und Staatsanwaltschaft nun bekannt, dass sie zwei Jugendliche im Alter von 15 und 17 Jahren als Rädelsführer der Gruppe betrachten. Außergewöhnlich ist, dass der 15-Jährige laut der Pressemitteilung inzwischen in Untersuchungshaft sitzt. "Das ist ein sehr ungewöhnlicher Vorgang", bestätigt auch Andreas Mathy, Staatsanwalt und Pressesprecher der Konstanzer Staatsanwaltschaft. Es sei aus guten Gründen so, dass man Jugendliche nur selten in Untersuchungshaft nehme, sagt Mathy. Bei einem Unter-16-Jährigen sei dies sogar noch ungewöhnlicher. Die Ermittler begründen die Untersuchungshaft damit, dass der 15-Jährige, abgesehen vom Vorwurf mehrerer Straftaten, auch im Verdacht stehe, Zeugen zu seinem Vorteil eingeschüchtert zu haben. Dies lasse auf Verdunklungsgefahr schließen, so Mathy.
13 Tatverdächtige im engeren Kreis der Gruppe
Zum engeren Kreis der Gruppierung, die als "Die Stockacher" aufgetreten sei, rechnet die Polizei 13 Tatverdächtige, weitere acht Personen gehören zum weiteren Umfeld. Die Gruppe ist immer wieder in unterschiedlichen Zusammensetzungen aufgetreten und hat laut der Mitteilung von Polizei und Staatsanwaltschaft Partys und private Feiern massiv gestört.
Dabei haben die Jugendlichen ihre Opfer geschlagen, bestohlen und eingeschüchtert, etwa durch massives Auftreten und einheitlich dunkle Kleidung. Bei ihren Aktionen seien sie teilweise maskiert gewesen und hätten auch Schreckschusswaffen, Pfefferspray und Schlagwerkzeuge genutzt. Dadurch dass die Opfer stark eingeschüchtert waren, erklärt sich laut der Mitteilung auch, dass viele Straftaten erst während der Ermittlungen überhaupt bekannt wurden. Mathy: "Die Opfer tun sich nicht leicht, den Mund aufzumachen, aus Angst, dass wieder etwas passiert."
Bei den Tatvorwürfen gegen die 21 Jugendlichen, die laut Mathy alle aus dem Raum Stockach kommen, geht es laut der Pressemitteilung um zahlreiche Körperverletzungen, Beleidigungen und Sachbeschädigungen. Doch zu den Vorwürfen gehören auch weit schlimmere Delikte wie räuberische Erpressung, Brandstiftung, Landfriedensbruch und sogar Sexualdelikte. Aufgedeckt haben die Polizisten die Machenschaften der Gruppe durch "akribische Ermittlungsarbeit" mit zahlreichen Vernehmungen, wie es in der Mitteilung heißt.
Die Arbeit der Ermittlungsgruppe Nellenburg hat nach einem Vorfall in der Jahnhütte beim Stockacher Ortsteil Hoppetenzell im November 2017 begonnen. Damals haben 20 Jugendliche bei einer privaten Geburtstagsfeier auf vier Partygäste eingeschlagen. Kurz vor Weihnachten gab es Hausdurchsuchungen bei zehn Jugendlichen, bei denen unter anderem Waffen und "Betäubungsmittelgegenstände", so die damalige Pressemitteilung, gefunden wurden. Mittlerweile ist aktenkundig, dass die Gruppe schon seit Anfang 2017 ihr Unwesen getrieben hat. Auch wenn die Gruppe sich inzwischen aufgelöst habe, werde die Polizei die Tatverdächtigen weiter im Auge behalten.
Die juristische Bewertung der Tatvorwürfe liegt nun bei der Konstanzer Staatsanwaltschaft, laut Polizeisprecher Markus Sauter sind alle Akten zu den Fällen inzwischen dort. In welchem Umfang tatsächlich Anklage erhoben wird, stehe indes noch nicht fest, so Andreas Mathy.
Warum es keine Bande ist
Wenn eine Gruppe kriminelle Taten begeht, fällt sehr schnell das Wort Bande. Tatsächlich ist Bande aber ein juristisch definierter Begriff. Im Fall der Jugendgruppe "Die Stockacher", denen nun 89 Straftaten vorgeworfen werden, trifft Bande nicht zu. Denn von einer Bande sprechen Polizei und Staatsanwaltschaft, wenn sich mehrere Personen gezielt für kriminelle Handlungen verbünden und immer in derselben Zusammensetzung auftreten. Die Stockacher Jugendlichen, gegen die Polizei und Staatsanwaltschaft ermitteln, waren dagegen immer in lockeren Zusammenschlüssen unterwegs. (löf)